INTEGRAL WORLD: EXPLORING THEORIES OF EVERYTHING
Ein Forum für eine kritische Diskussion über die integrale Philosophie von Ken Wilber



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Ray Harris Ray Harris is a frequent contributor to this website. He has written articles on 9/11, boomeritis, the Iraq war and Third Way politics. Harris lives in Australia and can be contacted at: [email protected].



CHRISTENTUM:
DIE GROßE LÜGE

PROGRESSIVE RELIGION UND INTEGRALE POLITIK

Ray Harris

TEIL EINS: PROLOG

Der Teufel steckt im Detail

Ken Wilber hat oft gesagt, er handele bloß mit orientierenden Verallgemeinerungen. Er hat gesagt, dass er den weiten Überblick verschafft und dass andere die Details ausfüllen müssen. Dies ist eine vollkommen vernünftige Position, die man einnehmen kann. Sie hat ein Problem. Was geschieht, wenn das Detail die Verallgemeinerung widerlegt ? Etliche Kritiker auf dieser Seite, einschließlich meiner selbst, haben aufgezeigt, dass einige von Wilbers Verallgemeinerungen nicht vom Detail unterstützt werden, und wo er wirklich ein Detail einschließt, trifft er es manchmal vollkommen falsch.

Das ist bedauernswert und gefährlich für die Integrität der gesamten Theorie. Es untergräbt seine Glaubwürdigkeit. Ich halte immer noch vieles für bewundernswert in seinem Werk, doch ich halte ebenso Dinge für kritikwürdig, sogar für ablehnbar. Dabei gibt es eine Lektion für jeden, der an integraler Theorie interessiert ist, nämlich auf das Detail zu achten und vor allem aufmerksam auf die Fakten zu achten. Der Teufel steckt im Detail.

Ich habe bereits viel von dem behandelt, was ich an Wilber für falsch halte. Andere Autoren haben einen tollen Job gemacht auf Gebieten, die für sie interessant sind. Mein Anliegen ist es jetzt, die integrale Theorie auf wirkliche Probleme anzuwenden und den Teufeln im Detail entgegenzutreten. Was sich die integrale Theorie am wenigsten leisten kann, ist einen Elfenbeinturm für sich selbst zu errichten und sich hinter einer selbstgemachten Mauer der großartigen Theorie zu verstecken, Verallgemeinerung und Fachjargon. Mir ist Fachjargon immer verdächtig. Er dient gewöhnlich einem Hauptzweck, eine Teilung zwischen uns und ihnen zu schaffen. Wer den Fachjargon nicht benützt und ihn nicht versteht, ist keiner von 'uns'.

Ein perfektes Beispiel von sowohl dem Elfenbeinturm als auch dem Gebrauch von Fachjargon ist Don Becks Artikel 'Harte Wahrheiten und ein frischer Start.' Dies ist ein Artikel, der viel verspricht und absolut nichts abliefert. Ich weiß, dass dies eine herbe Kritik ist, doch es muss gesagt werden. Der israelisch-palästinensische Konflikt ist zu ernst, um leicht genommen zu werden, und Beck verspricht eine einzige Lösung. Und was ist denn letztlich diese Lösung ? Wie in fast allem, was er schreibt, ist es die Spiraldynamik und eng verwandte Ideen. Das ist einfach selbstdienlich (Ich glaube nicht, dass er überhaupt ernsthaft eine Lösung anbietet, er treibt nur SD voran). In diesem besonderen Fall scheint die Lösung etwas zu sein, was ein 'integraler weiser Kreis' genannt wird. Jawohl, das ist das Wort in aller Munde unter den Hamas - Befürwortern in Gaza - was wir nur brauchen, ist ein ISC [integraler weiser Kreis; d.Übs.]. Werde ich nun grausam ?

Beck versteht sicherlich, dass das Problem komplex ist, doch ich befürchte, dass er eines jener teuflischen Details auslässt. Damit ein integraler weiser Kreis arbeiten kann, muss er die volle Unterstützung jener haben, denen er zu dienen versucht und sie müssen einverstanden sein, diese Empfehlungen vollständig umzusetzen. Wenn der integrale weise Kreis ihnen sagt, dass sie in einem besonderen Fall falsch liegen, müssen sie bereit sein, dieses Urteil zu akzeptieren. Darüber hinaus muss der integrale weise Kreis die Macht haben, seine Entscheidungen angesichts unvermeidlicher Opposition umzusetzen. Indem ich diese wenigen Worte schreibe, habe ich jetzt das Problem in einer Nussschale beschrieben. Niemand ist darauf vorbereitet zuzugeben, dass er im Unrecht ist, niemand traut einem anderen, geschweige denn einer 'dritten Stimme', und niemand hat die notwendige Macht, eine Lösung durchzusetzen. Die Ironie dabei ist natürlich, dass wenn die verschiedenen Parteien auf der Ebene wären, eine integrale-weise-Kreis-Intervention zu verstehen und zu akzeptieren, dann wären sie am Punkt zu einem Kompromiss und würden ohnehin Zugeständnisse machen, was bedeuten würde, dass sie schon auf dem besten Weg dorthin wären. Oder schlägt Beck vor, den integralen weisen Kreis aufzuerlegen?

Das ist es, was ich damit meine, dass der Teufel im Detail steckt. Wenn alle Parteien auf einer Ebene wären, das Urteil des integralen weisen Kreises zu akzeptieren, dann wären sie ebenso in der Lage, ihre eigene Lösung zu finden und der integrale weise Kreis wäre weitgehend überflüssig. Beck hat ein 'großes Bild' angeboten, eine Lösung aus dem Elfenbeinturm, die wesentliche Details ignoriert. Sie übersieht ebenso die Tatsache, dass das Meiste dieses Konflikts von Details handelt. Das Thema des Dritten Tempels steht im Zentrum des Konflikts und die beiden extremen Positionen sind unvereinbar. Jede Krompromisslösung ist ein Verlust für beide Extreme. Wie kann das eine Gewinn- Lösung für eines der beiden Extreme sein ? Bei einigen Themen gibt es keine Gewinn-Lösung für alle Seiten, die einen Einsatz bei der Sache haben - wenn der Dritte Tempel erbaut werden soll, muss die al-Aqsa-Moschee zerstört werden, wenn die al-Aqsa-Moschee bleibt, kann der Dritte Tempel nicht erbaut werden.

Auf vielerlei Weisen ist Beck ganz schön naiv. Er sagt:

Ich selbst glaube tatsächlich, dass die israelische Kultur, wenn sie in einem gesunden und unbedrohten Zustand ist, den höchsten Erste-Welt-Gipfel im Nahen Osten repräsentiert. Eine legitimierte Demokratie blüht in der Gesellschaft, ebenso wie ein volles Handbuch an Menschenrechten, besonders im Hinblick auf die Rolle der Frauen. Ich verstehe nicht, wie jemand diese Realität ableugnen kann.

Ich stimme zufällig bei, doch indem er das sagt, hat er schon weite Bereiche der muslimischen Welt entfremdet. Diese drei Sätze zerstören jede Chance dafür, dass sein Vorschlag von den Muslimen ernst genommen wird. Sie werden das als eine Beleidigung lesen. Denn aus ihrer Weltsicht auferlegt er dem Islam dekadente westliche Konzepte von israelischer kultureller Überlegenheit, Demokratie, Menschenrechten und der Rolle der Frauen. Der Islam ist das 'wahre' Wort und die Absicht Gottes, er ist komplett in sich selbst und ist daher sowohl dem Judaismus wie auch dem Christentum 'überlegen'. Das ist eines der wichtigen Details, das er verfehlt hat - ein Detail, das seinen Vorschlag tötet, bevor der überhaupt einen Herzschlag gemacht hat. Dessen muss sich die integrale Theorie bewusst sein - des Teufels im Detail.

Die beiden ethischen Imperative

Wilber hat von der Ersten Anweisung gesprochen, ein Konzept, das meiner Meinung nach einen großen Verdienst hat. Ich glaube tatsächlich, dass sie die zentrale Antriebskraft hinter der integralen Lösung ist. Wenn ich mit einer von einem integralen Theoretiker vorgeschlagenen Lösung nicht einverstanden bin, wird das gewöhnlich auf der Grundlage dessen sein, dass der Ersten Anweisung besser durch andere Lösungen gedient wird. In meinen Schriften über politische Ökonomie schlage ich vor, dass ökonomische Gerechtigkeit für die Erfüllung der Ersten Anweisung lebenswichtig ist und dass einige integrale Denker nicht vollständig verstanden haben, dass der Kapitalismus, besonders die neoliberale Version, nicht zur ökonomischen Gerechtigkeit führt.

Doch es gibt ebenso einen zweiten und gleichermaßen wichtigen ethischen Imperativ: die Notwendigkeit, die Wahrheit zu entdecken und auszusprechen. Niemand ist mit Lügen, Unrichtigkeiten und falschen Theorien gedient. Man kann keinen Kuchen backen mit dem falschen Rezept. Jede integrale Lösung muss auf einer genauen Analyse basieren - um die Metaphern sogar noch weiter fortzuführen - es hat keinen Zweck, auf eine Reise durch Neuseeland zu gehen mit einer Landkarte von Tolkiens Mittelerde; es ist eine Karte von einem Ort, der nicht existiert.

Ich weiß, dass es eine beträchtliche Debatte über die Natur der Wahrheit gibt, ich hoffe tatsächlich, dass ich in Zukunft etwas darüber schreiben werde, wie die integrale Gemeinschaft manchmal in einem epistemologischen Relativismus schwelgt und in einigen fragwürdigen Theorien über die Wahrheit und die Natur der Wirklichkeit. Die Wahrheit existiert, sogar wenn wir nicht sicher sind, was die Wahrheit nun genau ist. Ja, es gibt enorme Gebiete der Ungewissheit, doch zur gleichen Zeit gibt es eine Menge an Gewissheit und Vorhersagbarkeit. Aber was noch wichtiger ist: es gibt Falschheit. Sogar wenn wir nicht sicher sind, was wahr ist, können wir sicher sein, was falsch ist. Auch wenn wir nicht wissen mögen, wie der Kosmos geschaffen wurde, wissen wir aber doch, dass er nicht vom gigantischen Spaghettimonster oder von Zeus erschaffen wurde - oder wirklich, ernsthaft, von Gott in sieben Tagen. Wenn man die beiden primären ethischen Imperative bedenkt, wird man gezwungen, auf eine Weise zu handeln, die die Entwicklungsevolution schützt, indem sie das Wahre wertschätzt. Das führt ebenso zu dem offensichtlichen Punkt, dass der Entwicklungsevolution nicht durch das gedient werden kann, was falsch ist. Um es noch direkter zu sagen: die Entwicklungsevolution wird blockiert und sogar umgekehrt durch das Falsche. Alle Ideologien, die auf Falschheit basieren, werden schließlich eine Entwicklungspathologie verursachen. Sie sind falsche Pfade, die zu keinem Guten führen.

Wilber hat die Ausdrücke das Gute, das Wahre und das Schöne benützt. In der Philosophie sind diese drei verbunden, was wahr ist, ist auch gut und schön. Wenn wir das verstehen, müssen wir den Ursprung des Wortes 'beautiful' verstehen, als vielleicht enger an dem lateinischen Konzept von beatus, was gesegnet heißt. Wir sprechen hier von einem göttlichen Attribut, einem Strahlen. Das authentische Spirituelle wird offenbart durch das, was Wahr, Gut und Strahlend ist.

Es gibt eine Disziplin bei der Wahrheitsfindung und dem Wahrheitsverkünden. Es ist ein kontemplativer Pfad, der scharf durch die Tendenz des Geistes auf die Fantasie zuschneidet. Wir sind Geschichtenerzähler und wir mögen es, uns mit bequemen und angenehmen Lügen zu trösten. In traumatischen Umständen wird der Verstand eine alternative Wirklichkeit erschaffen, manchmal liegt diese alternative Wirklichkeit so weit weg von der Wahrheit, dass wir sie Verrücktheit nennen. In ihrem Herzen ist die Philosophie die rigorose Suche nach der Wahrheit. Zu Beginn war das auch eine spirituelle Suche. Wilber hat adäquat erklärt, wie die Spiritualität von der westlichen Philosophie abgeschieden wurde - eine nach-aristotelische falsche Richtung.

Doch was hat das alles mit dem Christentum zu tun ? Nun, genau das: es stellt sich heraus, dass wenn wir in das teuflische Detail über das Christentum gehen, dann finden wir heraus, dass es alles Lügen sind - alles davon, besonders das Stück über den Teufel. Mir gefällt diese Verdrehung - wenn man das Detail untersucht, dann findet man heraus, dass es keinen Teufel im Detail gibt - und keinen Christus; und möglicherweise keinen Jesus. Alles ist offen.

Das ist wichtig, weil das Christentum als eine Ideologie, die auf Lügen und Irrtum basiert, wahrscheinlich die einzige wichtigste Ursache für Entwicklungsrückschritt und -hemmung in der Welt ist - jawohl, in der Welt, auf dem ganzen Planeten. Christliche Missionare sind in jede Ecke des Planeten vorgedrungen und haben eine falsche Doktrin verbreitet. Das hat viele Kulturen verwüstet und sogar heutzutage bedrängen westliche Mächte nicht-westliche Kulturen, Gesetze zu übernehmen, die auf christlichen Konzepten basieren, besonders auf dem Gebiet der Moral. Der Versuch des Christentums, die Moral zu kontrollieren, hat zerstörerische Wirkungen gehabt, immer noch, paradoxerweise, wegen seines Vertrauens auf Lügen endet es damit, eine durchgehend unmoralische Ideologie zu sein - es bricht ständig die beiden oben erwähnten ethischen Imperative.

Die christliche Vorherrschaft war ein wichtiger Faktor beim Niedergang der spirituellen Philosophie. Indem Philosophie durch eine Theologie ersetzt wurde, die auf Lügen basierte, wurden die originalen Lehren vieler philosophischer Schulen verdreht, dadurch wurde das Aufkommen einer späteren materialistischen Reaktion zugelassen. Indem es Gott aus der Natur und aus dem Menschen herausnahm und Ihn in einen fernen Himmel gesetzt hat, schuf das Christentum den Dualismus, der es der Naturwissenschaft erlaubte, sich ausschließlich auf die Natur zu konzentrieren und Gott zu ignorieren. Wenn Gott außerhalb Seiner Schöpfung war, dann kann Er separat und außerhalb des Verstandes gehalten werden.

Die vielleicht zerstörerischste Konsequenz der christlichen Theologie ist die Betonung des Glaubens. Wie ich weiter unten argumentieren möchte, kämpften die frühen christlichen Ideologen gegen konkurrierende Ideen über Christus und die Natur Gottes und des Kosmos. Sie konnten nicht mit Beweisen argumentieren, weil sie keine hatten, stattdessen argumentierten sie mit Glauben. Heutzutage verteidigen orthodoxe Christen immer noch ihre Glaubensrichtung gegen eine immer größer werdende Menge an Gegenbeweisen, indem sie vom Glauben her argumentieren. Der amerikanische Fundamentalist antwortet auf die harten Beweise, die einer wörtlichen Interpretation der Bibel widersprechen, indem er eine logische Grundlage konstruiert, die einzig auf dem Glauben basiert - es ist so, weil ich glaube, dass es so ist. Wir könnten eigentlich solche fundamentalistischen Glaubensrichtungen lächerlich machen, es ist jedoch nicht die besondere Glaubensrichtung, die das wirkliche Problem ist. Indem es ein Argument vom Glauben auf den gleichen epistemologischen Status erhebt wie ein Argument von Tatsachen und Vernunft, hat das Christentum die Tür geöffnet für andere Glaubensrichtungen, die gleiche Ausrede zu benützen. Daher beanspruchen eine ganze Menge von bizarren und widersprüchlichen Glaubensrichtungen ein 'Recht' zu existieren, einzig auf der Basis eines vermuteten 'Rechts' vom Glauben. Das vermindert die Kraft dessen, was wahr ist und schafft bloß ein verwirrendes Aufgebot von falschen Pfaden, die auf Fantasien und Lügen basieren - es stürzt die Welt in ein Kauderwelsch.

Teil Zwei: Christentum - die wirkliche Geschichte (erst einmal)

Eines der am meisten befremdenden und bestürzenden Zugeständnisse, die ich jemals von einem gläubigen Christen gehört habe, kam aus dem Mund von Tim LaHaye, einem der Hauptideologen der amerikanischen christlichen Rechten. Er sagte, dass seine Familie niemals die Zeitungen gelesen hatte, als er aufwuchs. Sie verließen sich auf ihren Pastor, der ihnen sagte, was wichtig war. Das ist das Muster für viele Christen, besonders für diejenigen, die mit besonderen Sekten verbunden sind. Sie werden indoktriniert. Sie wachsen auf, indem sie gelehrt werden, die Welt durch die Linse der Bibel zu interpretieren, eher als die Bibel durch die Linse der Welt zu lesen. Sie wachsen auf mit einem völlig verdrehten Blick auf die Geschichte.

Wir könnten das leicht vernachlässigen, wenn es nicht für die Tatsache verantwortlich wäre, dass die Sicht eines durchschnittlichen Westlers auf die Geschichte auf so viele Weisen durch die christliche Überlieferung gefärbt ist. Sie hat unser Bewusstsein so infiltriert, dass vieles davon unbewusst ist. Wir interpretieren das Römische Reich durch das Vorurteil der christlichen Überlieferung. Menschen glauben immer noch, dass das Römische Reich unterging, weil es dekadent und unmoralisch war. Wir assoziieren Orgien mit Rom und ignorieren seine wesentlichen technischen und politischen Errungenschaften. Es ist nicht ungewöhnlich, Menschen reden zu hören, wie sie die jüdisch-christliche Tradition beschützen, unsere Zivilisation basiert aber tatsächlich immer noch auf der griechisch-römischen Tradition. Die jüdisch-christliche Tradition hat tatsächlich wenig beigetragen, und dann ist vieles rückschrittlich, was sie beigetragen hat. Was in der Tat nicht verstanden wird, ist dass das Christentum selbst wirklich eine Form von Graeco-Judaismus ist, der die Mysterientraditionen wörtlich interpretierte. Die wörtliche Erklärung ist so unvollständig und unzusammenhängend, dass Theologen auf die griechische Philosophie zurückgreifen mussten, um große Lücken aufzufüllen und zu versuchen, den Absurditäten einigen Sinn zu verleihen. Thomas von Aquin lieh stark von Aristoteles aus, besonders die Nikomachische Ethik [eine Theorie der Praxis; d. Übs.].

Um das Christentum zu verstehen, muss man die gesamte Zeit verstehen. Die Bibel erzählt nur einen Bruchteil der Geschichte. Das Neue Testament ist ein bearbeitetes Dokument, das eine viel größere Anzahl von Dokumenten ausschließt, die wichtig sind für das Verständnis der damaligen religiösen Fragen.

Wir neigen dazu, das Römische Reich als tyrannisch und unterdrückend anzusehen. Es war in der Tat unbarmherzig und brutal, jedoch nicht unbarmherziger und brutaler als andere Reiche. Es gibt aber eine andere Seite des Römischen Reiches, die Pax Romana erlaubte Perioden der Stabilität und des Überflusses, die Bedingungen schufen, in denen das Entwicklungsspektrum gedeihen konnte. ’Rom’ war tatsächlich eher ein Konzept einer idealen Gesellschaft und jeder ungeachtet des ethnischen Ursprungs konnte ein römischer Bürger werden. Ein Teil davon war eine allgemeine Toleranz der Religion (vorausgesetzt, die Religion stellte nicht die römische Macht in Frage). Dies führte zu einem synkretistischen Fließen von religiösen Ideen innerhalb des Reiches. Ägyptische, griechische, persische und jüdische Mysterientraditionen beeinflussten sich einander und formten neue religiöse Ausdrucksweisen. Griechische philosophische Schulen kamen hervor und bekämpften und erweiterten die ägyptischen, jüdischen, persischen und römischen Weltanschauungen. Die Kombination von griechischen und ägyptischen Ideen schuf die hermetische Tradition, in ähnlicher Weise inspirierte die griechische Philosophie jüdische Denker und die esoterische Tradition des jüdischen Mystizismus, der ursprünglich vom sumerischen/chaldäischen Mystizismus inspiriert worden war, vermischte sich mit ägyptischen Motiven. Zeitweilig pflegten unterschiedliche Sekten die Oberhand zu gewinnen, die manchmal von einflussreichen Senatoren oder Cäsaren patronisiert wurden.

Wenn man jedoch als Christ erzogen wurde, ist es wahrscheinlich, dass einem all das gar nicht erzählt worden ist. Stattdessen wird man eine ziemlich enge Erziehung in der biblischen Überlieferung genossen haben, wo Jesus das Produkt einer ausschließlich jüdischen Geschichte war, wohingegen er tatsächlich eher als ein griechischer Philosoph/Mystiker gehandelt hat, der eine synkretistische Religion gepredigt hat, die einige heterodoxe jüdische Elemente einbezog – wenn er tatsächlich überhaupt existiert hat.

Hier nämlich sehen wir einem unüberwindbaren Problem entgegen, niemand weiß etwas sicher. Es gibt einen massiven Betrag an Arbeit, die in die Untersuchung der Wahrheit der Bibel gesteckt wird, von einer Reihe von unterschiedlichen Disziplinen. Es gibt viel Unvereinbarkeit und sehr wenig Konsens. Die Hauptreligionen haben alle ihre eigenen Experten, und dann haben die unterschiedlichen christlichen Glaubensbekenntnisse ebenso ihre Experten. Die Forscher der amerikanischen Fundamentalisten-Vereinigung, die entschlossen sind, die wörtliche Wahrheit der Bibel zu beweisen und natürlich die katholische Kirche haben einen enormen Einfluss auf diesem Feld über die Jahrhunderte. Es gibt gute, unabhängige Gelehrte und auf die müssen wir uns verlassen können, doch sogar dann sind diese Gelehrten unsicher, vorsichtig und oft sehr konservativ in ihren Verlautbarungen.

Dann gibt es da noch ein anderes Problem: die Arbeit benötigt Zeit. Zwischen 1902 und 1914 kamen vier deutsche Expeditionen aus der Region der Seidenstraße zurück mit einer großen Anzahl von Texten in verschiedenen Sprachen, einschließlich der toten Sprachen Sogdisch und Tocharisch. Sie enthielten wichtige Texte zum Verständnis des Manichäismus, besonders seinen Einfluss auf den Gnostizismus. Sie offenbarten ebenso die Existenz einer jüdisch-christlichen Täufersekte, der Elchasiten. Jedoch wurde bis heute nur ein Viertel dieser Kollektion veröffentlicht.

Vielleicht besser bekannt ist der Skandal um die Untersuchung und Veröffentlichung der Schriftrollen vom Toten Meer, mit Beschuldigungen, dass die katholische Kirche versucht hat, schädliche Information zu unterdrücken. Daher gibt es einen Vorbehalt gegenüber dem folgenden. Es ist alles strittig. Doch das ist es ja. Niemand kann versichern, was wirklich geschehen ist. Das bedeutet, dass es genügend glaubwürdige Beweise dafür gibt, dass wir zu jedem Christen sagen können: man kann nicht sicher sein, und intellektuelle Ehrlichkeit verlangt, dass man seine Glaubensüberzeugung zeitweilig aufgibt. Glaube ist keine Entschuldigung. Wenn unabhängige Gelehrte so ehrlich sind zuzugeben, dass sie spekulieren, dann sollte man ähnlich ehrlich sein und zugeben, dass die gesamte Bibel eine Spekulation ist.

Die andere Seite der Geschichte

Was haben denn die unabhängigen Gelehrten entdeckt ? Ich kann nur einige quälerische Bruchstücke dazusteuern.

Die Hebräer

Das christliche Alte Testament besteht aus der jüdischen Torah, genannt der Pentateuch, nebst zusätzlichen Schriften. Die jüdische religiöse Literatur enthält Material, das gewöhnlich nicht von Christen gelesen wird, so wie der Midrash, eine Sammlung von Geschichten, von denen einige alternative Versionen von gutbekannten biblischen Geschichten liefern. In einem Midrash hat Adam zuerst Sex mit Lilith, die verlangt, die dominierende sexuelle Position einzunehmen. Adam wird wütend und sie geht davon. Sie wird dann von Gott verflucht und gebiert Dämonen. Adam heiratet daraufhin die viel gefügigere Eva. In einem anderen Midrash wird Johannes der Täufer beschuldigt, ägyptische Riten zu praktizieren. All das bekommt einen Sinn, wenn man die höchst synkretistische Natur von Religion versteht. Lilith ist eine Version der sumerischen Belit-ili, von den Kanaaniten als Belili angebetet - und der ägyptische Kult von Isis, der die Taufe gebrauchte, war durch die Levante populär und hat sogar Rom erreicht. Natürlicherweise waren diese Variationen eine Herausforderung für die christliche Überlieferung.

Die meisten Juden anerkennen, dass ihre Tradition eine Mischung von wirklicher Geschichte und Mythen ist, sogar orthodoxe Juden erkennen das an. Es ist deshalb irgendwie bizarr, dass christliche Fundamentalisten die Bibel so wörtlich nehmen. Es gibt jüdische Buchstabengläubige, doch die jüdische Orthodoxie ist mehr darauf bezogen, wie streng man das jüdische religiöse Gesetz beachtet. Neuerliche archäologische Entdeckungen haben jedoch einige der am meisten geschätzten Teile der jüdischen Geschichte in Frage gestellt: Moses und die Durchquerung, die Eroberung Kanaans durch Joshua (die Mauern von Jericho), die Herrschaft von König Salomo und sogar die Herrschaft von König David. Archäologische Forschung hat jedoch andere Aspekte der Bibel unterstützt.

Also, wer waren die antiken Hebräer ? Man denkt jetzt, dass die Hebräer immer in Palästina gewesen sind. Sie teilten vieles mit den Kanaaniten, doch sie begannen sich abzuspalten, vielleicht indem sie unterschiedliche Bekenntnisse und Rituale übernahmen. Sehr frühe Grabungen zeigen Dörfer mit ähnlicher Bauweise, doch einige enthalten die Überreste von Schweinen, während andere das nicht tun. Es gibt keine Beweise für eine ausgedehnte jüdische Präsenz in Ägypten, jedoch gibt es überwältigende Beweise für eine starke ägyptische Präsenz in Palästina. Es scheint so, dass über einen langen Zeitraum die Grenze zwischen Ägypten und Palästina sich verschob durch die Ausbreitung von Kanaaniten und Hebräern nach Ägypten und die Ausbreitung nach und die Kolonisierung von Palästina durch Ägypten. Die Durchquerungs-Überlieferung und die Eroberung von Kanaan scheinen eine mythologische Überlieferung davon zu sein, wie die Hebräer sich abspalteten und allmählich die dominante kulturelle Gruppe in Palästina wurden (ich werde die abgekürzte Form des römischen Syrien Palästina der Einfachheit halber benützen, zu verschiedenen Zeiten war das moderne Israel in verschiedene Regionen unterteilt, einschließlich den jüdischen Zwillingsstaaten von Judäa und Israel).

Teil dieser Abspaltung war die Abschaffung der Göttin Asherah, der Gefährtin von Jahwe. Zu einem bestimmten Zeitpunkt, vielleicht während der Zeit des Propheten Jeremiah, befahlen die Priester die Zerstörung aller Statuen von Asherah und der ihr geweihten Tempel. Einige überlebten jedoch und die Archäologen glauben jetzt, dass ihre Anbetung sehr extensiv war. Es scheint so, als wäre die Anbetung des Femininen niemals ganz verschwunden, trotz der Bemühungen der patriarchalischen Monotheisten. Die Göttin erscheint in den gnostischen Überlieferungen, sie wird beibehalten als die Shekinah, die mystische Macht, die den Tempel erfüllt und als Hokmah oder die Weisheit der Kabbalah.

Der nächste große kulturelle Schub kam, als Nebukadnezar den ersten Tempel zerstörte und die Juden versklavte. Es geschah während dieser Periode der babylonischen Gefangenschaft, dass die Juden vieles von der sumerischen Mythologie aufnahmen (oder sie zogen schon im Judaismus Aspekte zusammen), einschließlich des Motivs vom Garten Eden, die Sündflut-Geschichte und sehr wahrscheinlich auch die Geschichte von Abraham als eine Abwandlung des Motivs vom ursprünglichen Menschen. Eine weitere spannende Vermutung ist, dass der jüdische Mystizismus (Merkaba und Kabbala) vom sumerischen Mystizismus abgeleitet ist (eine Variation davon ist, dass sowohl die Kanaaniten als auch die Hebräer ein Zweig der sumerischen kulturellen Matrix sind). Dies eröffnet die größere Wahrscheinlichkeit einer indischen Verbindung, weil wir wissen, dass Sumer mit Indien Handel betrieben hat. Diese überkreuzte Fruchtbarmachung verursachte interessante Resonanzen. Wie ich später erklären werde, gibt es Aspekte der Gnostik, die eine enge Verwandtschaft zum Tantrismus tragen. Dies ist nicht ein Argument für eine originale, einzige Quelle in Indien, sondern vielmehr ein Argument für Jahrtausende von kulturellem Austausch. Es muss daran erinnert werden, dass zu einer Zeit Rom ein Handelsdefizit mit Indien hatte und indische Diplomaten und Priester durch die gesamte Region reisten (es gibt sogar die Vermutung, dass die frühe christliche Kloster-Tradition in Ägypten von durchreisenden buddhistischen Abgesandten inspiriert wurde.)

Ein weiterer wichtiger kultureller Schwung kam mit der Eroberung durch Alexander und den nachfolgenden griechischen Einfluss. Griechisch wurde die zweite Sprache von Palästina, und jüdische Denker beschäftigten sich direkt mit der griechischen Philosophie. Alle griechischen philosophischen Schulen hatten eine Präsenz in Palästina und Ägypten, besonders das wichtige kulturelle Zentrum von Alexandria, das mit einer großen und wichtigen jüdischen Bevölkerung anwuchs. Daher gab es einen wichtigen Austausch zwischen ägyptischen, jüdischen und griechischen Traditionen (Pythagoras soll eine Zeit in Ägypten verbracht haben). Als eine Folge dieses Austausches gab es eine belebte religiöse Debatte mit zahlreichen Lehrern und Philosophen, die Schulen eröffneten oder predigend von Stadt zu Stadt zogen. Einige Städte in Palästina waren überwiegend griechisch, mit Bezirken der Bevölkerung, die mit griechischen Kulten sympathisierten.

Zur Zeit Jesu war die jüdische Gemeinschaft in drei sektiererische Gruppen unterteilt: die Sadduzäer, die mit dem Tempel und der jüdischen Aristokratie verbunden waren, die Pharisäer, die eine populistische Gruppe waren, die gegen die Sadduzäer und den griechisch-römischen Einfluss standen, und die Essener. Viele betrachten den Ausdruck 'Essener' als einen unpassenden Namen, es ist ein allgemein benützter Ausdruck zur Kategorisierung mehrerer heterodoxer jüdischer Gruppen, die über die gesamte jüdische Gemeinschaft verbreitet waren. Einige Gelehrte identifizieren drei Hauptgruppen von Essenern: die berühmte Qumran-Gemeinschaft von den Schriftrollen vom Toten Meer, die Therapeuten von Ägypten (beschrieben von Philo) und die Nazorener, die ein Hauptzentrum am Berg Karmel im nördlichen Palästina hatten. Es scheint, dass es wichtige sektiererische Unterschiede zwischen diesen Gruppen mit der Qumran-Gruppe gab, die eine strenge, apokalyptische Interpretation des Judaismus aufrechterhielt und den Therapeuten und Nazorenern, die von dem pythagoräischen, ägyptischen und zoroastrischen Mystizismus beeinflusst wurden.

Seitenleiste (sidebar) Der Islam und der Koran

Der Koran akzeptiert viel von der biblischen Überlieferung als wörtliche Wahrheit. Wenn die Forschung gezeigt hat, dass wichtige Teile der Überlieferung falsch sind, dann ist der Koran ebenfalls falsch. Das ist eine direkte Herausforderung für Muslime, die glauben, dass der Koran Gottes Wort sei.

Johannes der Täufer

Von Johannes dem Täufer wird gesagt, dass er einen engen Kontakt mit der Qumran-Gemeinschaft hatte, doch es scheint so, als habe er auch unabhängig gehandelt, indem er seine eigene Sekte einrichtete. Einige haben behauptet, einen ägyptischen Einfluss in seinem besonderen Gebrauch der Initiation durch die Taufe gesehen zu haben. Johannes ist von derartiger Bedeutung, dass er in die Evangelien als spiritueller Mentor von Jesus einbezogen wurde. Es gibt jedoch Beweise, die dem widersprechen. Da existiert heutzutage eine religiöse Gruppe, genannt die Mandäer [auch Nazoräer genannt; d.Übs.], sie leben hauptsächlich in Teilen von Syrien und dem Irak, wo sie Diskriminierung und Verfolgung entgegensehen. Sie behaupten, dass sie von den Anhängern von Johannes dem Täufer abstammen und sie erkennen Jesus überhaupt nicht an. Gemäß ihrer Geschichte übergab Johannes der Täufer die Nachfolge an Docitheus und deshalb werden die Mandäer auch Docitheer genannt (hauptsächlich in muslimischen Quellen). Die mandäische Literatur ist nützlich für das Verständnis der Wurzeln des Gnostizismus.

Simon Magus

Simon Magus wurde für den Hauptrivalen von Jesus gehalten. Gemäß der christlichen Überlieferung hat er ebenfalls Wunder gewirkt und gelehrt, dass er Gott in menschlicher Gestalt gewesen sei. Interessanterweise gibt es ein Argument, dass Simon die Nachfolge von Johannes dem Täufer von Docitheus geerbt habe. In dieser Version wird Jesus von Johannes abgewiesen, oder abweichende Meinungen von den Lehren des Johannes und die Nachfolge gingen an Simon.

Natürlich konnte die Kirche keinen Rivalen von Jesus akzeptieren und deshalb wurde argumentiert, dass Simons Kräfte ihm vom Teufel verliehen wurden. Es gibt einen Bericht in der Apostelgeschichte, wo Petrus den Tod Simons in Rom verursachte, indem er ihn in einem magischen Wettstreit besiegte. Als Simon seine Kraft zeigte, indem er sich über die Menge erhob, betete Petrus zu Gott und Simon stürzte zu Tode.

Simon ist eng mit dem Gnostizismus verbunden und im Gegensatz zu Jesus soll er etliche Werke geschrieben haben. Fragmente seines Werks Apophasis Megale (Die Große Verkündigung) existieren noch heute. Es wird berichtet, dass er glaubte, Gottes erster Gedanken sei es gewesen, den femininen Aspekt zu erschaffen, der Ennoia genannt wurde (oder Sophia/Weisheit). Es ist Ennoia, die die Engel erschafft. Sie rebellieren dann gegen sie und erschaffen die Erde als ihr Gefängnis. Simon behauptete, dass er der Aspekt Gottes sei, der zur Errettung Ennoias aus ihrem Gefängnis geschickt wurde und indem er sich spirituell mit ihr wiedervereinigte, würde er sie befreien, auf diese Weise brachte er sie zu ihrem vollen spirituellen Ansehen zurück. Das zeigt eine bemerkenswerte Ähnlichkeit zu der tantrischen Geschichte von Shiva und Shakti.

Es wird ebenfalls berichtet, dass Simon eine Gefährtin hatte, die Helena genannt wurde, die er als die Reinkarnation von Helena aus Troja betrachtete. Das ist eine direkte Verbindung zu der griechischen Tradition, da Helena von Troja in ihrer Heimat Sparta als ein Aspekt der Göttin betrachtet wurde, besonders von Artemis, der Zwillingsschwester von Apollo.

Simonische Kirchen überlebten bis zur Zeit Konstantins, danach wurden sie als ketzerisch unterdrückt. Es gab Hauptzentren in Syrien, Phrygien, Ägypten und Rom, wobei die alexandrinische Kirche ein philosophisches Aussehen annahm und die syrische Kirche ist angeblich in den Libertinismus und magische Praktiken degeneriert (was ebenso im Tantrismus geschah).

Jakobus der Gerechte

Jakobus ist der Bruder von Jesus. Robert Eisenmann, ein führender Gelehrter der Schriftrollen vom Toten Meer, hat eine ausgedehnte Forschung über das Leben des Jakobus durchgeführt. Er erhebt den Anspruch, dass es mehr zeitgeschichtliches Schriftmaterial über Jakobus als über Jesus gab, dennoch wird er im Neuen Testament buchstäblich ignoriert. Das Neue Testament berichtet uns, dass Jakobus der Leiter der Kirche in Jerusalem war und dass er mit Paulus einen wichtigen Streit über Doktrine hatte, besonders über das Thema der Beschneidung. Eisenmann malt jedoch ein anderes Bild. Gemäß seiner Lesart des gesamten verfügbaren Materials war der Streit zwischen Paulus und Jakobus viel schärfer ausgeprägt und sogar gewaltsam. Paulus wird von der Jerusalemer Kirche als 'der Lügner' angesehen.

Eisenmanns Forschung bestätigt Jakobus als sehr engen Verbündeten der Essener Gemeinschaft, so sehr, dass das Verständnis der Hermeneutik der Essener Literatur eine ziemlich unterschiedliche Interpretation der Lehren Jesu darstellt. Wenn Jesus sagt: 'Die Sanftmütigen werden die Erde erhalten', dann hat er sich sicherlich auf die Essener als 'die Sanftmütigen' bezogen, ein Name, den sie gewöhnlich auf sich selbst bezogen. Eisenmann beschließt sein monumentales Werk (von dem ein zweiter Band erscheinen wird), indem er sagt: "Wer und was auch immer Jakobus war, das war Jesus." Das heißt, dass Jesus ein Leiter einer Essener Sekte war, die eine messianische Version des Judentums lehrte, beeinflusst durch zoroastrische Ideen von einem Krieg zwischen Licht und Dunkelheit, gut und böse.

Eisenmann stellt eine weitere bestürzende Behauptung auf, dass das Neue Testament das Werk von Nichtjuden [Heiden; d.Übs.] sei, die willkürlich viele der Essener Lehren verdrehten. In der Version des Jakobus wird Paulus ein Feind der wahren Gemeinschaft, ein Feind, der durch seine Verbindungen zu den Römern kompromittiert wird - ein provokativer Agent erster Sorte. Eisenmann bearbeitet ebenso einen anderen Punkt, dass die gesamte Familie von Jesus sehr eng eingebunden war. Diese Tatsache mokiert sich über die Idee von Maria als ewiger Jungfrau. Sie hatte fünf Söhne: Jesus, Jakobus, Judas, Simon und Joses und zwei Töchter: Salome und eine ungenannte (vielleicht eine der Marias). Judas mag der gleiche Judas Ischariot sein (und Simon Simon Ischariot), der wie Eisenmann sagt, vor Jakobus der Leiter der Jerusalemer Kirche war. Der Ausdruck Ischariot mag bedeuten, dass er ein Mitglied des radikalen Flügels der Essener war, eng verbunden mit den Zeloten, den Sicariern. Das kürzlich veröffentliche Evangelium des Judas deutet an, dass Jesus Judas bat, ihn zu verraten und darüber hinaus, dass Jesus ihm geheime Lehren anvertraute. Wenn Judas der Bruder von Jesus war, dann lässt das vermuten, dass die Ereignisse um den Tod von Jesus Teile eines Sektenplans waren, vielleicht um eine anti-römische, anti-sadduzäerische Revolte anzustacheln, in der die Essener an die Macht kommen sollten.

Saulus von Tarsus

Tarsus war eine hellenisierte Stadt in Kleinasien. Sie wurde als ein wichtiges Zentrum des Mithraismus angesehen, einer Religion, die mit dem frühen Christentum rivalisierte. Etliche Gelehrte haben auf eine große Anzahl von Ähnlichkeiten zwischen dem Christus von Paulus und dem griechisch-persischen Gott Mithra hingedeutet. Später übernahmen paulinische Christen viele wichtige Symbole und Daten vom Mithraismus, der Gott Mithra soll von einer Jungfrau geboren worden sein, er soll Wunder gewirkt haben, er soll geopfert worden und wieder auferstanden und soll am 25. Dezember geboren worden sein. Es gab sogar einen wichtigen mithraischen Höhlentempelkomplex auf dem Vatikanhügel, der von den Christen im Jahre 376 erobert wurde - und der Ausdruck Pater Patrum [Vater der Väter: d.Übs.], der später zu Papst zusammengezogen wurde, war der Titel des obersten mithraischen Priesters. Die Übereinstimmungen sind zu zahlreich, um alle erwähnt zu werden, und sie schließen sogar ein gemeinsames Sakrament von Brot und Wein ein.

Eine Erklärung dafür ist, dass Saulus seine Vision auf dem Weg nach Damaskus als eine Verschmelzung des essenischen Messias und eines weitverbreiteten 'heidnischen' Konzepts des Opfergottkönigs interpretierte, ein Konzept, dass in etlichen Mysterienschulen gefunden wird, einschließlich der ägyptischen, griechischen und persischen Variationen. Wilbers Schriften verhelfen uns zum Verständnis dessen, wie das geschehen könnte. Sie werden sich erinnern, dass Wilber gesagt hat, dass alle authentischen spirituellen Erfahrungen in Bilder übersetzt werden, die dem Verständnis der Person angepasst sind, die diese Erfahrung gemacht hat. Saulus interpretierte seine Erfahrung auf die einzige ihm bekannte Weise. Eisenmann schlägt jedoch eine andere Möglichkeit vor, dass Saulus als ein römischer Bürger ein Rivale der anwachsenden Militanz der Jerusalemer Essener war, die von Jakobus angeführt wurden. Es ist eine alte Taktik: schaffe einen Keil und dann teile und erobere. Wir wissen allerdings, dass Saulus erfolgreich eine rivalisierende Interpretation vom Leben Jesu geschaffen hat und dass er einen guten Teil des jüdischen Gesetzes aus seinen Lehren entfernt hat. Die paulinische Version sieht, dass Jakobus die Offenbarung und Veränderungen von Paulus akzeptierte, die gemacht wurden, um die Nichtjuden einzubeziehen. Eisenmann vermutet, dass Jakobus niemals derartige Zugeständnisse gemacht habe. Das werden wir nie sicher wissen. Die Revolte von AD 66 und die folgende Niederschlagung des jüdischen Widerstands brachte ebenso die Niederlage der Kirche des Jakobus und des Großteils der essenischen Bewegung. Das Neue Testament ist das Produkt der römischen Fraktion der paulinischen Kirche.

Joshua der Nazoräer oder Jesus Christus ?

Ich habe den Namen Jesus benützt, doch um genau zu sein, sollte sein hebräischer Name Yeshua, direkt ins Englische als Joshua übersetzt werden, so wie all die anderen Yeshua in der Bibel. Jesus ist tatsächlich die englische Übersetzung des römischen Jesu, was selbst eine Übersetzung aus dem Griechischen für Yeshua ist: Iesous. Der Name Jesus wird vorrangig beibehalten, um die Bedeutung seiner Einzigartigkeit zu verewigen.

Es hat eine Debatte darüber gegeben, ob oder ob nicht Jesus von Nazareth tatsächlich aus einer Stadt kam, die Nazareth genannt wurde. Niemand hat solch eine Stadt gefunden, die in einer Quelle außerhalb des Neuen Testaments berichtet wurde. Viele Gelehrte glauben jetzt, dass der Begriff Nazareth eine Falschdeutung des Begriffs Nazoräer ist, ein Wort, das zur Beschreibung von einer der essenischen Sekten benützt wird.

Wie konnte also Joshua der Nazoräer, Bruder von Jakobus dem Gerechten und möglicherweise von Judas von den Sicariern, Jesus Christus werden ? Der Ausdruck Christus stammt vom griechischen khristos, was die nächste Übersetzung vom aramäischen meshiha ist. Das wird gewöhnlich mit der Gesalbte übersetzt, doch das essenische Konzept vom Messias ist bei weitem komplexer als nur der Gesalbte. Um Joshuas Handlungen zu verstehen, ist es notwendig, die essenische Eschatologie zu verstehen und gemäß dem, was wir davon verstehen, bringt der essenische Messias das gewaltsame Ende der Welt mit sich und die Wiedereinsetzung einer jüdischen 'neuen Weltordnung'. Das ist nicht wie der paulinische Christus, ein persönlicher Erlöser.

Der paulinische Christus sieht eher aus wie das Konzept vom ersten Menschen oder Ersten Adam. Ein Thema, das in etlichen Mysterientraditionen gefunden wird (wie Osiris/Dionysus/Mithra). In einigen der gnostischen Schriften wird Christus zu einer besonderen spirituellen Energie, die die Welt betritt, um die Seelen aus der Sklaverei zu befreien. Die Gelehrte Elaine Pagels hat argumentiert, dass Paulus gnostische Neigungen zeigte, doch das wurde später von Buchstabengläubigen ausgemerzt, die dem Gnostizismus feindlich gegenüberstanden. (Viele Gelehrte halten einige von Paulus Briefen für später eingefügte Fälschungen).

Das führt uns zu dem Schluss, dass das Christentum wirklich eine Fusion des essenischen Konzepts vom Messias und mitexistierenden heidnischen Ideen vom sterbenden und wiederauferstandenen Gott-Menschen ist.

Es ist ebenso wichtig hinzuzufügen, dass Joshua nicht der einzige so genannte Messias war, der hingerichtet wurde. Vor ihm hat die Geschichte Simon von Perea im Jahre 28 unserer Zeitrechnung aufgeführt; Athonges der Schäfer, wiederum um 4 vor unserer Zeitrechnung; Judas der Galiläer im Jahre 6 und natürlich auch Johannes den Täufer im Jahre 28. Der Unterschied zwischen Athronges und Joshua scheint die Hinzufügung des Mythos vom geopferten und wiederauferstandenen König/Gottes-Mann zu der Geschichte zu sein. Ebenso können nachfolgende selbst-ernannte Propheten erwähnt werden wie der samaritanische Prophet Theudas und der ägyptische Prophet. Es gibt ebenso einzelne potenzielle Anwärter auf den Titel des weltlichen Messias oder 'Königs'.

Und Joshua wurde auch nicht mit zwei Dieben hingerichtet. Im originalen Griechischen werden sie lestai genannt, (so wie Barabbas, der anstelle von Jesus freigelassen wurde), was der übliche griechische Name für Eiferer (Zeloten) war. Die Kreuzigung war eine Bestrafung, die für das Verbrechen der Aufwiegelung vorgesehen war, religiöse Ketzer wurden gesteinigt. Daher wurde Joshua für ein politisches Vergehen bestraft, zusammen mit zwei Eiferern.

Gnostizismus

Die Gelehrte Karen King hat in ihrem Buch 'Was ist Gnostizismus?' argumentiert, dass der Ausdruck Gnostizismus tatsächlich irreführend ist. Sie sagt, worauf wir wirklich schauen, sei nicht eine Tradition sondern verschiedene Traditionen, die einander beeinflussen, besonders ägyptische, griechische und persische metaphysische Traditionen.

Der christliche Gnostizismus stieg auf, als das essenische Konzept vom Messias und die Geschichte von Joshuas Kreuzigung sich mit der Geschichte von Osiris, Dionysus und Mithra vermischte. Es wurde gesagt, dass es einen pythagoräischen Einfluss auf die Essener gegeben habe. Von Pythagoras wird ebenso gesagt, er sei von einer Jungfrau geboren worden und habe Wunder gewirkt. Daher ist es verständlich, dass das essenische Konzept vom Messias offen für eine gnostische Interpretation war.

(Es gab verschiedene prominente spartanische Frauen in der pythagoräischen Bewegung und das mag zur Erklärung verhelfen, wie Simon Magus dazu kam, den Helena - Mythos zu übernehmen).

Es gibt verschiedene gnostische Schulen, jede mit einer besonderen Betonung. Ein übliches Thema ist die ursprüngliche Teilung des Kosmos in eine passive männliche Gottheit, die eine aktive weibliche Gottheit erschafft, die wiederum die spirituelle Welt erschafft. Es gibt einen Akt des Verrats, und die materielle Welt wird geschaffen, um die Seele/weibliche Gottheit gefangenzunehmen. Ein Gottes-Mann wird geschickt, um die Seele aus ihrer Gefangenschaft zu befreien. In ihrem kürzlich herausgegebenen 'Das geheime Evangelium des Johannes' führt Karen King ein Schema aus, in dem der Göttliche Vater eine weibliche Energie erschafft (verschiedenartig genannt als Barbelo, Ennoia, Pronoia oder Protonoia). Von Pronoia (oder 'erste Weisheit') kommt Autogenes-Christus, der wiederum die zwölf Äons erschafft. Autogenes bedeutet natürlich 'selbst-geboren'. In diesem Schema kann Pronoia als die kosmische Jungfrau angesehen werden und Christus, ihr Sohn. Das 'Geheime Evangelium von Johannes' offenbart eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit der Lehre von Simon Magus. In ihrer Analyse des Evangeliums deckt King eine Fusion von platonischen und jüdischen Themen auf. Der Dreh ist, dass der jüdische Gott Yahweh tatsächlich ein niederer Gott ist, der beschuldigt wird, die Seele in der materiellen Welt eingesperrt zu haben.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Gnostizismus war seine Betonung von Graden der Initiation und das Benennen von 'inneren' Mysterien. Das gnostische Evangelium, das in Nag Hammadi gefunden wurde, erwähnt, dass Joshua einen Lieblingsjünger beiseite genommen und ihm geheime Lehren gegeben habe. Das widersprüchliche Evangelium von Maria Magdalena macht sie zur führenden Jüngerin, die geheime Lehren empfängt. Der Platz Marias in diesem Schema der Geschehnisse ist eine interessante Geschichte für sich, da das Neue Testament sagt, sie sei die erste, die den auferstandenen Christus gesehen habe. Die katholische Kirche hat sich neuerdings entschuldigt für ihre Beschreibung als eine gewöhnliche Prostituierte, eine nicht aufrechtzuerhaltende Verleumdung.

Das kürzlich herausgegebene Evangelium des Judas zeigt ebenso, dass er geheime Lehren empfangen habe.

Vereinfachte Darstellung des Christentums - Irenäus und die früher Wortgläubigen

Für eine religiöse Bewegung ist es nicht ungewöhnlich, dass sie sich nach dem Tod ihres Führers in Abteilungen aufsplittert. Die Sekte wird vereint bleiben, wenn der Führer klare Instruktionen und einen klaren Nachfolger hinterlässt, doch sie wird in alle Winde zerstreut, wenn der Lehrer keine Instruktionen hinterlässt oder zweideutige Instruktionen und keinen klaren Nachfolger. Die Situation beim Christentum ist unterschiedlich. Es scheint von unterschiedlichen Sekten zusammengeschustert geworden zu sein, die zu Lebzeiten ihres Leiters nebeneinander existierten, dadurch wurde ein Grad an Verwirrung während seiner Lebenszeit geschaffen. Was wir wirklich wissen, ist dass die frühe christliche Bewegung mannigfaltig und versprengt war, mit unterschiedlichen Gruppen, die offensichtlich eine paulinische, gnostische oder jakobusche (essenische) Lesart der Bedeutung von Joshuas Leben und Kreuzigung hatten. Jakobus fuhr fort, die Sadduzäer zu verdammen, bis er zum Tod durch Steinigung verurteilt wurde. Paulus schuf eine Fassung der Geschichte für Nichtjuden, und gnostische Gruppen machten Joshua zur Inkarnation von Autogenes oder dem Ersten Menschen (Menschensohn). Die Kirche des Jakobus ging unter, als die Römer Jerusalem plünderten, doch die paulinischen und gnostischen Versionen gediehen in Ägypten und in Kleinasien.

Eine Anzahl von prominenten Bischöfen äußerten jedoch ihre Besorgnis über die ungleichartige Natur der Bewegung, und sie begannen, für eine Vereinigung und für die Reinheit der Lehre zu agitieren. Die Idee für die Schaffung einer katholischen (universalen) Bewegung begann Boden zu gewinnen.

Das Christentum musste immer mit anderen Religionen wetteifern. Der Mithraismus blieb volksnah, besonders unter Soldaten. Mithraismus hatte jedoch eine bedeutende Schattenseite, er war auf Männer beschränkt und erforderte einen Eid der Geheimhaltung. Die christliche Bewegung dagegen war anfänglich für Frauen und Sklaven offen. Es bezog diejenigen ein, die von anderen Religionen ausgeschlossen wurden. Doch es gab ein anderes Problem. Die gnostischen Sekten waren hierarchisch und hatten Grade der Einweihung. Sie konnten elitär sein. Das schuf eine Spannung zwischen einer volksnahen Lesart des christlichen Mythos , die zunehmend buchstabengläubig und vereinfachend wurde, und eine komplexere, elitäre gnostische Lesart des Mythos. Es sah wohl so aus, dass es eine Machtverschiebung zu den volksnahen und buchstabengläubigen Mitgliedern der frühen Kirche gab und das führte dazu, dass sie größeren Einfluss gewannen, indem mehr und mehr von ihnen Bischöfe wurden.

Einer der einflussreichsten war Irenäus, der Bischof von Lyon (140 - 202) - doch bevor wir über ihn reden, lohnt es sich, eine Anekdote über seinen Mentor zu erzählen, Justinus der Märtyrer (100 - 165). Justinus der Märtyrer berichtet selbst, wie er von einem Philosophielehrer zum nächsten gegangen war, zuerst ein Stoiker, dann ein Peripatetiker, ein Pythagoräer und schließlich ein Platoniker. Diese Anekdote enthüllt gerade, wie lebendig die Kultur war - er hatte Zugang zu all den Lehren. Schließlich hörte er von den hebräischen Propheten und Jesus, und wurde augenblicklich bekehrt. Eine Lesart davon ist vielleicht, dass Justinus der Märtyrer ein etwas einfacher Mann war, der die griechische Philosophie nicht verstand, aber ohne weiteres die buchstabengläubige Lesart des christlichen Mythos annehmen konnte. Das ist eine sehr reale Möglichkeit, weil sogar heutzutage die Debatten der griechischen Philosophenschule für die Mehrheit der Menschen nicht interessant sind, sie werden als dunkel und elitär angesehen, und viele Menschen bevorzugen eine viel einfachere Überlieferung, nach der sie leben können.

Irenäus verstand dies und er setzte sich dafür ein, das Christentum zu vereinfachen. Er wird als der Hauptarchitekt des neutestamentarischen Kanons der vier Evangelien angesehen. Er schrieb ebenso eine einflussreiche Kritik der rivalisierenden Schulen des Christentums, die fünf Bände 'Über die Entlarvung und Überwindung der so genannten Gnosis' oder wie sie gewöhnlich bekannt ist: 'Gegen die Ketzerei'. In diesem Werk beschreibt und verdammt er eine Anzahl von rivalisierenden Evangelien und gnostischen Sekten. Er behauptet, dass viele von ihnen einfache Fantasten seien, und man muss zustimmen, dass er nicht ganz Unrecht hat. Es gab einen Zusammenbruch der Lehrdisziplin, und einige der gnostischen Sekten waren zu kultischen Praktiken abgeglitten. Mittlerweile sind einige der Evangelien und Dokumente, auf die er sich bezog, wiederhergestellt worden, und wir können sie nun selbst lesen. Klar ist, dass Irenäus ein Propagandist für eine wortgläubige Interpretation der christlichen Geschichte war. Er war anti-elitär und verdammte die Existenz von Einweihungsgraden und Geheimlehren. Damit schüttete er das Kind mit dem Bade aus.

Der Rest ist Geschichte. Im folgenden gewannen die Wortgläubigen immer mehr an Macht und Einfluss, und zur Zeit von Konstantins Bekehrung und gestützt durch seine Autorität konnten sie eine 'katholische' Doktrin auferlegen und aktiv jede Bewegung unter Bann stellen, die sie als Ketzerei betrachteten. Das wurde oft mit Gewalt getan. Eines der schädlichsten Ereignisse war der Mord an Hypatia (355 - 415), sie war eine prominente platonische Philosophin und Gelehrte in Alexandria. Sie wurde zur Ketzerin erklärt, und ein von christlichen Mönchen aufgehetzter Mob packte sie, entkleidete sie und zerrte sie auf die Straße, wo sie ihr die Haut mit Muscheln abkratzten, rissen ihren Körper auseinander, verbrannten schließlich Teile von ihm und warfen den Rest über die Stadtmauer.

Genau dieser Vorfall schien wohl den Abstieg in das dunkle Zeitalter zu markieren, wo die Christen, die einst selbst verfolgt wurden, die Verfolger wurden. Es folgten Jahrhunderte der gewaltsamen Unterdrückung von 'ketzerischen' und heidnischen Sekten, die Schaffung einer unterdrückenden 'katholischen' Kirche und der Verlust von beträchtlichem technischen und naturwissenschaftlichen Wissen, von dem vieles fast tausend Jahre, nachdem es verloren war, wiederentdeckt wurde.

Der Teufel

Eins der nützlichsten Werkzeuge der wortgläubigen Christen war die Erschaffung des Teufels. Einige werden überrascht sein zu erfahren, dass der Teufel tatsächlich im Alten Testament gar nicht erscheint, wenigstens nicht als voll ausgeformter Charakter. In einem bald erscheinenden Buch 'Eine Biografie des Teufels' führt Professor Henry Kelly aus, dass im Alten Testament das Werk des Teufels tatsächlich das Werk verschiedener Engel ist, die auf Gottes Geheiß arbeiten, um den Glauben der Menschen zu testen. Das christliche Konzept vom Teufel war das Werk von Wortgläubigen, beginnend mit Justinus dem Märtyrer, der das gnostisch/zoroastrische Konzept einer negativen Kraft mit der Schlange im Garten Eden vermischte.

Als die Wortgläubigen ihren Krieg gegen das Heidentum und die Ketzerei führten, begann der Teufel Form anzunehmen. Er begann, als eine verstümmelte Pan-ähnliche Figur dargestellt zu werden. Als die Theologie vom Teufel zu wachsen begann, wurde sie ein nützliches Werkzeug, um Menschen zu erschrecken und einzuschüchtern. Das Christentum benützte eine Annäherung mit Zuckerbrot und Peitsche, mit einigen Christen, die die Annäherung mit der Peitsche vorzogen. So wurde das Christentum vom Teufel besessen und begann, überall sein Werk zu sehen. Dies schuf eine satanische Hysterie, die zu der wahrhaft brutalen Zeit der Inquisition und der Hexenprozesse führte.

Der Teufel wurde auch ein nützliches rhetorisches Werkzeug. Von jeder Doktrin oder Person, die es wagte, den Wortgläubigen zu widersprechen, wurde gesagt, sie sei unter dem Einfluss Satans. Daher wurde vom Rivalen des Ruhms Jesu, Simon Magus, gesagt, er hätte seine ganze Macht vom Teufel erhalten. Zweckdienlich, oder etwa nicht ?

Doch es wird noch absurder als das. Die Wortgläubigen hatten Kenntnis von den vielen Ähnlichkeiten zwischen den heidnischen Mythen und dem Mythos vom auferstandenen Christus. Um die gröbsten Ähnlichkeiten zu erklären, erfanden sie die Doktrin von der 'diabolischen Nachäffung'. Sie sagten, dass Satan so gerissen sei, dass er die Geschichte von Jesus in den Verstand der Heiden und Ketzer eingepflanzt habe, 'bevor' sie sogar geschah, nur um uns später zu verwirren. Jaaah, richtig so.

Das Konzept vom Teufel ist absolut wichtig für die Wortgläubigen. Sie müssen nicht mehr ihre absurden Glaubenssätze rechtfertigen, alles was sie tun müssen, ist ihre Kritiker zu beschuldigen, sie stünden unter dem diabolischen Einfluss des Teufels. Das ist natürlich ein Riesenwiderspruch - wenn sie die Bibel wörtlich lesen, dann müssen sie akzeptieren, dass der Teufel gar nicht existiert, es ist tatsächlich Gott, der den Menschen in Versuchung führt.

Folgerung

Der zentrale Glauben des Christentums ist, dass Jesus der einzige Sohn Gottes war, geboren von einer Jungfrau. Er wurde von Gott gesandt, um ein Neues Testament abzuliefern. Er starb am Kreuz und erstand wieder auf, um Erlösung zu ermöglichen. Er wurde geopfert, damit wir gerettet werden können. Alles was wir tun müssen, ist daran zu glauben, dass das wahr ist, Gottes Geboten zu gehorchen und wir werden für die Ewigkeit im Himmel leben. Das ist es in einer Nussschale. Es ist ein simpler Glauben, der Milliarden Menschen mehr als zweitausend Jahre lang hypnotisiert hat - ein langer Traum, oder ein langer Albtraum, das hängt von der jeweiligen Perspektive ab.

Ist die Welt ein besserer Ort ? Wahrlich nicht. Jerusalem ist immer noch das Zentrum des Konflikts, nur dass es nicht die Essenischen Eiferer und die Sicarier sind, die einen Terroristen/Guerilla-Krieg gegen die korrupte Sadduzäer/Römer-Allianz und die Besatzung führen, es sind die islamistischen und palästinensischen Eiferer, die einen Terroristen/Guerilla-Krieg gegen die korrupte jüdische/amerikanische Allianz und Besatzung führen. Die USA sind das neue Römische Reich. Was hat sich verändert ? Trotz der christlichen Verkleidung sind die USA genauso käuflich, korrupt und unterdrückend wie das Römische Reich. Anstatt ihre Daumen in der Öffentlichkeit im Kolosseum nach unten zu halten, halten die modernen Präsidenten ihre Daumen im privaten Bereich nach unten, und verdammen damit zugleich Tausende zum Tod.

Die moderne Überlieferung des Christentums entstand aus einer Zeit des Wettbewerbs und der Synthese, wo vielfältige Überlieferungen in einem kreativen Zusammenspiel miteinander existierten. Wir können uns bei keinem davon sicher sein. Im Moment neige ich der Idee zu, ebenso wie eine wachsende Anzahl von Gelehrten, dass der historische Joshua ein Anführer einer Gruppe von nazoräischen Essenern war. Entweder glaubte er an die Messias-Geschichte, oder er benützte sie, um eine Rebellion gegen die verhassten Sadduzäer zu versuchen und anzustacheln. Die Kreuzigungsüberlieferung kann als ein Versuch durch Joshua gelesen werden, um direkt die Tempelpriester anzugreifen und eine volksnahe Revolte anzustacheln, um damit die essenische Doktrin bekanntzumachen - die 'Sanftmütigen' (die Essener) werden die Erde erhalten. Sie scheitert und er wird hingerichtet. Sein Bruder Jakob führt Joshuas Mission fort, bis er von den Sanhedrin verfolgt und durch Steinigung hingerichtet wird.

Diese Geschichte von einer edlen, wenn auch irgendwie politisch motivierten Opferung passt sauber in das bekannte heidnische Thema vom Opferkönig. Es inspirierte diejenigen Gnostiker, die dazu neigten, Joshua mit den gnostischen Autogenen gleichzusetzen. Der gnostische Paulus hat eine gewaltsame Meinungsverschiedenheit mit Jakobus und er trägt seine Mission in das Herz des Römischen Reiches. Etwa ein Jahrhundert später gewinnen jene Christen, die nicht in die inneren Geheimnisse eingeweiht waren, an Einfluss und schaffen eine buchstabengläubige Lesart des Mythos der Autogenen. Sie gewinnen schließlich die Oberhand und unterdrücken erbarmungslos alle rivalisierenden Gruppen. Die Geschichte wird von den Siegern geschrieben, und das Neue Testament ist ein eng gehaltenes Dokument, geformt zur Unterstützung der buchstabengläubigen Überlieferung, indem es die gnostischen Aspekte von Paulus herausschneidet.

Doch das Gewebe der wortgläubigen Überlieferung fällt auseinander. Sie hatten nicht alle ketzerischen Texte zerstört und konnten sich die extensiven forensischen Kräfte der Archäologen nicht vorstellen. Die Ketzer haben begonnen, wieder zu sprechen.

Es ist interessant, wie die Geschichte Muster formt. Die wortgläubige Überlieferung wurde von der Macht des Römischen Reiches unterstützt. Heutzutage ist das Zentrum der Wortgläubigen das US-Empire. Das verdient eine ernsthafte Betrachtung. Wie sehr handelt die wortgläubige Überlieferung, um fügsame Subjekte für imperialistische Bestrebungen zu schaffen ? Doch das ist das Thema für einen anderen Essay.

TEIL DREI - EINE INTEGRALE ANALYSE

Wilber hat uns mit einer guten Weise versorgt, wie Religionen zu beurteilen sind. Sie können authentisch oder gesetzmäßig sein. Ich möchte gern vorschlagen, dass wir eine weitere Unterscheidung hinzufügen können. Eine Religion kann ebenso als progressiv oder regressiv betrachtet werden. Das ist vielleicht eine raffinierte Unterscheidung, doch ich glaube, dass sie eine nützliche Variante hinzufügt. Eine Religion ist authentisch, wenn sie zu einer authentischen spirituellen Erfahrung führt. Sie ist bloß gesetzmäßig, wenn sie eine allgemein akzeptierte Religion ist. Eine gesetzmäßige Religion ist vielleicht nicht authentisch. Ich möchte hinzufügen, dass sowohl eine authentische als auch eine gesetzmäßige Religion entweder progressiv oder regressiv sein kann. Die integrale Theorie erfordert einen spirituellen Pfad, um sowohl authentisch als auch progressiv zu sein.

Eine progressive Religion ist eine, die eine gewisse Form von persönlicher Entwicklung ermutigt. Im Idealfall sollte sie einen Entwicklungspfad direkt auf die nichtduale Realisierung zu verschaffen. Sie kann jedoch als teilweise progressiv angesehen werden, wenn sie eine Entwicklung an einem Teil des Spektrums entlang anregt.

Eine Religion ist regressiv, wo sie entweder die Entwicklung blockiert oder eine rückschrittliche Bewegung verursacht.

Zum größten Teil ist das Christentum eine regressive, wenn auch gesetzmäßige Religion gewesen. Jede authentische Komponente war zufällig oder probeweise, immer an der Grenze davon, als eine Ketzerei bezeichnet zu werden. Jedes progressive Element ist in der Tat das Ergebnis eines Einflusses von äußeren Kräften gewesen, wie etwa die Wiedereinführung der griechischen Philosophie und in jüngster Zeit die Infusion von östlicher Philosophie und die Wiederentdeckung der Gnostik.

Ich befürchte, dass ich eine ziemlich dunkle Einsicht in das Herz des Christentums gebe. Indem es auf einer Lüge aufbaut, kann es nicht umhin, regressiv zu sein und sich zu bemühen, Authentizität zu entdecken. Für eine Mehrheit von Gläubigen bietet es eine Fantasie an, eine einfache Theologie, die Entschuldigungen dafür liefert, dass es keine wirkliche Anstrengung unternimmt, die Wahrheit zu entdecken. An seiner schlimmsten Stelle ist es eine gefährliche Doktrin, die seine Anhänger ernstlich fehlleitet und betrügt, indem es sie über den Abgrund in die Gruppenpsychose mitnimmt.

Das Christentum ist eines der Haupthindernisse für die Realisierung einer authentischen und progressiven Spiritualität. Noch immer greifen seine Wurzeln tief herunter. Es wird nicht einfach zu bekämpfen sein (und das ist eine massive Untertreibung). Doch es muss bekämpft und seine authentischen und progressiven Elemente müssen gerettet und neu eingesetzt werden.

Das blaue vMeme für das Christentum halten

In verschiedenen Diskussionen über das Christentum haben Mitglieder der integralen Gemeinschaft argumentiert, dass der Abbau des Christentums mit dem Abbau des blauen vMemes gleichbedeutend sei, und damit untergrabe man die gesamte Spirale. Das ist nicht wahr und basiert auf einem Missverständnis der Natur der Memes und vMemes und des Christentums.

Beck und Cowan beschreiben die vMemes als fremde Attraktoren, die die passenden Memes zu sich hinziehen. Ich habe argumentiert, dass die Entwicklungsebenen als Jungsche Archetypen angesehen werden können. Sie sind Strukturen des Unbewussten, die an sich leer sind. Wie bei den anderen Archetypen werden 'Bedeutung' und ihre Symbole und Muster (signifiers) zum passenden Archetypen gezogen.

Das Christentum ist eine Sammlung von Symbolen, Mustern und Memes, das ist alles. Diese Memes werden zu der entsprechenden Ebene gezogen, doch sie sind nicht die Ebene selbst. Was ich vorschlage, ist dass wir die regressiven und redundanten Memes, die Schrott-DNS, durch die progressiven und genaueren Memes ersetzen. Es gibt viele Christen, die einfach mit schlechter Nahrung gefüttert werden, mit Schrott-Memes - und das ist schlecht für ihre spirituelle Diät.

Diese regressiven und redundanten Memes können zu jeder Ebene gezogen werden, nicht eben nur Blau. Das Christentum ist so weit, dass es viele Ebenen einschließt, an der niedrigsten Stelle kann es Purpur ausdrücken (Christus als magischer Heiler) und an seiner höchsten Stelle kann es sogar Türkis erreichen (obschon das einen beträchtlichen theologischen Akt der Verdrehung einbezieht, wo Christus in einen gnostischen kosmischen Christus umgeformt wird, damit hört es nach meiner Ansicht tatsächlich auf, gesetzmäßig christlich zu sein; wenn man in der Tat einmal über Grün hinausgeht, muss jede ausschließende Bezeichnung redundant sein). Daher gibt es purpurne, rote, blaue, orange, grüne, gelbe und türkise 'Christen'. Das heißt, dass christliche Memes von den meisten Ebenen angezogen werden.

Das scheint es so aussehen zu lassen, als ob das Christentum tatsächlich progressiv sei. Das ist eine Illusion, die von der Wortbedeutungslehre (Semantik) geschaffen wurde. Das Christentum als eine einheitliche Doktrin, die alle Ebenen umfasst, existiert nicht. Der Ausdruck Christentum bezieht sich bloß auf all die verschiedenen Sekten und Menschen, die sich selbst als Christen identifizieren. Die Anzahl der christlichen Sekten beziffert sich in Zehntausendern. Jede von ihnen hat ihre eigene Ansicht von Jesus. Es gibt nicht einen Jesus, sondern Tausende. Es gibt den liberalen, sozialen Aktivisten Jesus; den mystischen Jesus; den netten Jesus als das Lamm Gottes und der Hirte der kleinen Kinder; das zuckersüße Baby Jesus; es gibt den gewalttätigen Jesus der Endzeit, ein Schwert schwingend und bereit, Millionen in den feurigen Höllenschlund zu stoßen; es gibt den philosophischen Jesus; den heilenden Jesus; den gefolterten Jesus (den Mel Gibson Jesus); den homoerotischen Jesus; den thanatoerotischen (todliebenden) Jesus; den arischen Jesus; den semitischen Jesus; den schwarzen Jesus; den persönlichen Jesus, der unsere trivialsten Gebete erhört; und den selbstsüchtigen Jesus, der besondere Berühmtheiten und Sportstars begünstigt, so dass sie ihre Mitbewerber besiegen können (Ich möchte gern meiner Mutter und Jesus danken, die das alles ermöglicht haben) - nennen Sie noch mehr, es ist alles dabei. So viele Memes, so viele Bedeutungsträger.

Trotz all dieser offensichtlichen Vielfältigkeit bewahrt jede Sekte jedoch ihre Memes, ihre Doktrin, sorgfältig. Daher können Menschen, die zu den verschiedenen Sekten hingezogen werden, in einer regressiven Ausdrucksweise der weiteren Religion eingefangen werden. Einige Sekten sind extrem regressiv, sogar pathologisch. Anderen gelingt es, zumindest teilweise progressiv zu sein.

An diesem Punkt ist der Einwand, den viele erheben, dass dies nicht der Fehler der Religion selbst sei, sondern der fehlgeleiteten Glaubensüberzeugungen ihrer Anhänger. Ich widerspreche dem. Es ist absolut der Fehler der Religion. So wie dem Islam ein Vorwurf gemacht werden kann, dass er das Konzept des Jihads entstehen läßt, muss dem Christentum der Vorwurf gemacht werden, dass es den Nährboden bereitstellt, auf dem kranke Pflanzen wachsen können.

Eine Doktrin wird verdreht werden, nur wenn sie verdreht werden kann, und es ist die Verantwortung von Wächtern der Doktrin sicherzustellen, dass sie nicht verdreht ist. Eine Doktrin, die auf einer Falscheinschätzung der Wirklichkeit beruht und die äußerlich und innerlich unzusammenhängend ist, wird immer versagen. Es ist ein Fehler der Begründer, dass die Wirklichkeit falsch beurteilt wird und dass ein unzusammenhängendes Rahmenwerk zu Beginn geschaffen wurde. Das Christentum wurde in einer Verwirrung geboren und sogar nach einer beträchtlichen Anstrengung bei der Reinigung der Doktrin blieb es ein armseliges Modell der Wirklichkeit, voller Widersprüche, Unmöglichkeiten und Absurditäten. Da ist es nicht verwunderlich, dass es auseinanderfiel und sich in tausend Stücke aufsplitterte.

Wir können das Prinzip besser verstehen, wenn wir das Christentum mit dem Buddhismus vergleichen. Niemand bestreitet die biografischen Einzelheiten von Buddhas Leben (obschon die Skeptiker die übernatürlichen Aspekte in Frage stellen werden) und er hinterließ eine klare Doktrin und eine klare Reihe der Nachfolge. Er hinterließ ebenso einen Satz von ausdrücklichen Befehlen, die sich als wirksam herausgestellt haben, sie führten im Ergebnis zu einer 2500 Jahre langen Geschichte mit erleuchteten Meistern über die Generationen. Das Ergebnis ist eine bemerkenswert gleichförmige Geschichte. Jawohl, der Buddhismus hat Sektenunterschiede und Konflikt gehabt, doch trotzdem bleibt er der ursprünglichen Lehre treu und bemerkenswert vereint. Anstelle von zehntausenden Sekten gibt es nur Dutzende von Sekten. Anstelle eine Geschichte von gewaltsamem Sektierertum haben die Buddhisten eine relativ ruhige und höfliche Geschichte gehabt. Der Buddhismus ist in der Lage gewesen, seine doktrinäre Integrität zu bewahren, weil er sowohl eine authentische als auch eine kohärente Philosophie ist.

Die buddhistische Lehre der Gewaltlosigkeit ist immer absolut klar formuliert gewesen und wurde trotz weniger Ausnahmen befolgt ( eine anzumerkende Ausnahme ist die japanische buddhistische Bestätigung sowohl von Japans Angriffskrieg als auch des Shinto-Konzepts vom Kaiser als Gott). Im Gegensatz dazu haben sich das Christentum wie auch der Islam in extrem blutigen Sektenkriegen betätigt, trotz ihrer Ansprüche, Religionen des Friedens zu sein. Ich weiß nichts von einem Krieg, der im Namen des Buddhismus gekämpft wurde, es gibt jedoch viele Kriege, die im Namen Gottes oder Allahs geführt worden sind. Und das, weil das Christentum und der Islam mehrdeutig und unzusammenhängend sind, und deshalb sind sie weit offen für eine kriegerische Interpretation. Das ist der Fehler der Doktrin, weil sie auf eine derartige Weise konstruiert wurde, dass sie weit abweichende Lesarten zuläßt und sogar einlädt.

Die Naturwissenschaft und rationale Forschung haben ebenfalls viele der zentralen Ansprüche des Christentums erschüttert. Und das einfach nur, weil es so ein armseliges Modell der Wirklichkeit ist. Im Gegensatz dazu sind die zentralen Ansprüche des Buddhismus wieder ziemlich immun geblieben. Die moderne Neurowissenschaft hat tatsächlich sogar einige buddhistische Forderungen für die Meditation unterstützt, und einige Physiker sind von der östlichen Metaphysik angezogen worden, weil sie Forderungen stellt, die mit neuerlichen Entdeckungen in der Physik weitgehend kompatibel sind (der Urknall ist mit einigen buddhistischen und hinduistischen Theorien der Kosmogenese kompatibel) Im Gegensatz dazu mühen sich viele Christen noch immer mit der Evolution und der Kosmologie ab, bloß weil sie in einem radikalen Konflikt zu der christlichen Metaphysik stehen. Eine bedeutende Anzahl von Christen fühlen sich so sehr von der Naturwissenschaft bedroht, dass sie sich in einer ernsthaften regressiven politischen Schlacht engagieren, um die Forderungen einiger naturwissenschaftlicher Disziplinen zu bekämpfen. Wieder ist dies der Fehler des Christentums, weil ein absurder und widernatürlicher Buchstabenglaube immer ein Teil der Doktrin gewesen ist.

Der einzige Grund für das Vorhandensein von solchen abweichenden und oppositionellen Interpretationen in Christentum und Islam ist der, dass die Nichtübereinstimmung der Doktrinen es ihnen erlaubt, sich zu erheben und zu existieren, sogar zu gedeihen.

Die Lektionen für eine integrale spirituelle Bewegung

Der Grund für den anhaltenden Erfolg des Christentums (und der anderen Hauptreligionen) scheint wohl nicht in seiner Wahrheit oder Authentizität zu liegen, sondern im Wunsch der Menschen sich anzupassen. Tatsächlich berühren die Einzelheiten der Lehre (Doktrin) die meisten Zugehörigen irgendeiner Religion gar nicht. Was sie motiviert, ist das Gefühl der Zugehörigkeit und Bedeutung, das die Religion ihnen gibt. Der durchschnittliche Gläubige ist oft bemerkenswert unkritisch und bescheiden. Sie wollen tatsächlich, dass ihr Glauben einfach ist. Deshalb hat schließlich auch die buchstabengläubige Interpretation des Christentums die anspruchsvollere gnostische Version verdrängt. Wer kann mit komplexen inneren Lehren belästigt werden, die mit schwierigen Abstraktionen umgehen?

Kirchen, Moscheen und Tempel arbeiten am besten als soziale Zentren. Die Predigt des Priesters ist gar nicht so entscheidend (was oft ignoriert und schnell vergessen wird), sondern das Gefühl der Gemeinsamkeit, das sie erzeugt. Die erfolgreichsten Kirchen entwickeln eine Reihe sozial bindender Institutionen: Schulen, Jugendzentren, außerkirchliche Aktivitäten und soziale Hilfsnetzwerke. Die US-Megakirchen führen das noch einen Schritt weiter. Bill McKibben, ein liberaler Christ, der die christliche Rechte stark kritisiert, beschreibt die Situation so:

Ein Reporter der New York Times, der vor kurzem eine aufblühende Megakirche außerhalb von Phoenix besuchte, traf auf eine typische Szene: ein Drive-in-Espresso-Stand, Krispy Kreme Doughnuts überall zur Verfügung, und Predigten, wie man seine Kinder zur Ordnung rufen kann, wie man seine beruflichen Ziele erreichen kann, wie man sein Geld investieren kann, wie man seine Schulden reduzieren kann. An Sonntagen spielen Kinder mit Videospielkassetten, die von der Kirche ausgeteilt werden, und viele Kirchgänger tragen sich für eine zweimal wöchentlich stattfindende Aerobic-Klasse ein, die Treue Gläubige genannt wird.

McKibben missbilligt das meiste davon, indem er argumentiert, dass diese Megakirchen tatsächlich viel von der Botschaft Jesu verleugnen. Wie sie es auch tatsächlich tun müssen. Lassen Sie mich für einen Moment abschweifen. Die christliche Rechte konzentriert sich eine Menge auf die Familie. Wenn wir jedoch wirklich Joshuas Leben und Lehren im Neuen Testament studieren, sehen wir, dass er nicht familienorientiert war. Er hat in der Tat seine Jünger ermuntert, ihre Familien zu verlassen und ein Leben der Armut und der Hingabe an Gottes Willen zu führen. Viele frühe Christen dachten, dass man von ihnen erwartete, ihr Leben einzig Gott zu widmen, indem sie Gelübde der Ehelosigkeit und Armut ablegten, wie es katholische Priester und Nonnen heutzutage tun. Doch die christliche Rechte hat die Bedeutung der Familie und des sozialen Zusammenhalts für die meisten Menschen klar verstanden, sogar wenn sie den Kern der christlichen Botschaft verdrehen muss.

Die Lehre ist tatsächlich uninteressant, was zählt ist, dass die Kirche eine Struktur im Leben der Menschen vermittelt. Die Lehre ist immer übernommen und angepasst worden, im besonderen die christliche Lehre von der Familie.

Die Lektion für eine integrale Spiritualität als eine Alternative zum Christentum ist daraus, dass sie die christliche Lehre ersetzen muss mit einer progressiven, integralen Lehre, die ein Gefühl der Gemeinschaft und Bedeutung verschafft. Sie muss dabei geschickt sein, indem sie immer die ständige aber sanfte Ermutigung zulässt, tiefer zu graben: Wege für ein höheres Verständnis zu verschaffen, währenddessen sie weder übermäßig elitär noch verdunkelnd ist. Sie muss elitärem Jargon widerstehen und muss von einer kultischen Guru-Verehrung abspenstig machen. Ich meine, dass dies ein Punkt ist, den Wilber verfehlt. Er hat oft die Guru-Schüler-Beziehung begünstigt und bedauernswerterweise widersprüchliche Gurugestalten hervorgehoben. Eine integrale spirituelle Bewegung muss versuchen, den anfänglichen Erfolg der frühen christlichen Kirche zu wiederholen (und einiger späterer protestantischer Modelle), und demokratisch und einbeziehend sein. Autorität sollte nicht bei einer einzigen Person ruhen, sondern in der Wahrheit und Kohärenz der Lehre.

Eine andere Weise, dies auszudrücken, ist vorzuschlagen, dass eine integrale Spiritualität das gute Leben definieren muss. Was ist ein gutes Leben, eine gute Familie, ein guter Bürger und ein gutes Gemeindemitglied? Sie muss einen alternativen Satz von Moralvorschriften verschaffen, die das blaue vMeme ansprechen und die ebenso auch zusammenhängend progressiv sind.

SCHLUSSFOLGERUNG: Der verursachte Schaden

Das Christentum ist weitgehend ein monumentales Disaster gewesen. Ich glaube, dass es tatsächlich die Entwicklung für nahezu tausend Jahre zurückgehalten hat, und es hält sie immer noch zurück. Es hielt den Westen auf bis zur Renaissance bei der Wiederentdeckung des technischen, naturwissenschaftlichen, politischen und philophischen Wissens der griechisch-römischen Tradition.

Die Griechen hatten bereits die Theorie entwickelt, dass die Erde kugelförmig ist, dass sie sich um die Sonne dreht, und dass Menschen sich von niederen Tieren entwickelt hatten. Der Kampf der Naturwissenschaft zur Wiederherstellung dieses verlorenen Wissens ist gut bekannt. Es scheint außergewöhnlich zu sein, dass dieser Kampf heutzutage noch andauert. Der Architekt Brunelleschi (1377-1446) musste wiederentdecken, wie man einen Dom baut. Als Texte über römische Architektur tatsächlich wiederentdeckt und studiert wurden, verstand man, wie technisch fortgeschritten sie wirklich waren. Und weshalb wurde dieses Wissen verloren? Nicht, wie viele glauben, weil 'Barbaren' Rom zerstörten. Die so genannten Barbaren bestanden aus Wellen von verschiedenen germanischen Stämmen, von denen viele die römischen Methoden übernahmen. Der Hauptgrund scheint die Verachtung und der Verdacht gewesen zu sein, mit denen die Kirche heidnisches Wissen betrachtete, wobei sie vieles davon als ketzerisch und letztlich dämonisch einstufte. Es gab eine rückläufige Bewegung von griechisch-römischer Vernunft zu einem neuen 'christlichen' Mythos, der auf dem Glauben gründete. Das Ergebnis war, dass die griechisch-römische Welt in ein Dunkles Zeitalter geworfen wurde. Glücklicherweise fuhr ein aufgeklärterer Islam (der später in sein eigenes Dunkles Zeitalter hinabstieg) fort, griechisch-römische Naturwissenschaft und Ingenieurskunst zu fördern, bis die italienische Renaissance und die europäische Aufklärung die dynamische Energie der klassischen Tradition befreiten.

Tatsächlich offenbart eine gründliche Übersicht der westlichen Kulturgeschichte unter Einbeziehung einer weiten Reihe von Disziplinen der Künste und Naturwissenschaften, dass wir einen enormen Betrag der griechisch-römischen Tradition verdanken und sehr wenig der jüdisch-christlichen Tradition. Wie ich oben erklärte, ist die christliche Tradition tatsächlich eine griechisch - jüdische Kreuzung - eine wörtliche Lesart dessen, was wesentlich eine heidnische 'Mysterien' - Überlieferung ist, wobei die meisten jüdischen Aspekte gestrichen wurden (gemäß christlichem Antisemitismus). Was übrigblieb, war so unzusammenhängend und spärlich, dass frühe Theologen und christliche Philosophen stark von der griechischen Philosophie borgen mussten. Warum wurde die Bibel nicht in Aramäisch geschrieben, der von Joshua gesprochenen Sprache (und die ausgestorben ist), sondern in Griechisch? Warum hat die Kirche das Lateinische übernommen? Weil die jüdisch-christliche Tradition sehr wenig Substanz besitzt.

Beim Bewerten der Wirkungen des Christentums müssen wir eine wichtige Tatsache bemerken: wegen seiner vielen internen Widersprüche und seiner unzusammenhängenden Überlieferung gibt es eine Menge von 'Christenheiten'. Ich habe bereits die enorme Anzahl von Variationen und die entsprechende große Anzahl von Jesus Christus erwähnt. Es ist daher unmöglich, Verallgemeinerungen anzustellen oder überhaupt einen Anspruch zu erheben, was Christen glauben. Für jede Äußerung darüber, was Christen glauben sollten, gibt es oder hat es einen Christen gegeben, der genau das Gegenteil davon gesagt hat. Viele Christen werden korrekterweise behaupten, dass es der christliche soziale Aktivismus war, der zur Aufhebeung der Sklaverei geführt hat. Dennoch ist es ebenfalls wahr, dass viele Christen die Bibel heranzogen, um die Sklaverei zu rechtfertigen. Martin Luther King benützte das Christentum, um seine Kampagne zur Beendigung der Rassentrennung in den Südstaaten zu rechtfertigen. Dennoch haben viele Christen die Rassentrennung unterstützt, genauso wie die holländische Reformkirche von Südafrika die Apartheid befürwortete. Viele Christen werden auf die bewundernswerte Traditon der Wohlfahrtseinrichtung hinweisen. Alles wahr, dennoch sind viele Kirchen sozial konservativ geblieben und haben althergebrachte Verfahren unterstützt, die die Diskriminierung und den Schaden hervorhoben, die die wohltätige Intervention in erster Linie nötig machen. Für jeden radikalen jesuitischen Anwalt der 'Befreiungstheologie', der den Landbewohnern hilft, gibt es immer Dutzende von konservativen Katholiken, die autoritäre Verfahrensweisen unterstützen. Viele Christen haben gesagt, dass das Christentum dafür verantwortlich sei, dass die Menschenwürde und das Gleichheitsprinzip vor Gott eingesetzt wurden. Ich würde das natürlich bestreiten und behaupten, dass das Christentum in seiner überwiegenden Geschichte hierarchisch und elitär gewesen ist und ein wichtiger Teil des europäischen Klassensystems. Die christliche Forderung nach Gleichberechtigung entstand gemeinsam mit der weltlichen Revolution der Aufklärung. Die Reformation geschah nach der Renaissance. Es war die Renaissance, die die Autorität der katholischen Kirche schwächte.

In diesem Sinne steht das Christentum für fast alles (und daher für fast nichts), deshalb sehen wir wirklich die natürliche Evolution der Spirale, wobei das Christentum schließlich gezwungen wurde, sich diesem evolutionären Druck anzupassen. In allen Fällen war die Gesamtwirkung einer besonderen christlichen Lehre der Versuch, die Spirale zu blockieren. Der Wechsel kam langsam wegen einem institutionellen Konservatismus und der Trägheit. Die großen evolutionären Impulse geschahen, als eine bedeutende Menge der Bevölkerung griechisch-römische Ideen von Humanismus und Rationalismus in sich aufnahmen. Wenn es progressive Christen gibt, die nach Reformen rufen, dann gibt es ebenso eine Mehrheit von konservativen Christen, die jene Reform blockieren. Das Haupthindernis gegen die offensichtlichen und notwendigen Reformen der Diskriminierung von Homosexuellen und Frauen im Westen ist ein großer Block von konservativen Christen, die abwegige christliche Glaubensinhalte als Rechtfertigung benützen. Dies verursacht wirkliches Leiden. In meinem Artikel 'Integrale Sexualwissenschaft' führe ich im einzelnen aus, wie das Christentum für die Entstehung und Aufrechterhaltung einer sexuell negativen und sexuell ignoranten Kultur verantwortlich ist. Konservative Christen sind besessen von Themen der Moral, gewöhnlich der Sexualmoral - währenddessen sie zweckdienlich andere moralische Themen ignorieren, so wie Firmenethik und die Moral des Krieges.

All dieser Schaden ist aus einem einfachen Grund verursacht worden. Das Christentum gründet auf einer Lüge. Es basiert auf einem wild unrichtigen und fantastischem Modell der Wirklichkeit und der menschlichen Natur, das eine massive ideologische Last auf die Spiral lädt. Viele Menschen wissen das und haben das Christentum abgelehnt, dennoch beeinflussen viele der Kernbehauptungen immer noch entschlossene Humanisten und Atheisten auf spitzfindige Weise. Es gibt immer noch ein immer gegenwärtiges Gefühl, dass Nacktheit und Sex irgendwie unmoralisch seien. Der christliche Dualismus hat zu einem naturwissenschaftlichen Reduktionismus und zu einem schroffen anti-spirituellem Rationalismus geführt. Und es gibt eine allgemeine Verweigerung, die Wirklichkeit zu sehen wegen eines Knotens von Memes um die Idee von göttlicher Intervention und dem zukünftigen Versprechen des Himmels - eine katastrophale Situation, bedenkt man den unheilverkündenden Zustand der Umweltbedingungen in der Welt. Gott wird das NICHT für uns Typen in Ordnung bringen. Es gibt keine Wunder.

Eine der verheerendsten Konsequenzen der christlichen Lüge ist immer ihre andauernde Attacke gegen die Wahrheit gewesen. Die christliche Forderung, dass dem Glauben der gleiche erkenntnistheoretische und ethische Status gegeben werden müsse wie der Vernunft, hat Millionen in einer mythischen Weltsicht eingeschlossen - eine Weltsicht, die sogar heutzutage wie ein Mühlstein um den Hals der Menschheit wirkt, der uns nach unten zieht.

Aber die verdammenswerteste Konsequenz der Großen Lüge ist immer noch, Gott außerhalb der Reichweite der Menschheit zu halten. Mehr als zweitausend Jahre lang wurde Millionen von Menschen gesagt, dass blinder Glaube an eine Lüge der einzige Weg zu Gott sei. Vielen Christen wird immer noch gesagt, dass Meditation satanisch und die Gnosis eine Ketzerei sei. Dennoch sagt die Beweislage das Gegenteil. Indem sie die Bedeutung vom sterbenden und wiederauferstandenen Gottesmenschen falsch deuteten, führten die christlichen Buchstabengläubigen die Menschheit in eine Sackgasse und hinderten Millionen daran, die Wahrheit zu entdecken. Und das geht so weiter bis heute. Fundamentalistische Christen verunglimpfen immer noch Meditation als dämonisch und überreden ihre Gemeindemitglieder dazu, absurden und gefährlichen Glaubensinhalten zu folgen.

ANHANG 1 - Der Israel/Palästina Konflikt

Nachdem ich Don Becks vorgeschlagene Lösung zu diesem Konflikt kritisiert habe, sollte ich meines Erachtens ein paar Worte zu einer integralen Annäherung an das Problem sagen. Erstens bin ich mir nicht sicher, dass es eine bedeutsame integrale Lösung gibt. Die Theorie hat eine Grenze gemäß ihres Umfangs. Es ist eine so breite Theorie, dass sie oft nicht viel zu dem Detail zu sagen hat, oder wenigstens nichts Neues zu sagen hat.

Der Israel/Palästina-Konflikt ist tatsächlich ein Komplex von sich überschneidenden Konflikten, von denen viele innerhalb der Ebene und innerhalb des Quadranten liegen. Mit anderen Worten: Es gibt Konflikte zwischen konkurrierenden Überlieferungen innerhalb einer Ebene und innerhalb eines Quadranten. Es ist nicht wirklich ein Konflikt zwischen verschiedenen vMemes oder unterschiedlichen Quadrant-Perspektiven. Es ist ein Konflikt, bei dem Menschen, die alle primär auf Rot/Blau stehen, sich uneins sind über das Gebiet und die Geschichte, die alle in einem Wettstreit eingeschlossen sind, jedoch in geschlossenen oben/linken und unten/linken erkenntnistheoretischen Schleifen. In einem solchen Konflikt muss eine Vereinbarung getroffen werden, entweder mit widerstreitenden Überlieferungen zu leben oder sich zu entscheiden, dass eine Überlieferung genauer ist als die andere und die dann vorherrschen sollte. Die Juden fordern, dass Israel ihr Heimatland sei und sie zitieren gewisse historische Tatsachen zur Unterstützung dieses Anspruches. Palästinensische Nationalisten bestreiten Israels Anspruch und erheben ihre eigenen Forderungen zum Beweis einer vorrangigen palästinensischen Identität. Welches ist wahr? Um noch ein präziseres Beispiel zu geben: Die Juden glauben, dass die al-Aqsa-Moschee auf dem Platz des Zweiten Tempels steht, doch die muslimischen Palästinenser bestreiten das. Wer hat Recht? Wiederum behaupten die Israelis, dass es während der Zeit des britischen Mandats eine massive illegale arabische Einwanderung gegeben habe, was bedeuten soll, dass viele der Menschen, die behaupten, Palästinenser zu sein, tatsächlich Einwanderer der ersten oder der zweiten Generation seien (aus Jordanien, Syrien, dem Libanon oder Ägypten - Yasser Arafat wurde tatsächlich in Ägypten geboren) und damit haben sie keinen höheren Anspruch als viele Juden. Einige Palästinenser behaupten jedoch, dass die arabische Bevölkerungsexplosion aufgrund natürlicher Geburtsraten geschah. Schon wieder: wer hat Recht?

Um diese Fragen zu entscheiden, müssen Fakten sortiert werden, und das erfordert nicht notwendigerweise einen 'übergeordneten' integralen Theoretiker, um das zu tun. Es erfordert bloß jemanden, der rigoros und unabhängig ist, und das hat nur eine Wirkung, wenn alle Seiten einem Schlichter die Autorität zum Schlichten geben. Im Augenblickt gibt es einen solchen unabhängigen Schlichter nicht. Es wird keine westliche Macht sein, weil gemäß einer vereinten links/arabischen Verschwörungstheorie die westlichen Mächte übermäßig von der 'jüdischen Lobby' beeinflusst werden. Die UN kann es auch nicht sein, weil gemäß einer rechts/konservativen Theorie die UN von einer 'arabischen Lobby' gefangengehalten wird. An dieser Stelle ist Don Beck hoffnungslos naiv - sobald irgendein Linker oder Araber von den Verbindungen der SD zu Bush, Rove und den Republikanern Wind bekommt, wird er sofort in ein besonderes Lager gesetzt und mit entsprechendem Misstrauen behandelt. Trotz der Neigung einiger, diesen Konflikt als einen territorialen Konflikt zwischen wettstreitenden nationalistischen Bestrebungen anzusehen, ist er im Grunde ein religiöser Konflikt. Ich verstehe, dass einige mit mir nicht einverstanden sein werden, doch ich fürchte, dass ich die tiefen religiösen Themen nicht von den nationalistischen Themen trennen kann. Der hauptsächliche Grund für den Versuch der Araber, jüdische Bestrebungen zu frustrieren, ist die Weigerung des Islams, entweder den Juden oder den Christen untertänig zu sein. Es ist ein zentraler Glauben für viele (nicht alle) Muslime, dass der Islam dominieren muss, jedoch niemals dominiert werden soll und dass sie niemals muslimische Länder aufgeben sollten. Es ist deshalb absolut unmöglich zu tolerieren, dass Muslime unter jüdischer oder christlicher Regierung leben. Die natürliche Ordnung, so wie Allah sie aufgestellt hat, legt fest, dass Juden und Christen unter muslimischer Regie als Dhimmi, beschützte Menschen, leben sollen. Von dieser Perspektive war daher die jüdische Selbstbestimmung immer eine Beleidigung und eine Unmöglichkeit. Um das zu verstehen, müssen wir auf die Geschichte der jüdischen und christlichen Gemeinschaften unter dem Islam zurückblicken. Ja, ihnen wurde das Recht zu Gottesdiensten zugestanden, jedoch immer nur als Bürger zweiter Klasse. Sie wurden toleriert, doch nur wenn sie auf ihrem Platz blieben. Man hielt viel von der Toleranz im muslimischen Spanien, doch sogar während der so genannten 'goldenen' Zeit waren Juden und Christen immer noch restriktiven besonderen Gesetzen unterworfen. Es gab immer ein System der Apartheid. Doch das geschah nur unter gütigeren Herrschern. 1066 gab es ein Pogrom in Granada, wobei Tausende von Juden starben. Unter den Almohades (1148) [strenge muslimische Sekte; d.Übs.] wurden Juden gezwungen zu konvertieren oder der Beschlagnahme ihres Eigentums und dem Verkauf in die Sklaverei entgegenzusehen - alles legal unter einer strikteren Interpretation der Dhimmi-Gesetze. Um die Situation der Christen zu verstehen, ist es nur notwendig, sich die Lage der Kopten in Ägypten anzuschauen, sogar heutzutage.

Doch es sind nicht nur die Muslime, die ausschließende und vorherrschaftliche Forderungen stellen. Christen sind genauso schlecht, wie es auch orthodoxe Juden sind. Es kann unschwer argumentiert werden, dass Christen Juden verfolgt haben, schlimmer als Muslime. Niemand hat eine reine Weste. Die beiden Hauptquellen des Antisemitismus kommen von Christen und Muslimen. Der christliche Antisemitismus datiert bis zur frühen Kirche zurück, als die wortgläubigen Paulinisten die Juden beschuldigten, Christus getötet zu haben. Der muslimische Antisemitismus datiert zurück auf die Medina-Zeit, als Mohammed erklärte, die jüdischen Stämme hätten ihn verraten. Daher sind Juden entweder Christus-Mörder oder Verräter - und in beiden Fällen kann man ihnen niemals trauen.

Ironischerweise stellt der Koran sehr klar fest, dass Allah das 'verheißene Land' den Juden gegeben habe und dass sie zweimal abgewiesen und dann zurückkehren werden. Das erste Exil war unter den Babyloniern und das zweite unter den Römern. Doch diese Zustimmung zum jüdischen Anspruch auf Israel ist immer sorgfältig wegargumentiert worden - die Juden sind augenscheinlich vor der rechten Zeit zurückgekehrt und unter den falschen Bedingungen. Wie alle religiösen Argumente ist das natürlich ebenfalls voller Widersprüche. Allah soll angeblich direkt in die Angelegenheit der Rechtschaffenen eingreifen, indem er ihnen hilft, Schlachten zu gewinnen. Sicherlich sind dann die Juden in Israel, nachdem sie die arabische Aggression niedergeschlagen haben (besonders im Sechs-Tage-Krieg), weil Allah es so wollte?

An dieser Stelle kommen wir zurück zum Thema der Überlieferungen, die auf Lügen und Absurditäten gründen. Alle drei der abrahamitischen Glaubensrichtungen basieren auf Lügen und sie kämpfen darum, wessen Lüge dominieren soll. Natürlich haben viele auf ein einfaches Paradoxon hingewiesen. Wenn eine der abrahamitischen Glaubensrichtungen richtig ist, sind die anderen beiden notwendigerweise falsch. Eine weitere Lösung für dieses Paradoxon ist, dass alle falsch sind. Daher kommen wir zu der Notwendigkeit zurück, die Wahrheit als einen ethischen Imperativ rigoros zu entdecken und aufzudecken. Der Israel/Palästina-Konflikt ist ein Hauptbeispiel dafür, wie falsche Lehren und ihre Propaganda uns zu nichts Gutem führen.

Gibt es eine integrale Lösung? Wenn die Kernursache des Konflikts inkompatible religiöse Überlieferungen sind, dann muss die Lösung diese Überlieferungen transzendieren. In der Theorie beginnt das bei Grün zu geschehen und gewiss bei Gelb (in diesem Fall sind Menschen auf diesen Ebenen nicht das Problem, es sind die rot/blauen Extremisten all dieser wettstreitenden Gruppen, Fatah gegen Hamas, Hamas gegen militante jüdische Siedler, jüdische Siedler gegen andere jüdische Gruppe usw.). Zum Zeitpunkt, wenn jemand Grün erreicht, sollte er ausschließende Benennungen fallen lassen, und es sollte irrelevant sein, ob jemand jüdisch, christlich oder muslimisch ist (oder auch hiduistisch oder buddhistisch oder irgendeine andere Benennung). Das bedeutet, dass es eine der primären Strategien einer integralen Lösung sein sollte, die ausschließenden Ansprüche der Streitenden zu negieren.

Das ist kein Dialog zwischen Glaubensrichtungen, der bei seiner Gründung bedeutete, dass man an seinem Glauben festhalten und lernen sollte, bloß das Recht des anderen auf friedliche Koexistenz zu akzeptieren. Die integrale Theorie verlangt tatsächlich etwas Radikaleres: die Auflösung von sämtlichen ausschließenden Glaubensrichtungen und das Erneuern des Glaubens mit spiritueller Vernunft. Das ist eine massive Aufgabe, weiter und komplexer als der israelisch/palästinensische Konflikt selbst. Gibt es da eine Lösung, wo alle gewinnen? In diesem Fall glaube ich das nicht. Es gibt ein Gefühl, bei dem beidseitiger Gewinn noch zu einer weiteren integralen Platitüde wird. Es ist nur möglich, dass es eine Lösung mit beidseitigem Gewinn zwischen 'vernünftigen' Positionen gibt. Was war die Lösung mit beidseitigem Gewinn zwischen Nazitum und Judentum, nur dass drei Millionen Juden getötet wurden? Es gibt einige Ideologien, die so extrem und so abstoßend sind, dass es keinen Kompromisspunkt gibt. Die integrale Theorie muss mit der Tatsache handelseinig werden, dass unter einigen Umständen eine Ideologie oder Position so schlecht ist, dass sie radikal besiegt werden muss. Das heißt, dass diejenigen, die sich dieser Ideologie verschreiben, notwendigerweise verlieren müssen. Was gibt es da noch für einen Platz für regressive Religionen, die auf Lügen basieren, unter den Prinzipien der Ersten Anweisung und dem Imperativ der Wahrheit? Gibt es da eine Lösung mit beidseitigem Gewinn oder müssen sie besiegt werden?

Schließlich möchte ich Sie mit einem Szenario zurücklassen. Wie würde der Nahe Osten heutzutage aussehen, wenn die Muslime großzügig gewesen wären und den Juden erlaubt hätten, ihren eigenen Staat zu haben, sogar ein größeres Israel? Es gibt 21 arabische Länder, sollte Israel nicht zugestanden werden, ein eigenes Land zu haben (es ist tatsächlich alles, was sie wollen)? Was wäre, wenn Muslime sagten:"OK, wir haben exklusive Rechte zu unserer heiligsten Stadt ,Mekka, und sogar zu unserer zweiten, Medina. Es scheint nur fair zu sein, wenn ihr exklusive Rechte für Jerusalem habt, und sogar den Dritten Tempel zu bauen, denn wir haben doch die Ka'aba. Wir sagen euch was: Wenn ihr uns am Dritten Tempel anbeten lasst, wo Mohammed gen Himmel gefahren ist (in einem Traum), lassen wir euch an der Ka'aba anbeten, die von Abraham geschaffen wurde.'

Ich befürworte den Bau des Dritten Tempels, jede Religion sollte zu ihrer heiligsten Stätte freien Zugang haben. Ich mag diese Idee besonders, weil ich den Ausdruck auf den Gesichtern der 'Endzeit-Christen' sehen möchte, wenn das Zweite Kommen nicht passiert. Jetzt werde ich natürlich boshaft.

Tatsache ist, dass ein sicheres Israel ein aufblühendes Israel wäre und ein Ansporn für die Ökonomien der Region. Israel erlaubt bereits Religionsfreiheit und Christen sind nicht aufgehalten worden beim Besuch von Stätten, die für sie wichtig sind. Der Hauptteil der israelischen Aggression ist bisher defensive Aggression gewesen. Es scheint mir, dass die Mehrheit der arabisch/muslimischen Gewalt bloß darauf abzielt, den Juden ein Land abzusprechen. Wenn man Israel das Recht zur friedlichen Existenz zugesprochen hätte, hätte es viele einheimische Palästinenser aufgenommen; es gibt bereits israelische Muslime, Christen und Drusen, sogar israelische Buddhisten. Doch ich träume natürlich.

Es wird nicht geschehen. Die Extremisten aller Seiten sind entschlossen, an ihren Überlieferungen von Lügen festzuhalten. Juden halten Gottesdienst in Mekka? Niemals.

ANHANG ZWEI: Das amerikanische Christentum

Das amerikanische Christentum ist einzigartig. Es ist eine der mannigfaltigsten und kreativsten christlichen Kulturen. Die Hauptglaubensrichtungen sind alle gut etabliert, doch es gibt immer wieder die Entwicklung von komplett neuen Formen des Christentums. Die Mormonenkirche zum Beispiel gründet auf einer alleinigen amerikanischen Offenbarung.

Die beiden Haupteinflüsse auf die amerikanische Psyche sind paradox. Der erste ist ein frühes religiöses Thema, verursacht durch die Einwanderung religiöser Sekten, die offensichtlich in Europa unterdrückt wurden. Während es religiöse Intoleranz in Europa gab, könnte man sich auch fragen, angesichts des Extremismus einiger dieser religiösen Sekten, die nach Amerika flohen, ob nicht einiges dieser Intoleranz einfach der Tatsache geschuldet war, dass einige dieser Sekten so seltsam waren, dass sie für den Durchschnittseuropäer zu Recht unerträglich waren. Auf jeden Fall wurde die frühe amerikanische Gesellschaft mit extremistischen Weltanschauungen aufgepeppt. Die frühen Puritaner trugen die Idee mit sich, dass Amerika das neue 'verheißene Land' war, sie nannten ihr Land sogar 'Kanaan'. Dieses Meme ist tief in das amerikanische Bewusstsein eingedrungen, es formte sich schließlich um in die Lehre der 'manifesten Bestimmung'.

Der zweite Einfluss war die Aufklärung, wobei viel von der Ideologie der amerikanischen Revolution von den Ereignissen in Frankreich beeinflusst wurde. Sogar Thomas Jefferson und Benjamin Franklin konnten jedoch ein religiöses Gefühl nicht verleugnen. Jefferson verglich die Amerikaner mit Israeliten, die das Joch der britischen 'Pharaonen' abwarfen, und Franklin schlug vor, dass das Siegel des neuen Staates in Hebräisch sein und aussagen sollte:"Rebellion gegen Tyrannen ist Gehorsam gegenüber Gott".

Sogar in Zeiten der Revolution sehen wir eine Vermischung von weltlichen und religiösen Ideen. Ist es da verwunderlich, wenn Amerikaner es heutzutage als schwierig empfinden, diese beiden zu trennen? Was nun tatsächlich geschehen ist: es hat eine sogar noch tiefere gegenseitige Durchdringung der beiden Ideen bei den Institutionen des Staates gegeben, denen ein fast religiöser Status zugesprochen wurde und die eine Art bürgerlicher Religion wurden, und viele Christen glauben, dass Gott irgendwie eingegriffen hat bei der Gründung der USA. Letztes Jahr war der TV-Evangelist Benny Hinn in der Lage, mit einer perfekt ernsten Miene zu verkünden, dass er in der Verfassung der USA das Werk Jesu sehe - das fünfte Evangelium vielleicht?

Der Kritiker Bill McKibben, selbst ein Christ, hat argumentiert, dass diese Vermischung zwischen Staat und Christentum so tief geht, dass 75% der Amerikaner glauben, dass das Sprichwort 'Gott hilft denen, die sich selbst helfen', ausgesprochen von Benjamin Franklin, in der Bibel erscheine.

In seinem Buch 'Gottes Politik: Warum die amerikanische Rechte es falsch versteht und die Linke es gar nicht packt' erklärt Jim Wallis, selbst ein christlicher Aktivist und Begründer der Sojouners [der demokratischen Partei nahestende Nachbarschaftshilfe und Zeitschrift in Washington, gegründet in der Nachfolge von Martin Luther King jr.; d.Übs.] wie George Bush (und seine Redenschreiber) oft das Christentum und die USA verschmelzen.

Am ersten Jahrestag der Terroristenattacke von 2001 sagte Präsident Bush auf Ellis Island:"Dieses Ideal von Amerika ist die Hoffnung der gesamten Menschheit...Diese Hoffnung erhellt immer noch unseren Weg. Und dieses Licht scheint in der Finsternis. Und die Finsternis hat es nicht ergriffen." Jene beiden letzten Sätze sind genau aus dem Johannes-Evangelium und werden von Christen sofort erkannt. Doch noch einmal: das Licht, das in der Finsternis scheint, ist das Wort Gottes und das Licht Christi. Das geht nicht um Amerika und seine Werte.

Bush scheint diesen Fehler immer wieder zu machen, indem er Nation, Kirche und Gott miteinander vermischt. Die entstehende Theologie ist mehr eine amerikanische bürgerliche Religion als christlicher Glaube.

Wie wurde dieser Vermischung zugestanden, weiter zu bestehen? Wie wird großen Teilen der amerikanischen Bevölkerung zugestanden, offensichtlich der Moderne auszuweichen und absurde Glaubensinhalte zu bewahren? Amerika ist nun die Heimat des christlichen Buchstabenglaubens, dort werden sogar neue Formen des Buchstabenglaubens geschaffen und in die Welt exportiert. Die 'Endzeit'- Buchstabengläubigen sind weitgehend ein amerikanisches Phänomen und es sind primär amerikanische Sekten, die diese gefährliche Fantasie anfachen. Wie ist dies in einem sich selbst als modern bezeichnenden Land möglich? Wir könnten argumentieren, dass Islamisten den Islam in das Mittelalter zurückdrehen möchten, doch das machen auch amerikanische Buchstabengläubige, die ihr Verlangen klar bekannt gegeben haben, alle Überreste von Säkularismus in den USA zu überwinden. Paradoxerweise ist dafür der bewunderswerte Glaube an die religiöse Freiheit verantwortlich. Amerikaner haben absurde religiöse Glaubensrichtungen toleriert und sogar umarmt, wie es sonst niemand machen würde. Es geht nicht nur darum, dass diese Sekten existieren und offen nach Konvertiten suchen dürfen, sie werden anscheinend ebenso von kritischer Untersuchung freigestellt. Religiöse Freiheit bedeutet mehr als das Recht der Ausübung, es ist ebenso das Recht geworden, frei gegenüber Kritik zu sein. Amerika ist einzigartig bei der Anzahl von wahrhaft bizarren Kulten, die sich auf seinem Boden entwickeln und gedeihen. Das ist nicht nur auf christliche Sekten beschränkt. Eine Anzahl von Zwittersekten sind ebenso erblüht, New Age, UFO, unorthodoxe hinduistische und jüdische Sekten, etc.. Unglücklicherweise sind die USA auch die Heimat einer Anzahl von pathologischen Sekten, von denen einige in Gewalt endeten - Jim Jones, David Koresh.

Während der 80er entschieden die buchstabengläubigen Christen, die so genannte christliche Rechte, politisch aktiv zu werden. Das überraschte viele progressive Amerikaner. Da ist eine Falle bei der unkritischen religiösen Toleranz - sie erlaubt gefährlichen und intoleranten Ideologien zu gedeihen, und viele progressive Amerikaner haben diese unkritische Idee von religiöser Toleranz akzeptiert. Alle Religionen sind Ideologien, ein Knoten von Memes, doch anders als Kommunismus, Faschismus oder Utopien gewährt man Religionen eine besondere Ausnahmestellung. Es wird als unhöflich gewertet, sie direkt zu kritisieren, besonders in den USA. Die Situation in Europa ist weit mehr intellektuell rigoros und abweichende Sekten finden es schwieriger, leichtgläubige Mitglieder anzuwerben.

Wallis hat argumentiert, dass die Progressiven einfach das christliche Gefühl des Landes ignoriert haben und als es politisch einflussreich wurde, waren sie überrascht. Religiöse Toleranz hat zu einer Art Loslösung geführt. Wallis argumentiert, es sei an der Zeit, den Glauben von den Buchstabengläubigen zurückzuholen, sie direkt mit ihrer verdrehten Theologie zu konfrontieren. Dabei ist er mit Bill McKibben einig, der sagte:

Und darin liegt das Paradoxon. Amerika ist der am meisten bekennende Christ in den entwickelten Ländern und am wenigsten christlich in seinem Verhalten. Jenes Paradoxon erhellt den hohlen Kern unserer großsprecherischen, auf die Seite kippenden Kultur.

In einem beißenden Artikel 'Das christliche Paradoxon' nimmt McKibben unbarmherzig die christliche Rechte auseinander und beschuldigt sie, ihr christliches Erbe zu verraten und mit den Oligarchen, die Amerika regieren, ins Bett zu steigen. Sie sind genau wie die römische Kirche, die die wahre Geschichte von Joshua verraten und sich mit dem Römischen Reich verbündet hat. Skeptisch weist er darauf hin, dass die christliche Rechte Joshuas Lehren von der Armenhilfe ignoriere, um die republikanischen Steuervergünstigungen für die Reichen zu unterstützen. Wie kommen sie dabei ungestraft davon?

Die Antwort ist einfach. Das Christentum ist so verformbar, dass es zu allem gemacht werden kann. Was ist wirklich der Unterschied zwischen einer Fantasie und einer anderen? Indem man eine moderate Absurdität toleriert, erlaubt man tatsächlich jemandem, einen zusätzlichen Schritt auf eine größere Absurdität zuzugehen. McKibben drückt es so aus:

Aber ihre Theologie ist so sehr daran appellierend, dass sie mit dem übereinstimmt, was wir glauben möchten. Wie nett wäre es doch gewesen, wenn Jesus erklärt hätte, dass wir unser Einkommen für uns behalten sollten, anstatt darauf zu bestehen, dass wir es teilen. Wie befriedigend wäre es, wenn von uns erwartet würde, unsere Feinde zu hassen.

Es ist schwer, sich einen gewagteren Betrügerjob vorzustellen, als Christus zum Frontmann für ein Programm der Steuervergünstigungen für die Reichen oder den Krieg im Irak zu machen. Wenn ein bescheidener Teil der 85 Prozent von uns Christen für diese Tatsache erwachen würde, dann könnte sich die Welt ändern.

Doch hier verabschiede ich mich von beiden, von McKibben und Wallis. Die Kritik am amerikanischen Christentum muss viel tiefer gehen. Sie muss herausstellen, dass das gesamte Gebäude auf einer Lüge begründet ist. Sie muss einen verheerenden rhetorischen Trick herausstellen, der so geht.

  1. Christus ist Gottes Sohn.
  2. Christi Wort ist Gottes Wort.
  3. Christus sagt X (füllen Sie ein, was immer Sie wollen, z.B. Christus unterstützt die republikanischen Steuervergünstigungen).
  4. Deshalb ist X Gottes Wort (deshalb machen die Republikaner Gottes Arbeit).

Sie kommen damit ungestraft davon, weil dem Glauben zugestanden wird, dass er allein ausreicht und dass Vernunft keine Rolle spielt. Sie kommen damit ungestraft davon, weil der Glauben ihnen erlaubt, die Autorität eines mythischen Charakters zu benützen, um alle Sorten von Dummheit zu entschuldigen. David Koresh war in der Lage, seine Anhänger in einen schrecklichen Tod zu führen, weil sie die Vernunft für einen blinden Glauben an seine lächerliche Theologie aufgegeben haben (die Branch Davidian waren eine Splittergruppe der Zeugen Jehovas, eine Endzeit-Sekte [diese apokalyptische Gruppe von 82 Mitgliedern endete 1983 am Mount Carmel in einem Wahnsinnsakt samt ihrem "Führer" David Koresh; d.Übs.]).

Das Ergebnis dieser naiven Toleranz und des Fehlers, sich mit religiöser Absurdität einzulassen, ist der Triumph vom Kauderwelsch - einem neuen Zeitalter der Unvernunft. Das ist intellektuelle Nachlässigkeit höchster Ordnung.

Eine Schlussbemerkung über die Offenbarung

Viele Gelehrte sehen die Offenbarung als eine Botschaft über das Römische Reich an. Ein frühes Fragment des Textes lässt vermuten, dass die Zahl des 'Tieres' nicht 666, sondern 616 sei. Ein übliches Spiel jener Zeit war es, den Namen von Menschen zu verstecken, indem man ihn in Zahlen umwandelte. Es gibt Beispiele von antiken Graffitti, die Sachen aussagen, wie etwa 'Tacitus liebt das Mädchen, dessen Name 564 ist'. Die Zahl 666 hat immer ein Problem dargestellt, weil sie nicht leicht zu einem erkennbaren Namen entschlüsselt werden kann. 616 jedoch wird leicht entschlüsselt zu 'Kaiser Caligula' (gestorben 41 n) und es kann sofort verstanden werden, wie dieser bestimmte Kaiser das Tier genannt werden konnte, er war berüchtigt für seine Grausamkeit, Korruption und Perversion. Sogar der römische Historiker Seutonius bezeichnet ihn als ein Monster. Der Bezug zu der Offenbarung erfolgte vielleicht, weil Caligula einen wichtigen Sprung im Kult des vergöttlichten Kaisers gemacht hat, der von Augustus begonnen wurde. Augustus hat niemals gefordert, dass er persönlich göttlich war, sondern vielmehr, dass sein 'Genius' und der 'Genius' seiner Familienreihe göttlich war. Caligula beanspruchte allerdings, persönlich ein Gott zu sein. Das 'Tier' der Offenbarung wurde dann die skandalöse Idee, dass ein römischer Kaiser Gott war, ein Idee, die verständlicherweise von den frühen Christen angegriffen wurde, die Göttlichkeit für Christus beanspruchten.

Die Offenbarung wird daher eine bloße Ausweitung der apokalyptischen Tradition der Essener, auf den Bedarf der frühen Kirche zielend, besonders der sieben Kirchen, die sie ansprach. Sie ist in einer Art Code geschrieben, um ihre klare aufrührerische Agenda zu verbergen. Es war niemals beabsichtigt, sie als eine Prophezeiung zu lesen für eine Zeit weit in der Zukunft.

Es ist schwer zu verstehen, warum sie in das Neue Testament einbezogen wurde. In der Entstehungszeit des Neuen Testaments war diese Prophezeiung schon überall bekannt. Sicherlich halten sie viele etablierte Theologen für eine Kuriosität. Die Situation in Amerika ist jedoch irgendwie anders. Während des 19. Jahrhunderts begannen ein paar gaunerhafte Christen, die Offenbarung als eine echte Prophezeiung zu lesen, die noch erfüllt werden musste. Eine Anzahl von Sekten entstand um diese Idee herum und sie gediehen in dem naiven und toleranten religiösen Klima in den USA, besonders die Zeugen Jehovahs, die Sieben-Tage-Adventisten und eine Anzahl von Baptisten, Pfingstlern und evangelischen Gruppen. Angesichts dessen, dass die Toleranz von Absurdität noch mehr Absurdität nährt, ist es nicht überraschend, dass die Offenbarungs-Theologie eine wachsende Bewegung ist und dass regelmäßige Konferenzen abgehalten werden über die lächerlichsten Themen, wie etwa Debatten zwischen Prä-Tribulationisten, Mitt-Tribulationisten und Post-Tribulationisten [Unterabteilungen des so genannten Dispensationalismus - einer Bibelauslegung, die verschiedene Zeitalter in der biblischen Heilsgeschichte unterscheidet und bei der Auslegung berücksichtigt; s. WIKIPEDIA; d.Übs.]. Der wahrhaft furchterregende Aspekt davon ist, dass diese 'Revelationisten' [Offenbarungsgläubige; d.Übs.] ebenso politisch aktiv sind, besonders im isralisch/palästinensischen Konflikt. Einige Revelationisten glauben, dass die zweite Wiederkunft erst geschehen wird, wenn der Dritte Tempel erbaut worden ist und deshalb sind sie sehr aktiv bei der Unterstützung von extremistischen Juden, die nach dem gleichen Ziel streben. Aber noch beunruhigender ist, dass diese Narren mit widerlicher Schadenfreude auf die Aussicht auf Armageddon zu blicken scheinen - ein Endkampf, der im Tal von Megiddo stattfinden wird. Sie sprechen in Erwartung darauf, das Tal zu sehen angefüllt mit dem Blut der Ungläubigen. Es ist eine traurige Anklage des Christentums, dass ein derartig gewaltsames und grausames Bild von Christus überhaupt toleriert werden soll.

Ray Harris, May, 2006

QUELLENVERZEICHNIS

Ich empfehle wärmstens diese folgenden Experten und ihre Bücher:

Karen King – Winn Professor of Ecclesiastical History at Divinity School, Harvard University.
What is Gnosticism. Belknap/Harvard Press
The Secret Revelation of John. Harvard University Press

Elaine Pagels – Harrington Spear Paine Professor of Religion at Princeton University. Beyond Belief – the Secret Gospel of Thomas. Random House Adam, Eve and the Serpent. Random House The Gnostic Paul: Gnostic Exegesis of the Pauline Letters. Random House.

Robert Eisenman – Director of the Institute for the Study of Judeo-Christian Origins and Professor of Middle East Religions and Archaeology at California State University.
James the Brother of Jesus. Watkins (Faber and Faber).
Co-author of The Facsimile Edition of the Dead Sea Scrolls.

Tom Harpur – former Anglican priest and Professor of Greek and the New Testament at the University of Toronto.
The Pagan Christ. Allen and Unwin

Ebenso empfohlen:

Esther Kaplan, With God on their Side. The New Press.
Jim Wallis, God's Politics. Harper.