INTEGRAL WORLD: EXPLORING THEORIES OF EVERYTHING
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Ray Harris Ray Harris trägt häufig zu dieser Webseite bei. Er hat Artikel über den 11.9., Boomeritis, den Irakkrieg und die Politik des Dritten Weges geschrieben. Harris lebt in Australien und kann kontaktiert werden über: [email protected]. Nach meiner Meinung sollte der Nahe Osten eine vorrangige Fallstudie für die integrale Theorie sein, es sind jedoch nicht viele Stücke über dieses Thema aus jener Perspektive geschrieben worden. Deshalb habe ich Ray vor einiger Zeit gebeten, aus seiner Sicht über das Nahost-Problem zu schreiben. "Integrale Bemerkungen über den israelisch/arabischen Konflict" war seine Antwort auf jene Bitte.

Erwiderung
auf Meyerhoff

Ray Harris

In seiner Erwiderung auf meinen neuerlichen Artikel beschuldigt mich Jeff Meyerhoff des Irrtums. Na schön. Ich beachte immer jede Andeutung, ich hätte meine Fakten falsch dargelegt. Manchmal mache ich das wirklich falsch, doch ich versuche, sorgfältig zu sein und nichts zu schreiben, bevor ich halbwegs sicher bin, dass ich auf solidem Grund stehe. Ich hätte die arabisch/israelische Frage vor ein paar Jahren aus diesen Gründen gar nicht angepackt. Meyerhoffs Erwiderung ist jedoch so voller Irrtümer und ‚Spin', dass ich wenig Wertvolles darin fand.

Land und Immigration

Lassen Sie mich zuerst das zentrale Argument in seiner Erwiderung angehen, dass es wirklich um ‚Land' geht und dass gemäß Maslows Hierarchie der Bedürfnisse dies das auf höherem Rang liegende Bedürfnis Identität übertrumpft.

“Maslows und Wilbers Hierarchie der Bedürfnisse passt viel besser zu meinem Ansatz, der zuerst nach den materiellen Bedingungen fragt: Essen Menschen genug? Wer bekommt welche materiellen Güter und wieviel? Sind Menschen sicher? Eine integrale Theorie im Einklang mit Maslow und Wilber sollte auf die „ontologisch primitiven”[15] materiellen Bedingungen schauen und ihren Einfluss auf die späteren Entwicklungsstufen sehen.”

Ich stimme dem zu, dass niedrigere Bedürfnisse spätere Entwicklungsstufen beeinflussen und sage genau das in 'Gedanken auf eine integrale politische Ökonomie zu', wo ich ebenfalls anrege, dass ein Überschuss auf einer Ebene die Bedingungen schafft, dass die nächste Entwicklungsebene aufsteigen kann. Meyerhoff hätte wirklich meine Gegenerklärung beachten und meine anderen Artikel lesen sollen. Wenn er das getan hätte, dann hätte er ebenso entdeckt, dass ich Themen von Stammes/ethnischer Identität auf der Ebene genau über der Sicherheit von Nahrung und Land platziere.

Und sein Argument würde einen perfekten Sinn bringen außer für eine Sache – die jüdische Immigration half dabei, einen wirtschaftlichen Aufschwung in Palästina zu bewirken und verbesserte die Bedingungen der Araber im Allgemeinen so sehr, dass es eine nachfolgende arabische Bevölkerungs-Explosion gab. Die genaue Natur des Anstiegs in der arabischen Bevölkerung steht zur Diskussion. Die Araber sagen, dass sie einem schnellen Anwachsen der Geburtenrate gemäß sei, und einige Israelis sagen, dass sie einer bedeutenden arabischen Einwanderung gemäß sei. Was auch immer der Grund ist, den Meyerhoff brauchen wird, um zu erklären, weshalb eine angeblich Hunger leidende Bevölkerung unter der Bedrohung, dass ihr Land gestohlen wurde, tatsächlich an Größe zunahm und sogar eine beträchtliche arabische Einwanderung nach sich zog. Das ist ein strittiges Thema, weil einige israelische Historiker argumentieren, dass einige Palästinenser von den Arabern abstammten, die zur gleichen Zeit einwanderten wie die Juden (und keinen höheren Anspruch haben als die Juden).

Das bringt uns zu dem nächsten wichtigen Punkt: den ich in meinem Originalartikel nicht ausführte, den Meyerhoffs Kritik jedoch benötigt. Doch vorerst möchte ich die Weise ansprechen, in der Meyerhoff durch die Zeitperioden springt und behauptet, dass die Bedingungen der Palästinenser heutzutage ihrer Situation in den 20ern, 30ern und 40ern entsprechen. Ich möchte dem zustimmen, dass die ‚gegenwärtige' Situation der Palästinenser sowohl schlimm als auch tragisch ist, doch ich möchte ebenso argumentieren, dass sie einen guten Teil der Schuld für ihre jetzige Notlage tragen. Wie hatten sie sich von einer Periode des steigenden Gedeihens in den 20ern und 30ern abgewandt, um sich selbst unter Sanktionen und Embargos und einem potenziellen Bürgerkrieg heutzutage leiden zu sehen?

Gut, das von mir nicht erweiterte Thema ist die moralische Scheinheiligkeit ‚einiger' anti-israelischer Polemiker und das zentriert sich um das Thema des Einwanderungsrechtes – das Recht der Mexikaner, in die USA einzuwandern, das Recht der Afrikaner, nach Spanien einzuwandern, das Recht von Osteuropäern, nach Westeuropa einzuwandern und so weiter. Die Gründe für Immigration unterscheiden sich, doch wir können zwei breite Begründungen vermuten: vor Verfolgung fliehen und ein besseres Leben suchen. Die progressive Standardposition ist, einwandernden Gruppen Sympathie zu zeigen, außer so scheint es, wenn es zur jüdischen Einwanderung nach Palästina kommt. Hier gibt es einen eindeutigen Umschwung und die Rechte der einheimischen Bevölkerung übersteigen die Rechte der Einwanderer. Offenbar sind Araber und Muslime von den Forderungen der Multikultur ausgenommen. Denken Sie mal darüber nach. In fast dem gleichen Atemzug habe ich einen progressiven Freund die Haltungen von weißen Australiern gegenüber der muslimischen Einwanderung angreifen gehört, indem er die Aussies des Rassismus beschuldigte und dann sagt er, die Juden hätten kein Recht, nach Palästina einzuwandern, weil die Palästinenser dort zuerst gewesen seien. Doch es sind nicht gerade nur westliche Pro-Palästinenser, die eine Doppelmoral haben, sondern auch viele Muslime, die argumentieren, sie hätten das Recht, wohin immer sie wollten einzuwandern, die jedoch vehement argumentieren, dass die Juden nicht nach Palästina gehörten.

Die meisten Juden, die nach Palästina einwanderten, haben das legal gemacht. Sie kauften oder pachteten Land und eröffneten Firmen. Die meisten von ihnen waren nicht besonders der zionistischen Sache zugetan. Viele von ihnen lebten friedlich und kooperativ mit ihren arabischen Nachbarn zusammen. Was geschah? Nun, was geschah, das war die arabische Rebellion in den 20ern und 30ern und der Krieg von 1948, in dem benachbarte arabische Staaten den neuen Staat Israel kurz vor seiner Ausrufung angriffen. Das spielte perfekt in die Hände der Zionisten. Die Hardliner des Zionismus kamen an die Macht, weil sie erfolgreich waren, die gewöhnlichen Juden vor den Angriffen der feindlichen arabischen Kräfte zu verteidigen. Es spielte keine Rolle, ob diese feindlichen Kräfte populäre Unterstützung hatten oder nicht. Wenn einen jemand angreift, dann verteidigt man sich.

Sie sehen, dass ich nicht die zionistischen Pläne abstreite, einen israelischen Staat zu gründen und den Plan, die Araber zu verdrängen. Das ist eine geschichtliche Angelegenheit und es wird allgemein in Israel akzeptiert, dass ein solcher Plan existierte (das Argument geht darum, wie ernsthaft und gewiss dieser Plan war). Jedoch waren nicht alle jüdischen Einwanderer zionistische Hardliner, tatsächlich waren viele Juden Kritiker des Zionismus. Es ist jedoch ebenso wahr zu sagen, dass arabische Hardliner mit der Furcht vor dem Zionismus spielten, um den nicht-verbündeten Arabern (und Christen) gründlichst einen gewaltigen Schrecken einzujagen. Arabischen Dorfbewohnern wurde gesagt, dass die Juden ihre Frauen vergewaltigen und ihre Kinder töten werden. Während des Krieges von 1948 flohen Zehntausende von Arabern aus ihren Dörfern aus ‚Furcht' vor einer solchen Attacke, nicht weil sie ‚wirklich' angegriffen wurden. Diese bilden die Hauptmasse der Flüchtlinge. Was geschah mit den Arabern, die geblieben waren? Raten Sie mal? Sie wurden in die israelische Gesellschaft integriert, wo sie trotz ernsthafter Muster von Diskriminierung einen höheren Lebensstandard haben als ihre nicht-israelischen Nachbarn. Tatsächlich hat Israel gerade die Beförderung eines arabischen Israeli auf einen Kabinettposten verkündet. Tatsache ist, dass die jüdische Kultur weitgehend tolerant ist und viele Juden sind progressiv. Wie jede Gesellschaft hat sie rechtsstehende Nationalisten und Extremisten, wie auch in der arabischen Gesellschaft. Ich möchte argumentieren, dass die Gewaltanwendung durch eine rechtslastige arabische Minderheiten-Bewegung in den 20ern und 30ern der zionistischen Sache geholfen hat und der Krieg von 1948 verfestigte deren Zugriff auf das israelische Verteidigungs-Establishment. Hätten die rechtslastigen Araber sich nicht auf die Gewalt verlegt, hätten es die Zionisten schwerer gehabt, ihre Pläne umzusetzen.

Wie erklärt Meyerhoff die Stellung von Arabern im heutigen Israel? Er sagt, sie seien Bürger zweiter Klasse. Sind sie das? Welches Land ist frei von Rassismus und Diskriminierung? Wie geht es Latinos und Afroamerikanern in den USA? Gibt es keine rassische, religiöse oder ethnische Diskriminierung in der arabischen Gesellschaft? Legt Meyerhoff auf Juden einen höheren Maßstab an?

Finkelstein und Chomsky

Meyerhoff zitiert Norman Finkelstein ausführlich. Das ist schade. Finkelstein ist kritisiert worden, ein Lügner zu sein. Peter Novick in Der Holocaust im amerikanischen Leben hat gesagt:

'Keine von Finkelstein behaupteten Fakten sollten als Fakten übernommen werden, kein Zitat in seinem Buch sollte als genau übernommen werden, ohne dass man sich die Zeit nimmt, seine Behauptungen sorgfältig mit den von ihm zitierten Quellen zu vergleichen.'

In seinem Buch The Case for Peaceerhebt Alan Dershowitzeine vernichtende Anklage gegenüber Finkelstein und Chomsky. Ich sagte in meinem Artikel, dass die israelisch/palästinensische Debatte voller Propaganda sei. Finkelstein pflegte wie ein Propagandist zu erscheinen und seine Ansichten sollten dementsprechend behandelt werden. Ich weiß nicht, ob Dershowitzs Behauptungen korrekt sind oder ob er eben nur eine andere Propaganda-Position einnimmt. Auf jeden Fall sollte jede ‚integrale' Annäherung sich der ziemlich ernsthaften Anschuldigungen, die gegen Finkelstein erhoben werden und der unsachlichen Auseinandersetzung zwischen Finkelstein und Dershowitz bewusst sein. Dershowitz hat gesagt, Finkelstein sei ein Befürworter der Neonazi-Bewegung und er ist zitiert worden, als er den Holocaust-Leugner David Irving unterstützte. Wer hat Recht? Finkelstein oder Dershowitz?

Der Mythos der islamischen Toleranz

Meyerhoff zitiert eine Anzahl von Quellen, die nahelegen, dass muslimische Gesellschaften Leuchtfeuer der Toleranz seien. Zu verschiedenen Zeiten waren es einige. Zu verschiedenen Zeiten ging es einigen Juden sehr gut. Er sollte sich der beträchtlichen Literatur ebenso bewusst sein, die argumentiert, dass islamische Gesellschaften nicht so tolerant waren, wie seine ausgewählten Quellen es vermuten lassen. Ein integraler Ansatz muss widerstreitende Darstellungen einsehen. Der anerkannte Historiker (und Mitautor der Enzyklopädie des Islam) Bernard Lewis hat gesagt:

'Europäische Reisende in den Osten im Zeitalter des Liberalismus und der Emanzipation sind fast einmütig beim Bedauern der degradierten und prekären Lage der Juden in muslimischen Ländern und der Gefahren und Beschämungen, denen sie ausgesetzt sind. Jüdische Gelehrte, die mit der Geschichte des Islam und mit der gegenwärtigen Situation in islamischen Ländern vertraut sind, haben diesbezüglich keine Illusionen. Vambery (1904) ist unmissverständlich: “Ich kenne kein unglücklicheres, hilfloseres und bedauernwerteres Individuum auf Gottes Erde als die Jahudi in jenen Ländern.''

Ein Beispiel, wie gefährdet die Lage der Juden unter der islamischen Herrschaft war, wird offensichtlich durch eine genauere Untersuchung der mythisch toleranten muslimischen Herrschaft in Spanien. Was oft nicht erwähnt wird, dass etliche Gesetze am Platz waren, die sicherstellten, dass Juden und Christen Bürger zweiter Klasse waren, einschließlich der besonderen Jizya-Steuer. Ich habe schon die Dhimmi-Gesetze erwähnt. Was ich Meyerhoff bestätigen kann, ist dass in allen muslimischen Gesellschaften Juden ihre Stellung zu beachten haben. Sie wurden toleriert, gerade solange sie sich in gewissen Grenzen hielten. In Granada, Spanien, kreuzigte 1066 ein arabischer Mob den jüdischen Großwesir, riss das jüdische Viertel nieder und massakrierte 5000 Juden – sie wurden von radikalen Imamen angestachelt, die meinten, dass die Juden zu mächtig geworden wären. Klingt bekannt? Die Existenz der Dhimmi-Gesetze legalisiert die Diskriminierung von Nicht-Muslimen. Meyerhoff sollte wirklich die Dhimmi-Gesetze untersuchen; viele von ihnen sind einfach empörend und alle von ihnen übersteigen bei weitem den Typ der Diskriminierung, den die Araber in Israel erleben. Lassen Sie mich diesen Punkt betonen. Israel gewährt größere Rechte den Nicht-Juden als muslimische Gesellschaften den Nicht-Muslimen. Die Dhimmi-Gesetze sind noch nicht aus dem Sharia-Gesetz entfernt worden und sie sind lebendig und gut nach der Meinung vieler Muslime. 2001 sagte Sheikh Ibrahim Mahdi im palästinensischen Regierungsfernsehen:

'Wir heißen jeden Juden willkommen, wie wir es in der Vergangenheit getan haben, der in diesem Land als ein Dhimmi leben möchte…Jene unter den Juden und unter denen, die nicht Juden sind, die in dieses Land als Plünderer kommen, müssen gedemütigt und ungeachtet in ihre Länder zurückkehren.'

Die Dhimmi-Gesetze existierten in jedem muslimischen Land. Ein Führer pflegte die Dhimmi-Gesetze zu lockern, ein anderer jedoch pflegte sie wieder einzusetzen. In Indien erinnert man sich an den Shah Jahan wegen seiner Toleranz und seines Synkretismus, sein Nachfolger Aurangzeb führte die Jizya-Steuer und eine Anzahl weiterer diskriminierender Gesetze wieder ein.

Dasselbe geschah in Jerusalem. Unter einigen Führern wurde den Juden gestattet, den Felsendom zu betreten, um an den Fundamenten des Zweiten Tempels zu beten, zu anderen Zeiten wurden die Juden davon abgehalten. Berichte von dem britischen Konsul von Jerusalem (1839-1914) deuten an, dass die Juden von Jerusalem unter entsetzlichen Bedingungen lebten:

'Es ist eine Tatsache, dass die jüdischen Untertanen…sich nicht der Privilegien erfreuen, die man ihnen zugestand…dieses Übel mag im allgemeinen darauf zurückgeführt werden…:1. auf die Abwesenheit eines angemessenen Schutzes, wodurch sie grausamer und tyrannischer Behandlung eher ausgesetzt sind. 2. auf den blinden Hass und die unwissenden Vorurteile einer fanatischen Bevölkerung…3. auf die hungerleidende Verfassung zahlreicher jüdischer Bevölkerung.'

Und

'Wie ein armseliger Hund ohne einen Besitzer, der von einem getreten wird, weil er ihm über den Weg läuft, und von einem anderen geschlagen wird, weil er aufheult – fürchtet er sich, Abhilfe zu schaffen, damit es nichts Schlimmeres über ihn bringe; meint er, dass es besser sei, es auszuhalten, als in der Erwartung zu leben, dass seine Beschwerde an ihm gerächt werden könnte.'

Unter jordanischer Herrschaft wurden die Juden vollständig aus der Altstadt verbannt, einschließlich der Klagemauer. Die gegenwärtigen Proteste gegen die Reparaturarbeiten an dieser Stätte sollten die Lage vollständig klar darstellen. Dies ist die heiligste jüdische Stätte. Jerusalem ist das Mekka des Judentums. Dennoch kontrollieren Muslime diese Stätte mit dem Anspruch, dass es ihre ‚dritt'-heiligste Stätte sei. Und wie wäre wohl die muslimische Reaktion, wenn die Juden Mekka kontrollierten? Wer hat Zurückhaltung gezeigt? Wer hat Toleranz gezeigt? Während der jordanischen Kontrolle der Altstadt sahen anwohnende Christen (meistens Armenier) einer Anzahl von Beschränkungen beim Zugang zu den heiligen Stätten entgegen (die Jordanier befahlen sogar den christlichen Schulen, den Koran zu lehren). Unter jüdischer Herrschaft haben Christen nun freien Zugang.

Ich hatte erwogen, einen weiteren Artikel über den Islam zu schreiben, einen, der den ‚Mythos' der islamischen Toleranz untersuchen sollte. Vielleicht sollte ich das jetzt tun als ein Korrektiv zu Meyerhoffs auswählenden Zitaten. Ich meine, in einer Hinsicht hat er Recht. Die von ihm zitierten Schriftsteller sagen solche Sachen, andere Schriftsteller haben jedoch behauptet, dass solche Schriftsteller strengere Wahrheiten unter den Teppich kehren. Ich bin mir sicher, dass koptische Christen in Ägypten eine andere Ansicht über muslimische Toleranz haben mögen, als sie die Juden in Ägypten haben. Die Hindus haben ein unterschiedliches Verständnis von muslimischer Toleranz und Herrschaft. Alle diese Stimmen müssen in einer integralen Sichtweise ins Gleichgewicht gebracht werden. Wir sollten ebenso die Menschenrechtsberichte von heutigen muslimischen Gesellschaften betrachten. Sogar die progressivsten und tolerantesten muslimischen Gesellschaften haben ernsthafte Menschenrechts-Probleme. Es gibt diese Berichte. Schauen Sie sie sich an.

Schlussfolgerung

Alles was Meyerhoff getan hat, ist einige alternative Sichtweisen auszuwählen. Na und? Jeder der dieses Thema studiert hat, weiß dass diese Stimmen existieren und weiß auch von der Kontroverse, die Finkelstein und Chomsky betrifft. Lesen Sie sie auf alle Fälle, doch lesen Sie auch ihre Kritiker. Entscheiden Sie selbst.

Meyerhoffs zentrale These, dass es hier um Land geht, ist teilweise korrekt – es geht um Land, jedoch um Land UND Identität. Ist es ein jüdisches Land oder ein arabisches Land? Mit der jüdischen Einwanderung blühte die Wirtschaft der Region auf. Das vermehrte den Wohlstand vieler Araber, es vermehrte ebenso die Gelegenheit (wie sollte man sonst die arabische Einwanderung erklären?), doch ebenso, wie bei allen Masseneinwanderungen, verursachte sie eine Störung bei den traditionellen Lebensweisen. Eine der störendsten war der Wechsel von einem feudalen System unter osmanischen Landbesitzern zu einer modernen Wirtschaft, die wenig Platz für die traditionelle Pächterlandwirtschaft hatte. Natürlich verursachte die jüdische Masseneinwanderung Probleme und Verbitterung, war jedoch das Problem die Einwanderung selbst (einschließlich der arabischen Einwanderung) oder war es die ‚jüdische' Einwanderung? Ich möchte vermuten, dass es um beides geht. Die arabischen Bewohner ärgerten sich über die schnellen Wechsel in ihrer traditionellen Lebensweise in der Art, dass alle Bewohner-Gemeinschaften auf die neuen Einwanderer reagierten. Es gibt immer Misstrauen und Diskriminierung gegenüber den Neuankömmlingen. Meyerhoff muss jedoch blind sein, wenn er die Tatsache nicht erkennt, dass es besonders unangenehm für fundamentalistische Araber und Muslime war, dass diese Einwanderer Juden waren. Ich glaube, dass ich es ziemlich deutlich gemacht habe, dass das Problem nicht die gemäßigten Palästinenser oder Juden waren, sondern die Extremisten in beiden Lagern – die orthodoxe ‚zionistische' Siedlerbewegung, die ein ‚Größeres' Israel anstrebt und die orthodoxen Sunniten und Schiiten, die die Zerstörung des Staates Israel und die Juden zurück auf ihrem Platz sehen wollen. Wenn es nicht nach den Aktionen der Extremisten gegangen wäre, dann hätte meiner Meinung nach die Ein-Staat-Lösung möglich sein können. Wenn arabische Nationalisten nicht ‚Juden' unterschiedslos in den 20ern und 30ern angegriffen hätten, wären die zionistischen Extremisten gar nicht so mächtig geworden.

Ich stimme zu, dass Israel die Grenzen von 1967 akzeptieren sollte, doch da gibt es zwei Sachen, die wir anerkennen sollten. Die israelischen Grenzen haben sich jedes Mal erweitert, wenn die Araber Israel angriffen. Das Schlüsselwort hier ist ‚Angriff'. Wenn die Araber nicht gegen die UN-Erklärung, die Israel geschaffen hat, vorgegangen wären, dann wäre Israel kleiner als es jetzt ist. Der Krieg von 1948 war eine Katastrophe für die Araber, weil er die Juden sehr ängstlich gemacht hat. Meyerhoff sollte diese Tatsache anerkennen. Der Zeitplan für den Krieg von 1948 hätte nicht schlimmer sein können, er geschah zu einem Zeitpunkt, als das volle Ausmaß des Holocaust erst aufgedeckt wurde. Lassen Sie es mich mit unverblümten Ausdrücken sagen. Die Juden hatten jedes Recht, ‚verdammt' furchtsam zu sein. Die arabische Rhetorik gab ihnen jeden Grund zu glauben, dass sie in Palästina ausgemerzt würden, wie es ihnen in Europa geschah. Weshalb Israel jetzt so schwer bewaffnet ist, liegt daran, dass es etliche Male angegriffen wurde und dass es sich in einer geografisch strategischen schwachen Position befindet. Oder meint Meyerhoff, die Israelis hätten nicht ernsthafter arabischer Aggression entgegengesehen?

Der Krieg zeigte ebenso die Schwäche der Araber (trotz ihrer militärischen Übermacht zu jener Zeit) und machte tatsächlich die Zionisten stärker und sogar noch entschlossener. Es ließ sie erkennen, dass sie tatsächlich damit durchkommen könnten, ein Größeres Israel zu schaffen. Hätten die Araber es zugelassen, dass der Staat Israel unter dem UN-Mandat in Frieden existierte, wären die zionistischen Bestrebungen eingegrenzt und ein palästinensischer Staat verwirklicht worden.

Die zweite und wichtigste Sache ist, dass wenn sogar gemäßigte Palästinenser ein Friedensabkommen erreichen, wird es immer noch extremistische Muslime geben, die das niemals akzeptieren werden. Es kann in der Tat argumentiert werden, dass Extremististen solche Abkommen sabotieren, wann immer sie es können. Sehen Sie: es sind nicht die Gemäßigten, die die Israelis fürchten, es sind nicht die Gemäßigten, die Raketen nach Israel abfeueren oder Zivilisten mit Selbstmörderbomben in die Luft sprengen. Es kann dort nur Frieden geben, wenn muslimische Extremisten auf die Gewalt verzichten, bis dahin werden sich die Israelis unsicher, misstrauisch und hyper-defensiv fühlen.

Meyerhoff hat Unrecht zu sagen, ich befürworte nicht die palästinensische Selbstbestimmung. Ich unterstütze tatsächlich die Selbstbestimmung als ein allgemeines Prinzip für alle Völker, doch nur wenn Selbstbestimmung machbar ist und nicht auf der Diskriminierung von schwächeren Minderheiten basiert (noch schmeiße ich alle Progressiven in eine Gruppe – in der Tat habe ich meine Kommentare bei ‚vielen' eingeschränkt – viele sind nicht ‚alle').

Ich unterstütze entschieden die Hamas nicht. Ich betrachte sie als eine islamisch-faschistische Organisation. Es kann keinen Grund geben, Faschisten zu unterstützen – sogar wenn sie die Züge pünktlich fahren lassen können.

Meyerhoff sollte die Aktionen der Mitaraber beim Verursachen der gegenwärtigen Notlage in Palästina erkennen. Ich schaute mir die neuerliche Doha-Debatte auf BBC World an. Der Antrag vor dem Parlament war, dass Irak einen Diktator brauche, um den gegenwärtigen Sektierer-Konflikt zu lösen. Gegen diesen Antrag sprach der streitlustige britische AbgeordneteGeorge Galloway. Ich erwähne das nur, weil er einen interessanten Kommentar abgab. Unter den Jubelrufen der weitgehend arabischen Zuhörerschaft, beschwor er (in Arabisch) das Bild eines Größeren Arabien. Er erklärte, dass er bei seinen ausgedehnten Reisen durch jedes arabisch sprechende Land erkannt habe, dass die Araber ein Volk seien. Wie er es ausdrückte: ‚Ein Land, eine Sprache, ein Gott und ein Volk.' Ich fand das deshalb interessant, weil Galloway vehement pro-palästinensich ist. Wenn also die Araber ein Volk sind, warum haben sie nicht die palästinensischen Flüchtlingen aufgenommen, die zu ihnen kamen, um, na ja, ‚Asyl' zu bekommen?

Ich lade jetzt den Leser ein, auf eine Karte des Nahen Ostens zu schauen und die Größe dieses Größeren Arabiens von ‚einer Sprache, einem Gott und einem Volk' anzuschauen und dann auf die Grenzen Israels und die besetzten Gebiete zu blicken. Sehen Sie, wie klein Israel ist. Schauen Sie, wie klein das erwünschte Größere Israel wäre im Vergleich zu dem erwünschten Größeren Arabien, das Galloway unter enthusiastischem Beifall heraufbeschwor.

Das ist für mich das Trennende – ein Größeres Israel wäre immer noch sehr klein im Vergleich, etwa die Größe von Vermont in den USA. Soweit gehen die zionistischen Bestrebungen (obschon die meisten Israelis die Grenzen von 1967 akzeptieren würden). In diesem Fall sage ich zu Meyerhoff, wenn es hier um Land geht, dann geht es um den verblüffenden Geiz der Araber. Mit all diesem Land und all diesem Öl können sie es sich erlauben, großzügig zu sein. Sie haben eine Menge Land und die Israelis wollen nur ein bisschen. Wenn die Araber, wie Galloway und seine ihn anerkennende Zuhörerschaft zu glauben scheinen, ein Volk sind, dann gibt es kein Palästina als eine abgetrennte arabische Identität, genauso wie es kein Jordanien oder Syrien gibt. Wenn es um Land geht, dann geht es um die Verweigerung der Araber, den Juden überhaupt irgendein Stück Land zu überlassen. Ich meine, dass das ein bisschen einseitig ist, nicht wahr? Juden kein Land –Arabern eine Menge Land, die Muslime bekommen ihre erste, zweite UND dritte heilige Stätte und was bekommen die Juden – nichts (doch ihr könnt unter uns als Dhimmi leben)?

Übrigens – ich möchte tatsächlich vermuten, ohne eine starke Regierung, die die Einheit im Irak erzwingt, würden die Sunniten und Schiiten, wenn sie auf ihre eigenen Instrumente angewiesen sind, natürlicherweise damit enden, sich gegenseitig an die Kehle zu gehen. Sunnitische Extremisten betrachten die Schiiten als Abtrünnige und die Schiiten empfinden immer noch Feindseligkeit wegen des Todes von Ali und Hussein. Im Westen haben die Katholiken und die Protestanten den Kampf nach Jahrhunderten blutiger sektiererischer Gewalt aufgegeben. Die Sunniten und die Schiiten müssen noch versöhnt werden und Gewalt war und ist unvermeidbar. Saddam schränkte sie ein, indem er bloß die Schiiten unterdrückte.

Meyerhoff fällt leider dem Mythos anheim, dass die Probleme im Nahen Osten alle gemäß der imperialistischen Einmischung von außen entstanden sind. In Wirklichkeit ist der Nahe Osten immer schwierig zu kontrollieren. Der Irakkrieg ist ein klarer Beweis für die Wirklichkeit imperialistischer Bestrebungen in der Region, als die Briten, Franzosen und Russen Lehrgeld bezahlten. Lassen Sie mich tatsächlich Meyerhoff die folgende Frage stellen – was wäre im Nahen Osten geschehen, wenn die westlichen Mächte in keinster Weise verwickelt worden wären, wenn sie ihre imperialistischen Bestrebungen für sich behalten und eine isolationistische Annäherung verfolgt hätten? Hätten die arabischen Massen ihre Führer entmachtet und einen progressiven Islam gegründet? Oder hätten sich die verschiedenen Königsfamilien und Eliten gegenseitig bekämpft, um die Kontrolle zu bekommen? Was wäre geschehen, wenn die Briten nicht die Saudi-Familie unterstützt hätten? Würden die al-Rashid noch Riyadh regieren und die Hashemiten Mekka? Was wäre mit dem Öl? Wäre es noch in der Erde? Wie würden die Araber es aus der Erde bekommen und an wen würden sie es verkaufen (der Westen hatte schon die Technologie entwickelt, besonders die USA, die immer noch ihr eigenes Öl anzapften)?

All jene heben mal die Hand, die glauben, dass der Nahe Osten in einen Bürgerkrieg abgesunken wäre, bis einer oder mehrere Kalifen/Diktatoren aufstiegen (die dann immer noch westliche Technologie brauchen würden, genau wie es die Osmanen taten – vor allem militärisch)?

Und auf eine letzte, vielleicht eigenartige Bemerkung – Meyerhoff offenbart eine klare Einseitigkeit, wenn er sagt, dass das nukleare Bombardement von Hiroshima und Nagasaki ungerechtfertigt war. Er sollte wissen, dass eine solche Behauptung höchst kontrovers und von vielen Historikern widersprochen ist, die argumentieren, dass eine Landinvasion in Japan mehr militärische und zivile Leben gefordert hätte als das Bombardement. Die Schlacht von Okinawa zeigt deutlich, dass viele japanische Zivilisten eher bereit waren, Selbstmord zu begehen als sich zu ergeben.

Ray Harris, January 2007