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Ray Harris Ray Harris trägt häufig zu dieser Webseite bei. Er hat Artikel geschrieben über den 11.9., Boomeritis, den Irakkrieg und die Politik des Dritten Weges. Harris lebt in Australien und kann kontaktiert werden über:[email protected]. Ray hat über das Christentum geschrieben (siehe sein Essay"Das Christentum: Die Große Lüge") und den Islam (siehe: "Die vielen Gesichter des Islam", unter anderen in dem Reading Room). Ich habe Ray lange Zeit gebeten, etwas über seine Ansichten zum Nahost-Problem zu schreiben "Integrale Bemerkungen über den israelisch/arabischen Konflikt" war seine Antwort auf jene Bitte.

Erwiderung auf Meyerhoff

Teil 2

Ray Harris

Ich meinte, ich hätte aufgehört mit dem Erwidern auf Meyerhoffdoch etwas hielt an, an mir zu nagen and das war sein Benützen von Benny Morris als Unterstützung der Behauptung, dass der Hauptgrund für die Flucht der Palästinenser 1948 der jüdische Terror und die Vertreibung war, deshalb habe ich es nochmals nachgeprüft. In Unterstützung seines Arguments benützt Meyerhoff ein Zitat von Le Monde Diplomatique[Die diplomatische Welt] von 1997. Lassen Sie uns dieses Zitat wieder anschauen.

Auf den ersten Seiten von ,,Die Entstehung des palästinensischen Flüchtlingsproblems'' bietet Benny Morris die Umrisse einer allumfassenden Antwort [auf die Frage nach dem Grad der palästinensischen Vertreibung durch die Juden] an: er benützte eine Karte, die die 369 arabischen Städte und Dörfer in Israel zeigt (innerhalb seiner Grenzen von 1949), er führt Gebiet um Gebiet auf, die Gründe für die Abwanderung der einheimischen Bevölkerung….In 45 Fällen gibt er zu, es nicht zu wissen. Die Einwohner der anderen 228 Ortschaften gingen unter dem Angriff durch jüdische Truppen, und in 41 Fällen wurden sie durch militärische Gewalt vertrieben. In 90 anderen Ortschaften waren die Palästinenser in einem Panikzustand, der auf den Fall der benachbarten Stadt oder des Dorfes erfolgte, oder aus Furcht vor einer feindlichen Attacke, oder wegen Gerüchten, die von der jüdischen Armee verbreitet wurden – besonders nach dem Massaker von 250 Einwohnern von Deir Yassin am 9. April 1948, wo die Nachrichten von den Tötungen wie ein Buschfeuer durch das Land fegten. Zum Gegensatz fand er nur sechs Fälle der Abwanderung auf die Veranlassung der örtlichen arabischen Autoritäten hin.

Doch sicherlich muss Meyerhoff wissen, dass Morris eine zweite Auflage seines bahnbrechenden Buches produziert hat und es The Birth of the Palestinian Refugee Problem Revisited[Die Entstehung des palästinensischen Flüchtlingsproblems neu besucht] genannt hat? Um fair zu sein, muss Meyerhoff gewiss die gegenwärtige Position von Morris zitieren?

Um das Buch zu publizieren, machte Morris 2004 eine Anzahl von Interviews, in welchen er einige seiner früheren Ansichten modifizierte. Ich veröffentliche diese Auszüge, um zu zeigen, dass Israels Geschichte bitter umstritten ist und dass beide Seiten des Revisionismus und der Propaganda geziehen werden können. Ich veröffentliche diese Auszüge ebenfalls, um Meyerhoff bei wenigstens einigen Aspekten der Debatte auf den neuesten Stand zu bringen In einemInterview in Al Haaretz (30/1/2004 )wird Morris zu diesen Fragen befragt (meine Hervorhebungfett gedruckt)

Ben-Gurion war ein ,,Transferist[ein Befürworter der ethnischen Säuberung; d.Übs.]?"

BM:Natürlich, Ben-Gurion war ein Transferist. Er verstand, dass es keinen jüdischen Staat geben könnte mit einer großen und feindlichen arabischen Minderheit in seiner Mitte. Einen solchen Staat würde es nicht geben. Er würde nicht existieren können.
AS: Ich höre nicht, dass Sie ihn verurteilen.
BM: Ben-Gurion hatte Recht. Wenn er nicht getan hätte, was er getan hat, hätte ein Staat gar nicht entstehen können. Das muss klar sein. Es ist unmöglich, das zu umgehen. Ohne die Entwurzelung der Palästinenser hätte hier ein jüdischer Staat nicht entstehen können.

Jetzt bin ich nicht dabei zu sagen, dass Ben Gurion Recht hatte. Anderswo in dem Interview sagt Morris, dass Vergewaltigungen und Grausamkeiten tatsächlich geschehen sind, doch er fährt fort zu sagen.

Das revidierte Buch ist ein zweischneidiges Schwert. Es basiert auf vielen Dokumenten, die mir nicht verfügbar waren, als ich das originale Buch schrieb, die meisten aus den Archiven der Israelischen Verteidigungskräfte [IDF]. Das Material zeigt, dass es weit mehr israelische Massaker gab, als ich früher gedacht hatte. Zu meinem Erstaunen gab es ebenfalls viele Fälle von Vergewaltigung. In den Monaten April bis Mai 1948 wurden den Einheiten der Haganah [die vorstaatliche Verteidigungsarmee, die der Vorläufer der IDF war] Einsatzbefehle gegeben, die ausdrücklich aussagten, dass sie die Dorfbewohner entwurzeln, sie vertreiben und die Dörfer selbst zerstören sollten.
Zur gleichen Zeit stellte sich heraus, dass es eine Reihe von Befehlen gab, die von dem arabischen Höheren Kommitee und von den palästinensischen Zwischenebenen herausgegeben wurden, dass Kinder, Frauen und Alte aus den Dörfern entfernt werden sollten. Dass dadurch einerseits das Buch die Anschuldigung gegen die zionistische Seite bestärktdoch andererseits beweist es ebenfalls, dass viele von ihnen, die ihre Dörfer verließen, das mit der Ermunterung durch die palästinensische Führerschaft selbst taten.

Das ist genau mein originales Argument und das anscheinend Meyerhoffs Zitat widerspricht, das aussagt, dass Morris behauptete, dass es nur sechs Abwanderungen zu Händen der palästinensischen Autoritäten gab – dennoch sagt Morris jetzt, dass ,viele' wegzogen.

Mit Bezug auf die aktuellen Geschehnisse von 1948 fährt er fort zu sagen:

Man muss die Dinge in die Proportion bringen. Das sind kleine Kriegsverbrechen. Wenn wir alle Massaker und alle Exekutionen von 1948 zusammen nehmenkommen wir auf etwa 800, die getötet wurden. Im Vergleich zu den Massakern, die in Bosnien begangen wurden, sind das kleine Fische. Im Vergleich zu den Massakern, die die Russen gegen die Deutschen in Stalingrad begingen, sind das Lappalien. Wenn man in Rechnung stellt, dass es hier einen blutigen Bürgerkrieg gab und dass wir ein ganzes Prozent unserer Bevölkerung verloren haben, kann man meinen, wir verhielten uns sehr gut.

Als einen historischen Kontrast sollte der Leser ebenfalls die Periode studieren wollen, die als Schwarzer September bekannt ist, als palästinensische Militante, die Fedayin[arabische Freischärler; d.Übs.] genannt wurden, mit dem Angriff auf Jordanier begannen. Beim letzten Durchgreifen wurde geschätzt, dass Zehntausende starben, viele Zivilisten (siehe Wikipedias allgemeinen Umriss). Man würde ebenso das Massaker bei Hama bedenken wollen, wo die syrische Armee 1982 erbarmungslos eine Rebellion von Mitgliedern der Muslimischen Bruderschaft niederschlug (mit Hamas verbunden), in der das Meiste der Altstadt zerstört wurde und gemäß dem syrischen Menschenrechts-Komitee zwischen 30.000 und 40.000 getötet wurden – nur für die Perspektive.

In Hinsicht auf Arafat und die PLO hatte Morris folgendes zu sagen:

Er wollte uns nach Europa zurückschicken, auf das Meer, woher wir gekommen waren. Er sieht uns wahrhaft als einen Kreuzfahrer-Staat an und denkt an den Präzedenzfall der Kreuzfahrer und wünscht uns das Ende der Kreuzfahrer. Ich bin mich sicher, dass der israelische Geheimdienst unzweideutige Beweise dafür hat, dass Arafat bei internen Gesprächen ernsthaft über den stufenweisen Plan gesprochen hat [der Israel in Stufen eliminieren würde]. Doch das Problem ist nicht bloß Arafat. Die gesamte palästinensische Elite ist geneigt, uns als Kreuzfahrer anzusehen und wird von dem stufenweisen Plan angetrieben. Deshalb sind die Palästinenser nicht ehrlich bereit, auf das Rückkehrrecht zu verzichten. Sie bewahren es als ein Instrument auf, mit dem sie den jüdischen Staat zerstören werden, wenn die Zeit gekommen ist.Sie können die Existenz eine jüdischen Staates nicht tolerieren – nicht bei 80 Prozent des Landes und nicht bei 30 Prozent. Nach ihrem Standpunkt muss der palästinensische Staat das gesamte Land von Israel umfassen..

In The Atlantic, 25 März 2004 sagt Benny Morris aus:

Ich mag wohl bei einer kleinen Sache falsch verstanden worden sein – die nicht so klein sein mag – und das ist genau die Frage nach Israels Existenz. Ich vermutete in den 1980ern, dass der Kampf für die Existenz Israels beendet worden ist, in dem Sinn, dass Israel nicht zerstört werden wird und dass der Propaganda-Aspekt von seiner Schlacht um die Existenz randständig bleiben würde. In den letzten paar Jahren scheint es aber, dass dieser Propaganda-Aspekt wichtiger ist, als ich vorausgesehen hatte. Was ich in den 1980ern enthüllte, könnte offen gestanden von den Feinden Israels genutzt werden. Ich hatte diese Welle des anti.israelischen Gefühls nicht vorausgesehen, nicht nur in der arabischen Welt, sondern ebenfalls im Rest der Welt.
Und die Araber pflegen zu sagen, dass das nicht wahr sei, dass die Zionisten in den Krieg gingen mit einer Gesamtplanung, um alle Araber zu vertreiben. Als Beweis dafür deuten sie auf die Diskussion über Transfer und einen Konsens während der 1930er und 1940er hin. Nun, in der ersten Ausgabe gab ich dem Thema nicht genügend Raum oder genügend Wichtigkeit. Ich bemerkte, dass zionistische Führer dieses Thema in den 1930ern und den 1940ern gelegentlich diskutierten vor dem Hintergrund der Verfolgung der Juden in Europa und vor dem Hintergrund des Holocaust, als es einen treibenden Zwang für die Juden gab, einen sicheren Hafen in Palästina zu finden. Die Araber wollten nicht, dass die Juden herkamen, deshalb bevölkerten sie das LandDeshalb würden sie auf irgendeine Weise verdrängt werden müssen, wenn Platz für die jene Juden der zionistischen Bewegung vorhanden sein musste, die aus Europa gerettet werden mussten. Wir sprechen von Millionen von Menschen. Daher sieht man, dass es diese Diskussionen gab und dass es Unterstützung für die Idee des Trasfers gab.Was sich aber aus dem weiteren Lesen ergab, das ich während der wenigen letzten Jahre unternahm, bevor ich diese neue Version des Buches herausbrachte, ist dass das lockere Gerede, die gelegentlichen Diskussionen über das Thema niemals auf etwas Konkretes hinausliefen.

Jetzt möchte ich die Aufmerksamkeit des Lesers auf einen vielsagenden Satz lenken - ,Die Araber wollten nicht, dass die Juden herkamen, deshalb haben sie das Land bevölkert.' Diese Äußerung verdient natürlich nähere Untersuchung, doch Morris scheint zu sagen, dass die Araber versuchten, die Juden am Bevölkern zu hindern durch arabische Einwanderung, um die jüdische Einwanderung zurückzuweisen – füllt das Land, bevor sie es tun! Ist das richtig?

Weiterhin imThe Atlantic Interview wird Morris über seine Zukunftsvision befragt.

Ich denke, ich bin grundsätzlich deprimiert. Ich meine, dass wir über die kommenden Jahrzehnte einem andauernden Streit entgegen sehen, wenn es nicht einen grundsätzlichen Wechsel der Herzen und des Geistes – einen Wechsel der Mentalität – über Israel gibt unter den Palästinensern und in der arabischen Welt im allgemeinen. Grundsätzlich wird hier ein Kompromiss benötigt, der auf zwei Staaten basiert und das erfordert in der Tat die arabische Anerkennung von Israels Rechtmäßigkeit.Aber solange es eine Ansicht von Israel als einem Krebsherd im Nahen Osten gibt – der wie der Schandpfahl der Kreuzfahrer entwurzelt werden muss und wird – wird es hier keinen Kompromiss geben.Es spielt keine Rolle, welches Vertragswerk unterzeichnet wird oder welcher zeitweiliger Waffenstillstand sich ereignet. Auf die lange geschichtliche Sicht ist das bedeutungslos. Solange Israels Rechtmäßigkeit umstritten ist, ist Israels Existenz nicht gesichert.

Hier drückt Morris aus, das Problem die arabische Unnachgiebigkeit ist, nicht die israelische.

Ich nehme an, Meyerhoff zitiert Morris, weil er eine gefeierter Neuer Historiker ist und weil er seine Gelehrsamkeit respektiert. Ich frage mich, was er wohl mit einigen von Morris neueren Ansichten macht? Nun bin ich sicher, dass es eine Antwort von Finkelstein und Chomsky gegeben hat, doch das wird nur meine originale Behauptung beweisen, dass die israelische Geschichte bitter umstritten ist. Nun werde ich nicht sagen, dass das das letzte Wort ist, weil die Debatte noch weitergeht, aber als integrale Denker müssen wir oft komplexe, widersprechende und wechselnde Ansichten ,integrieren'.

Und auf eine letzte Bemerkung: Meyerhoff zitiert Simha Flapan – Flapan starb 1987. Ich habe mehrere Referenzen auf die Tatsache gelesen, dass Benny Morris sich stark auf Flapans Forschung bezog. Sollte ich vermuten, dass sich die Debatte nach vorn bewegt hat?

Ray Harris, March 2007