INTEGRAL WORLD: EXPLORING THEORIES OF EVERYTHING
Ein Forum für eine kritische Diskussion über die integrale Philosophie von Ken Wilber



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Jeff MeyerhoffJeff Meyerhoff ist ein unabhängiger Gelehrter, der Philosophie, Politik, Mystizismus und Psychologie studiert. Er benützt Achtsamkeit und Psychoanalyse zur Selbstentwicklung. Er arbeitet als Sozialarbeiter mit Geistigbehinderten, sucht jedoch nach neuen Möglichkeiten einer Karriere. Er ist der Autor von Unverhüllter Ehrgeiz: Eine Kritik von Ken Wilbers Theorie von Allem, veröffentlicht bei Integral World. Sein Weblog kann gefunden werden bei philosophyautobiography.blogspot.com. Email at [email protected].


INHALTSVERZEICHNIS

Ein unterschiedlicher Weg

Unverhüllter Ehrgeiz: Kapitel 9

Jeff Meyerhoff

Einführung

Meine Kritik an Ken Wilbers Projekt demonstriert die kontinuierlich gegensätzliche Beschaffenheit der intellektuellen Debatte. In Kapitel nach Kapitel zeige ich die legitimen alternativen Perspektiven und Argumente gegen das auf, was Wilber als die ,,einfachen aber handfesten" Wahrheiten des Hochschulbetriebs präsentiert. Sogar die Naturwissenschaften - die für den königlichen Weg zur Wirklichkeit angesehen werden - können jetzt seit Thomas Kuhn und Paul Feyerabend als eine unter vielen Weltanschauungen angesehen werden. Diesem zu widersprechen, ist eine Fehlinterpretation von Kuhn und dass Feyerabend zu weit geht, wird Teil einer laufenden Debatte in der Wissenschafts-Philosophie, der Epistemologie und den Wissenschafts-Studien sein.

Wilber setzt sich für einen falschen Konsens in den Wissenschaften ein. Als Kontrast zeige ich die tiefen Differenzen bei den Perspektiven in vielen Studiengebieten auf wie etwa Kulturpsychologie, Poststrukturalismus, Mystik und Soziologie, die ausgeschlossen oder tendenziös interpretiert werden, um ein falsches Einbezogensein zu schaffen, das die radikal perspektivische Beschaffenheit des Wissens verschleiert.

Wilber glaubt, dass ein Charakteristikum der Postmoderne die Verbreitung von multiplen und sich widersprechenden Perspektiven auf der Welt ist. Wenn man diesen postmodernen Perspektivismus zu weit trägt, führt das zu einem verderblichen, sich selbst widersprechenden Relativismus, weil keine Perspektive endgültige Autorität beanspruchen kann. Das Ergebnis ist eine Unfähigkeit, Perspektiven gemäß ihrer Validität einzustufen. Es ist die Schattenseite des ,,Kontextualismus", den Wilber als einen der wichtigsten Beiträge des postmodernen Denkens ansieht.

Seine Lösung ist eine integrale Transzendenz und Einschließung dieser anscheinend unversöhnlichen Vielfalt an Perspektiven. Wilbers behauptete Transzendenz und Einbeziehung von Perspektiven wird erreicht durch die Inanspruchnahme einer Vernunft übersteigenden Art des Denkens und die wird Visionslogik genannt. Visionslogik ist eine weitere kognitive Stufe jenseits der Vernunft - im Hochschulbetrieb wird sie die postformale Stufe genannt - , in der die Begrenzungen der postmodernen Vernunft durch eine neue Art des Denkens/Seins transzendiert werden. Die Visionslogik erfordert einen experimentellen Vorschub, sie ist jedoch nicht bloß eine mystische Transzendenz des Denkens, weil ihr Produkt am herausragendsten diskursiv ist; Wilbers System soll ein Beispiel sein.

Ein entscheidender Unterschied zwischen Wilbers Position und meiner ist, dass ich nicht glaube, dass die Visionslogik eine neue Art der Erkenntnis ist. Wilber beschreibt historische Entwicklungswechsel in Arten des Wissens von mythischem Glauben bis zu moderner Rationalität bis zu postmoderner Visionslogik. Während ich zustimme, dass es fundamentale Differenzen zwischen Glauben und Vernunft als Arten des Wissens gibt, stimme ich dem nicht zu, dass es eine fundamentale Differenz zwischen Rationalität und Visionslogik gibt. [1] Wie in Kapitel 3 beschrieben, weil es kein neues Kriterium zur Beurteilung der Validität gibt zwischen Vernunft und Visionslogik, gibt es keine fundamentale Differenz in dem Wissen, das sie hervorbringen. Zu sagen, dass es keinen Unterschied gibt in der Art des Wissens, heißt nicht, dass es keinen Unterschied gibt in dem Inhalt des Wissens zwischen Rationalität, wie sie hier durchdacht wird, und der Visionslogik. Visionslogik beschreibt ein Denken, das versucht, diverse Felder des Wissens in zusammenhängenden Systemen künstlich herzustellen, die Bewertung dieser Systeme wird jedoch immer noch auf die übliche, rationale Weise verrichtet.

Ich biete eine unterschiedliche Annäherung an die postmoderne Vielfalt an Perspektiven an. Anstatt zu versuchen, wie es viele Male durch die intellektuelle Historie versucht worden ist, alles Wissen zusammenhängend zu machen, sollten wir die endgültige Unvereinbarkeit diverser Perspektiven akzeptieren und ihre Beschaffenheit genau untersuchen. Ich beschreibe eine neue Ära der Untersuchung und Forschungsmethode, die die postmoderne Re-Interpretation des konstruierten Charakters des Wissens in Anspruch nimmt, um aufzuzeigen, wie das Anerkennen der Grenzen der Vernunft eine Tür öffnet zu einem weiteren Typ der Forschung jenseits der Vernunft. Diese Forschung zwingt die Vernunft, ihre unterdrückte Schattenseite zu integrieren, im Gegensatz zu der sie sich konstituiert. Ich werde diesen Typ der Forschung rechtfertigen und Illustrationen von ihm beschaffen. Wir werden sehen, dass er sowohl ein neuer Modus des Wissenserwerbs wie auch der Selbstentwicklung ist, ähnlich in dieser Art dem Buddhismus und den antiken westlichen philosophischen Praktiken des Selbst. Die Validität dieser Annäherung wird ergänzt durch neuere Arbeit in der Kognitionswissenschaft und der psychologischen Forschung, die die bedeutende Rolle aufzeigen, welche Emotionen und das unbewusste Spiel bei Wahrnehmung, Glauben und Schaffung von Wissen spielen.

Hintergrund

Das dominante Erscheinungsbild der nach-aufklärerischen Vernunft wurde konstruiert durch den Ausschluss von Aspekten der Psyche, die als unvernünftige Behinderungen der Vernunft angesehen wurden. Emotionen, Leidenschaften, Verlangen, Subjektivität, persönliche Vorurteile standen alle dafür, was Vernunft nicht ist und was sie zu vermeiden sucht, um ihre Ideale von Objektivität, Universalität, Wahrheit, Wissen und Gewissheit zu verwirklichen. Von den Anwendern der Vernunft erwartet man, dass sie an den Normen der Rationalität festhalten, um unvoreingenommenes Wissen zu gewinnen.

Der dominante gesellschaftliche Charaktertyp des rationalen Menschen hat solche gegenwärtigen Untertypen wie ,,den desinteressierten Richter", ,,den neutralen Reporter" und ,,den unparteiischen Wissenschaftler". Es wird gemeinhin angenommen: Je desinteressierter der Richter ist, desto fairer ist seine Entscheidung; je neutraler der Reporter ist, desto glaubwürdiger ist seine Geschichte; und je unparteiischer und objektiver der Wissenschaftler ist, desto näher werden seine oder ihre Forschungsergebnisse an der Wirklichkeit sein. Diese Charaktertypen spielen vermutlich ein Nullsummen-Spiel: je weniger Subjektivität in ihre Arbeit einfließt, desto mehr Objektiviät kommt heraus. Mehr Objektivität bedeutet eine objektivere Sicht auf die Welt, die anscheinend vorhanden ist: Eine Ansicht von der Welt, wie sie wirklich ist; die Welt, wie sie ist, ob Menschen sie sehen oder auch nicht; die Welt, wie Gott sie sieht; wie die Welt in sich selbst ist, nicht von einer bestimmten Perspektive aus gesehen. Indem wir eine unparteiische und neutrale Rationalität anwenden in Übereinstimmung mit anderen, sollten wir in der Lage sein zu entscheiden, auf welche Weise die Dinge sind und sein sollten. Für den Wissenserwerb in den Natur - und Sozialwissenschaften und der ethischen Entscheidungsfindung im täglichen Leben werden die Emotionen und die Subjektivität im allgemeinen als Quellen der Vorurteile betrachtet.

Das Feld der Philosophie und besonders der anglo-amerikanischen analytischen Philosophie hat die kulturelle Aufgabe, die Methoden und Produkte der Vernunft zu rechtfertigen und zu erläutern. Ihre Fragen forschen in der Beschaffenheit des Wissens und der Moral, indem sie fragen: Was ist Wirklichkeit? Was ist das Gute? Was ist das Richtige, was man tun soll? Was ist Wissen? Wie wissen wir, wenn wir Kenntnis haben? Im Gegensatz zu der kontinentalen Philosophie, der Mystik und dem religiösen Glauben hat die analytische Philosophie versucht, die Naturwissenschaften nachzuahmen wegen ihrem enormen Erfolg in der Vorhersage, Kontrolle und erläuternden Kraft. Während der behandelte Gegenstand der Philosophie nicht gerade die physikalische Welt ist, nimmt sie immer noch die erfolgreichen Methoden der Naturwissenschaft in Anspruch, um metaphysische Probleme zu lösen. Diese Forschungsmethoden erfordern die Einstellung des rationalen Menschen, was bedeutet: Loslösung von Emotion, Besonderheiten und Subjektivität; Strenge bei Argumentation und Logik; Berufung auf Beweise; Gedankenexperimente und Wertneutralität. Man hatte gemeint, dass der großartige Erfolg der Naturwissenschaften wiederholt werden könnte, indem man die naturwissenschaftliche Methode nachahmt.

Allerdings ist etwas Merkwürdiges passiert, als die westlichen Denker die Vernunft eingesetzt haben, um wahres Wissen zu bestimmen. Vernunft-Anwender entdecken, dass sie zu unlösbaren rationalen Nichtübereinstimmungen kommen können und tatsächlich kommen. [2] Wenn allerdings Vernunft-Anwender sowohl eine Forschungsmethode und eine Welt gemeinsam haben, sollten sie dann nicht in der Lage sein, über alle Themen zur Übereinkunft zu kommen, wenigstens im Prinzip? Sollten nicht ihre rationalen Prozeduren und der korrigierende Effekt der Wirklichkeit sie alle zu der einen Wahrheit führen? Populäre Ausdrücke wie ,,versuche, objektiv zu sein", ,,mach das Richtige" und ,,sei vernünftig" verewigen den Eindruck, dass zumindest ideell ein objektives, richtiges Ding gefunden wird, indem man die Vernunft in Anspruch nimmt. Im Hochschulbetrieb und im Alltagsleben gibt es eine weitgehend nicht untersuchte Voraussetzung, dass es einen oder einen einzigen Weg gibt, wie die Dinge sind. Diejenigen, die ,,Recht" haben, kennen ihn oder sind näher an ihm und diejenigen, die Unrecht haben, sind weiter weg von ihm. Wenn diese Voraussetzung jedoch untersucht wird, finden wir, dass sie sehr flüchtig ist; die Vernunft gibt den Geist auf und das Ideal verdunstet. Foucault beschrieb dieses Forschungsziel wachrufend als jene ,,schimmernde Fata Morgana" der Wahrheit.[3]

Das Argument

Wir rechtfertigen unsere Glaubensüberzeugungen, indem wir Begründungen abgeben; wenn es keine Begründungen gibt, gibt es keine Rechtfertigung. Die Stärke oder Schwäche unserer Begründungen bestimmt die Gültigkeit unserer Überzeugungen. Das ist für alle Begründungs-Geber wahr. Allerdings wird üblicherweise festgestellt von den versiertesten Praktikern des Begründens, dass wenn wir versuchen, unsere Überzeugungen durch die Inanspruchnahme der Vernunft zu festigen, wir alle einen Punkt erreichen, wo wir keine Begründungen mehr haben. [4] Wenn es Begründungen sind, die das von uns Geglaubte rechtfertigen, dann wird die Gültigkeit unserer Überzeugungen in Frage gestellt. In diesem Sinn sind alle unsere Überzeugungen gleichermaßen berechtigt.[5] Jeder von uns schwimmt in unserem rationalen Boot auf dem gemeinsamen Meer, indem wir uns vorstellen, dass wir die einzigen sind, die sich fest auf dem Land befinden und die die Unberechenbaren zum Ufer führen. Wenn es nicht die Vernunft ist, welches ist dann das Merkmal unserer Verbindung zu unseren Überzeugungen?

Beim Untersuchen unserer Begründungen dafür, dass wir glauben, was wir glauben jenseits des von uns durchgeführten Begründens, um unsere Überzeugungen zu verteidigen, finden wir den anregenden Kern, der uns motiviert, die grundlegenden Überzeugungen zu haben und die von uns eingebrachten Begründungen einzusetzen. Die von uns gegebenen Begründungen sind nicht die wahren Begründungen, an die wir glauben, weil sie immer letztendlich in einem Kreisschluss, einer Regression oder in Mutmaßungen enden. [6] Weil alle Überzeugungs-Systeme, wenn sie lange genug betrieben werden, in Kreisschlüssen, Regressionen oder Mutmaßungen enden werden, können wir nicht sagen, dass es Begründungen sind, die uns letztendlich veranlassen zu glauben. Es muss etwas Anderes geben, was uns veranlasst, unsere besondere Begründungs-Kette oder unser Überzeugungs-Netz zu übernehmen. Weil in Ausdrücken seiner ultimativen rationalen Gültigkeit unser Überzeugungs-System genauso gut ist wie ein entgegengesetztes Überzeugungs-System, muss es irgendetwas Anderes geben, das uns veranlasst auszuwählen und was uns an unserem besonderen Überzeugungs-System festhalten lässt. Was für uns charakteristisch ist, ist nicht nur die Kombination von Überzeugungen, die wir zusammengewebt haben – weil das jeder mit größerer oder geringerer Originalität macht – sondern weshalb wir an diesem eher als an jenem Überzeugungs-System anhaften. In unseren rationalen Diskussionen gibt es eine Weise, in der wir den Punkt verpassen, weil es nicht die von uns eingesetzten Begründungen sind, die uns veranlassen zu glauben. Wenn wir versuchen, eine andere Person zu überzeugen oder unsere eigenen Überzeugungen in Frage stellen, sollten wir wegen der größeren Wirksamkeit zur Quelle unserer Überzeugung gehen, die das emotionale und psychische Bedürfnis ist, die Welt auf die Weise zu sehen, wie wir oder sie glauben, wie sie ist.

Die emotionale Substruktur von Überzeugungen

Die Struktur von Überzeungen hat zwei Ebenen. Die obere Ebene hat die große Anzahl von Überzeugungen, die wir in mehr oder weniger bewussten und zusammenhängenden Gruppen festhalten, die durch unseren Verstand fließen oder aktiviert werden, wenn angemessene Inputs aus unseren visuellen, geschriebenen oder auditiven Quellen kommen. Wir nehmen Information und Ideen auf, reagieren auf sie und bewerten sie, entscheiden, was wir denken und vielleicht bestätigen wir unsere Ansicht. All das findet auf der oberen Ebene der Überzeugung statt. Unterhalb dieser oberen Ebene gibt es eine untere Ebene, die enthält die emotionale Substruktur der Überzeugung. Nachdem das Begründen ein Ende gefunden hat, können wir beginnen zu sehen, wie wir an unsere Überzeugungen aus emotionalen und psychologischen Gründen gebunden sind. Diese Bindung offenbart sich routinemäßig selbst, sobald wir aufgeregt werden während angeblich rein intellektueller Diskussionen; sobald wir leicht defensiv werden, wenn geschätzte Überzeugungen hinterfragt werden; sobald wir widersprüchliche Information übersehen; sobald wir den Argumenten des Gegners schwach entgegnen; sobald wir unerwünschte Zweifel behalten im Hinblick auf einen Standpunkt, den wir für gesichert halten; und sobald wir eine unübliche Dringlichkeit verspüren, unseren Standpunkt durchzusetzen.[7] Diese Substruktur der Überzeugung ist das Reich unserer komplizierten psychologischen und emotionalen Bindungen an unsere Überzeugungen. Es ist die vernachlässigte subjektive Seite unseres Überzeugungs-Systems; die Seite, die verleugnet wurde, um den Naturwissenschaftler nachzuahmen und die Fiktion des vernünftigen Menschen aufrecht zu erhalten.

Rationale Unstimmigkeiten

Das ist nicht ein Argument, die Vernunft zu verlassen. Wenn wir genügend grundsätzliche Überzeugungen mit unseren Diskussionspartnern teilen, dann können wir zu vernünftigen Übereinstimmungen kommen. Die meisten unserer Diskussionen erfordern nicht das Aufdecken unserer Grundebenen der Überzeugung und können im Reich der Vernunft geführt werden. Tatsächlich haben die meisten von mir geführten Diskussionen nicht genügend Vernunft, wenn Personen routinemäßig Kommentare außerhalb des Themas, schlechte Analogien geben, die Positionen ihrer Gegner missverstehen und Beweise vermeiden, die ihren Ansichten widersprechen. Solange wir nicht fundamentale rationale Annahmen - ,,rationale Intuitionen'' – in unseren Debatten erreicht haben, ist es nur noch notwendig, die Regeln der Vernunft gut anzuwenden.

Sobald wir fundamentale rationale Annahmen erreicht haben, verschafft diese Annäherung einen Weg, die Debatte über die Unstimmigkeiten hinaus weiterzuführen. Der Zweck der rationalen Argumentation ist die Bestimmung dessen, was wahr ist oder gut. Wenn Personen debattieren, ist es das Ziel, eine Übereinstimmung zu erreichen; wenn sie zu einer Übereinstimmung kommen, haben sie es geschafft. Das geschieht oft nicht. Wenn die Debatte in Unstimmigkeit endet, was sollen die Debattanten dann tun? Sie müssen übereinstimmen, dass sie nicht übereinstimmen. Ich schlage jetzt mal vor, dass es mehr gibt, was man tun kann. Intellektuelle Sackgassen könnten verschoben werden, oder wenn sie nicht verschoben werden, dann können sie wenigstens sichtbar gemacht werden. Deshalb verstehen Diskutierende oft nicht, welche die wirklichen Unterschiede zwischen ihren Ansichten sind. Prinzipiell könnte das gemeinsam mit den beiden Diskutanten erledigt werden, indem man die Grundlagen ihrer Überzeugungen untersucht. In der Praxis pflegt es schwierig zu sein für zwei bei ihren fundamentalen Themen nicht übereinstimmenden Personen, die Grundlagen ihrer Überzeugungen offenzulegen, ohne dass sie befürchten müssen, dass ihr Gegner einen Vorteil aus ihren Aufdeckungen ziehen wird, aber zwei außergewöhnlich bewusste Menschen könnten das tun.

Glücklicherweise sind zwei Personen nicht notwendig. Eine Person mit der kultivierten Fähigkeit, die emotionale Substruktur der Überzeugung aufmerksam zu betrachten, kann etwas Einsicht in und Freiheit von die/den kontrollierenden und ermöglichenden Aspekte der arationalen [etwas völlig Anderes als Vernunft und Verstand; d.Übs.] Welt gewinnen, mit der die Vernunft umrankt ist. Die folgenden Beispiele werden diesen Prozess illustrieren.

Die Realität der Schwierigkeit von zwei Personen, die in diesem Typ der Untersuchung verwickelt sind, offenbart die ODER-Verknüpfung zwischen dem Ideal der vernünftigen Argumentation und ihrer Wirklichkeit. Im Idealfall haben rationale Forscher das gleiche Ziel und sind auf derselben Seite, weil vernünftige Argumentation sie vermutlich zu der einen richtigen Antwort bringen wird, die wir alle teilen. Jedoch so oft handeln die Diskutierenden in rationalen Debatten wie Feinde anstatt wie Verbündete in einem gemeinsamen Projekt. Ich meine, dass das etwas mit der Falschheit der rationalen Mutmaßung zu tun hat, dass wir die eine wahre Welt gerade durch unsere rationalen Diskussionen bekommen können. Während unsere Forschungsmethode ähnlich sein mag in ihrer Inanspruchnahme der Vernunftnormen, können die liebgewonnenen arationalen Ansichten diametral entgegengesetzt sein oder scheinen es zu sein.

Deshalb kommt die von mir befürwortete Praxis sogar nicht einmal ins Spiel, es sei denn dass die Diskutanten in ihren rationalen Diskussionen eine ausweglose Situation erreicht haben. Wenn zwei Personen ihre rationale Nichtübereinstimmung beilegen können, indem sie die Vernunft in Anspruch nehmen, welche andere Methode wird dann noch notwendig sein? Was ich hier vorschlage, kann nur angewendet werden, wenn ein rationaler Stillstand geschieht als ein Weg, die Überzeugungen weiterhin zu untersuchen.

Den Punkt der Nicht-Entscheidbarkeit erreichen

Sobald ein wahrer Stillstand erreicht wird, haben die Diskutanten den Punkt der Nicht-Entscheidbarkeit erreicht. Das geschieht, sobald die Diskussions-Teilnehmer ihre fundamentalen Mutmaßungen erreicht haben. Oft können mehr Begründungen nachgeschoben werden, doch diese stellen sich als zirkulär heraus und nicht als Hilfe beim Schaffen einer rationalen Rechtfertigung für eine Überzeugung. Zum Beispiel könnten die Diskutanten beim Debattieren der Verdienste des Kapitalismus einen Punkt erreichen, wann eine Person sagt: ,,Ich glaube nur, dass Menschen grundsätzlich selbstsüchtig sind.'' Und die andere Person könnte sagen: ,,Ich meine, die menschliche Natur ist formbar.'' Oder in einer Debatte über Abtreibung glaubt eine Person, dass ,,die Rechte des ungeborenen Kindes die Rechte der Mutter übertrumpfen'', während die andere Person glaubt, dass ,,die Rechte der Mutter, ihren Körper zu kontrollieren, übertrumpfen die Rechte des Fötus.'' Der Unterschied bei diesen Positionen kann keinen vernünftig zugesprochenen Terminus erreichen.

Ein weiteres Beispiel für das Erreichen des Punktes der Nicht-Entscheidbarkeit wird von Richard Rorty beschrieben in seinem Essay ,,Daniel Dennett über Wesenhaftigkeit''. Rorty kommt zu dem springenden Punkt der Nichtübereinstimmung zwischen Dennett und dem Philosophen Thomas Nagel. Die Frage für Dennett in Bewusstsein erklärt ist, wie die subjektive Erfahrung des menschlichen Bewusstseins – das kartesianische Theater – mit unseren Gehirnen verbunden ist; oder: was ist die Beziehung zwischen einem anscheinend immateriellen Geist und der materiellen Substanz des Gehirns? Dennett erklärt – oder vielleicht erklärt er sie weg – unsere subjektive Erfahrung des Bewusstseins, indem er sein quasi-wissenschaftliches Modell der multiplen Konzepte in Anspruch nimmt, das beschreibt, wie das materielle Gehirn die anscheinend immateriellen Wirkungen des Bewusstseins produziert. Unsere subjektive Erfahrung ist nicht so rein vorhanden, wie wir zu denken belieben. Für Nagel ist subjektive Erfahrung eine augenscheinliche Wirklichkeit, die umgehend vorhanden ist; was könnte offensichtlicher sein? Eine Erklärung wie die von Dennett, die erklärt, weshalb sie vorhanden zu sein scheint, erklärt sie überhaupt nicht; für Nagel ist das die Vermeidung eines Problems. Wie Rorty schreibt: ,,In der Tiefe der Nichtübereinstimmung, die diese beiden Philosophen trennt, sind die Trümpfe der beiden aufgedeckt [d.h. sie können nicht weiter gehen].'' [8] Daher erhebt sich eine Frage: wenn die Vernunft für jeden Denker einen Endpunkt erreicht hat, weshalb erhält Dennett seine Ansicht vom Subjekt und Nagel seine widersprechende Ansicht aufrecht? Weshalb ist es nicht andersherum? Was veranlasst jeden Denker, an seiner Ansicht festzuhalten?

Die psychologische Analyse von Überzeugungen

Das Nachforschen in dieser Substruktur der Überzeugung kann ebenso einfach sein wie das Entdecken oder Anerkennen der Emotion hinter einer Überzeugung oder so komplex wie das Entwickeln eines Porträts der psychologischen Arbeit, die ein gewisser Komplex von Überzeugungen verrichtet, um unsere psychische Ökonomie aufrechtzuerhalten.

Eine psychologische Analyse der Überzeugung kann eine Selbst-Analyse sein oder die Analyse eines Anderen. Robert Stolorow und George Atwood unternehmen die letzte Art der Analyse in ihrem Gesichter in einer Wolke: Subjektivität in der Persönlichkeits-Theorie.[9] Dort interpretieren sie die Theorien von Freud, Jung, Reich und Rank in Bezug auf ihre Psycho-Biografien. Im nächsten Kapitel interpretiere ich Ken Wilbers integrale Theorie hinsichtlich seiner Substruktur der Überzeugung. Hier werde ich ein Thema in Anspruch nehmen,das näherliegt, um einige Illustrationen einer Psychologie der Überzeugung anzubieten.

Innerhalb meiner selbst ist eine unbehagliche Mischung aus einer dominanten Chomsky'schen-marxistischen, sozialistischen, polit-ökonomischen Weltsicht und einem unterirdischen und nicht integrierten (Ayn) Rand'schem Libertarismus. [Avram Noam Chomsky, * 1928, Professor für Linguistik und Philosophie jüdischer Herkunft, linker anarchistischer Kritiker der amerikanischen und israelischen Außenpolitik. - Ayn Rand, 1905-1982, einflussreiche amerikanische politische Philosophin jüdisch-russischer Herkunft; d. Übs.] Der Sozialismus hat einen Anteil an ihren psychischen Ursprüngen in einer unfairen familiären Struktur, die den zugehörigen Anteil an Aufmerksamkeit unfair zuteilte. Ich befand mich in einem aufgetakelten Wettbewerb mit einem älteren Bruder, in dem ich nicht die Güter bekam. Mein älterer Bruder war schon in jungem Alter intellektuell brilliant, und Intellekt war etwas, was meine Eltern hoch einschätzten. Ich fand mich schnell mit einem Status der zweiten Klasse ab und entwickelte eine Verteidigung der Vergötterung und trompetete seine Heldentaten als ein Ersatz für meine eigenen. Ich gewann narzisstische Befriedigung nur stellvertretend. Die daraus entstehende unbewusste Frustration und der Zorn veranlassten mich, unbarmherzig kritisch gegenüber jedem momentanen Zustand zu sein. Das sozialistische Ideal einer nicht wettstreitenden, fairen Verteilung von Gütern handelt im Erwachsenenalter als ein politisches Korrektiv zu einem persönlichen Bedürfnis, ebenso als ein Standard, durch den die gegenwärtige wettstreitende polit-ökonomische Realität gemessen wird, die niemals an ein Ideal des Nicht-Wettbewerbs herankommen wird. [10] Marxens leidenschaftliches Schreiben gegen den kapitalistischen Wettbewerb bietet ein inspirierendes soziales und ökonomisches Ideal an und auf einer anderen Ebene eine symbolische Erleichterung bei einem Geschwister-Wettstreit, den zu verlieren ich mich abgefunden hatte. Ich muss andauernd in der Fantasie ,,gewinnen'', was ich tatsächlich in der Realität verlor.

Diese gleiche Situation produzierte eine polit-ökonomische Schattenvision. Der Mangel an familiären Belohnungen verursachte Enttäuschung und Rückzug. Eine falsche Autarkie wurde geschaffen, weil man sich nicht auf Bezugspersonen verlassen konnte und eine gesunde Abhängigkeit wurde als Gefahr angesehen. Diese falsche Autarkie hält sich selbst für eine gesunde Autonomie. Das Bedürfnis, niemanden zu brauchen und ,,dass ich mich selbst am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehe'', legte den Grundstein für einen anti-sozialistischen, mitleidslosen Libertarismus, der glaubt, dass ,,jeder Mensch für sich selbst da ist.''

Man bemerke, dass die libertarische Schatten-Weltanschauung negativ beschrieben wird als ein pathologisches Ergebnis. Es pflegt nicht auf diese Weise beschrieben zu werden, was bezeugt wird von denjenigen, die derartige Ansichten als ihr dominantes Überzeugungs-System aufrecht erhalten. Deshalb würde eine weitere Untersuchung hier sein, wie eine polit-ökonomische Vision an Überlegenheit gewinnt und die Weisen, auf welche die dominante Vision die Oberhand gewinnt durch eine gehässige Charakterisierung der untergeordneten Weltsicht. Die Spekulation empfiehlt sich selbst: wie würde es empirisch aussehen, tatsächlich jenes Schattenselbst zu sein?

Diese beiden polit-ökonomischen Perspektiven konnten in einen libertären Sozialismus integriert werden, den Chomsky beschrieben hat. Und sie sind integriert, in einem kleinen Maß, auf der Ebene von politischen Idealen und sobald Meinungen gebildet werden über gegenwärtige politische Ereignisse. Auf einer tieferen Ebene verbleiben sie jedoch weitgehend ungeprüft. Die emotionale Substruktur der Überzeugung regt die politischen Überzeugungen an und hält sie innerhalb gewisser Grenzen. Die politischen Ansichten können auf der intellektuellen Ebene verfeinert und ausgeweitet werden durch die üblichen Mittel des Lesens, der Diskussion und der politischen Aktion. Eine zusätzliche Methode ist jedoch, das psychische Terrain zu erforschen, aus dem heraus diese Überzeugungen wachsen und von dem sie immer noch abhängig sind. Solange das nicht erledigt ist, werden diese Überzeugungen wiederholend die psychische Arbeit tun müssen, die primären Bedürfnisse zu befriedigen in niemals ganz zufriedenstellenden zweitrangigen Weisen; die niemals erfüllte Sysiphus-Aufgabe des Wiederholungszwanges. Die Untersuchung des gemiedenen Randianismus mag neue Energien freisetzen und eine neue politische Integration schaffen, oder sie mag bloß eine tiefere, sympathischere Wertschätzung des Charakters einer wesensfremden Ansicht zulassen. Es gibt keine Garantie, dass eine Integration der anderen herauskommen mag.

Eine unterschiedliche Anwendung dieser Annäherung geschah in einem Austausch mit Mark Edwards über meine Kritik an Wilbers Arbeit.[11] In seiner Widerlegung meiner Arbeit stellte Edwards den Standpunkt auf, dass Wilbers Methode nicht, wie ich behauptete, die der orientierenden Verallgemeinerung, sondern vom Systemdenken abgeleitet ist. Er beschrieb die Tradition des Systemdenkens und zeigte auf, wie Wilbers Arbeit ihm entspricht. Weil mein Buch um die orientierenden Verallgemeinerungen als Wilbers Methode zentriert ist und er selbst beschreibt sie als seine Methode in seinem gewichtigsten Werk,Sex, Ecology, Spirituality, hatte ich gute Gründe zu glauben, dass Edwards Unrecht hatte. Wilber schreibt wirklich über Systemdenken, ich hätte jedoch argumentieren können – und ich beabsichtigte anfangs gegen Edwards zu argumentieren – dass er das nicht als seine Methode behandelt, stattdessen behandelt er es als ein weiteres Gebiet des Wissens, das er für seine Teilwahrheiten auswählt. Daher sollte ich damit zufrieden sein; Edwards hat Unrecht und ich habe Recht. Doch der Standpunkt fuhr fort, an mir zu nagen, obschon er sogar schon entschieden war. Ich versuchte, ihn als irrtümlich abzutun, er wollte jedoch nicht verschwinden. Dann eines Morgens beim Wachwerden, ehe mein Alltagsbewusstsein eine Chance hatte, sich wieder zu sammeln und die Kontrolle darüber übernehmen konnte, wer ich bin, akzeptierte ich einfach die Tatsache, dass obschon ich Recht hatte und dass Wilber nicht ausdrücklich sagt, dass das Systemdenken die von ihm benützte Methode ist, hat Edwards ebenso Recht und es ist offensichtlich, dass es das ist, was sein ganzes integrales System ist. Allerdings bedeutet das nicht, dass er nicht die orientierenden Verallgemeinerungen in Anspruch nimmt; daher erhebt sich die Frage: wie sind diese beiden Methoden verwandt? Da ich jetzt die Tatsache von Wilbers System-Methodologie akzeptieren konnte, konnte ich diese Frage stellen. Was ich daraus schloss, ist dass sie eine unbehagliche Beziehung haben in Wilbers Theorie mit dem Systemdenken, das die Form beschafft und den orientierenden Verallgemeinerungen, die den Inhalt beschaffen. Was ist aber, wenn der Inhalt nicht zur Form passt, wie ich es in diesem Buch gezeigt habe? Wilbers Lösung ist es, selektiv Inhalt aus den Wissenschaften herauszuziehen und das in einer solchen Weise umzuformen, dass es in das evolutionäre Entwicklungs-System hineinpasst, das er aus Überzeugung für wahr hält. Indem ich eine defensive und emotionale Anhaftung an eine gewisse Ansicht erkannte, war ich in der Lage, mich von dieser Ansicht zu lösen, eine neue Tatsache zu akzeptieren und eine zufriedenstellendere Integration von Ansichten zu schaffen.

Der Kognitionswissenschaftler George Lakoff, ein politischer Liberaler, untersuchte die Wurzeln sowohl von liberalen als auch konservativen Überzeugungen und gewann ein neu entdecktes Verständnis davon, warum Konservative glauben, was sie glauben und warum er als Liberaler glaubt, was er glaubt. Er schreibt:

Täglich musste ich meine liberalen Überzeugungen mit den konservativen Überzeugungen vergleichen und mich selbst fragen, welchen Grund, wenn überhaupt einen, ich hatte, um an meinen Überzeugungen festzuhalten…ich denke, dass ich jetzt bewusst meine alten Instinkte verstehe. Ich kann Dinge benennen, die ich vorher nicht klar ausdrücken konnte, Dinge, die Teil eines unklaren Gefühls waren, was richtig war. [12]

Indem er sich in die Substruktur der Überzeugung hineinversetzte, entwickelte Lakoff eine neue Weise, die Unterschiede bei der Ansicht zwischen Konservativen und Liberalen zu charakterisieren. Das veranlasste ihn, gegenüber konservativen Ansichten sympathischer zu sein, sie wegen ihrer Gefahren mehr zu fürchten und sich seiner liberalen politischen Ansicht sogar mehr verpflichtet zu fühlen.

Und schließlich, und das ist ein Thema, das ich in diesem Buch verfolge und in zwei Entgegnungen an Ken Wilber, gibt es eine Kritik des Developmentalismus in der Psychologie. Ich habe den wertbeladenen Charakter jeder Theorie oder Beschreibung der individuellen Bewusstseins-Entwicklung hervorgehoben. Jene Analysen, wie die von Wilber oder von jedem Anderen, beruhen auf sich selbst ohne irgendeine Notwendigkeit für eine psychologische Analyse der Überzeugung, wie ich es hier vorschlage. Diese Art der Untersuchung innerhalb der Psychologie der Überzeugung sagt nichts über die Gültigkeit der aufrecht erhaltenen Überzeugungen aus. Ihre Gültigkeit hängt ab von ihrer Stimmigkeit, Plausibilität, der Übereinstimmung mit den Beweisen und all den anderen Kriterien von rationalen Wissens-Ansprüchen. Und dennoch beeinflusst dieser Typ der Analyse gleichzeitig die Wahrheit und Objektivität.

Abgesehen demnach von der Rechtmäßigkeit meiner Kritik des Developmentalismus, weshalb befinde ich mich selbst auf jener Seite des Streitfalls? Weshalb bin ich nicht eine Person, die mit Wilber übereinstimmt? Weil mein Konstruktivismus mir nicht erlaubt, eine überlegene scharfsichtige Beziehung zu dem endgültigen Schiedsrichter der Wahrheit – Realität – zu beanspruchen, wie komme ich dazu, die von mir eingenommene Ansicht aufrecht zu erhalten (über die Stärke des Arguments hinaus, die ich dafür aufbringen kann). Ich rückverfolge meine kritische Orientierung gegenüber der Entwicklung bis zu meinem Mangel an Erfolg in der persönlichen Entwicklung. Ich habe mich immer von der Entwicklung enttäuscht gefühlt. Sie schien nicht für mich zu arbeiten. Natürlich habe ich die notwendigen kognitiven Fähigkeiten, um komplizierte intellektuelle Arbeit zu verrichten, ich hoffte jedoch, seitdem ich mir der Praktiken der Selbstentwicklung bewusst wurde, dass ich entwicklungsgemäße Hindernisse freisetzen könnte, um emotional, sozial und spirituell zu wachsen. Aber es ist auf diese Weise nicht geschehen oder ist viel weniger und viel langsamer geschehen, als ich es erwartet hatte. Ich bin ein entmutigter Developmentalist und ich denke, dass ein Teil der Motivation für mein Misstrauen gegenüber dem Developmentalismus aus dieser Enttäuschung stammt. Die Kritikalität handelt als eine defensive geistige Haltung, um sicherzustellen, dass ich ,,nicht wieder hereingelegt werde.'' Dagegen hat Wilber eine große Menge an Erfolg gehabt in seiner intellektuellen und spirituellen Entwicklung und ist vielleicht nicht zufälligerweise ein Verfechter der Entwicklung.

Es gibt zwei irrige Reaktionen auf meine Beschreibung des psychologischen Hintergrundes meiner Kritik der Entwicklung. Die erste begeht einen genetischen Trugschluss und lehnt meine Argumente ab, die dem Developmentalismus kritisch gegenüberstehen, weil sie dafür gehalten werden, dass sie aus persönlicher Frustration mit der Entwicklung stammen. Das ist ein Fehler, weil die Stärke der Argumente nichts zu tun hat mit dem Grund, den ich ausgewählt habe, sie zu machen. Genau so wie nichts in Wilbers Psyche und persönlicher Geschichte irgendetwas damit zu tun hat, ob seine Argumente für seine integrale Theorie gültig sind. Deshalb handelt der Hauptteil in meinem Buch von Argumenten und Beweisen. Dieser erste Fehler pflegt typischerweise von dem Wilber – Loyalisten gemacht zu werden, der meine Argumente vermeiden möchte, um sein oder ihr Anhaften an Wilbers Ansichten zu schützen.

Der zweite Fehler ist zu denken, dass das Aufdecken der psychologischen Ursachen der Überzeugung nichts zu tun habe mit der Festlegung der Wahrheit und der Beschaffung des Wissens. Dieser Fehler pflegt von der Person gemacht zu werden, die meint, dass wegen der genetischen Täuschung die Genesis oder der Ursprung der Überzeugungen einer Person keine Rolle spielt bei der Festlegung von Wahrheit und Wissen. Diese Person glaubt, dass Wahrheit und Wissen Repräsentationen der Realität seien und durch die Anwendung von Rationalität und empirischer Erfahrung festgelegt werden. Während das eine übliche Weise ist, die Dinge zu betrachten, ist diese Begriffsbildung nach Jahrhunderten von versuchter Begründung durch die Philosophie nicht näher daran, gerechtfertigt zu werden und sieht tatsächlich weiter entfernt von der Validierung aus. Diese Person pflegt versucht zu sein, meine Ansichten als einen verderblichen Relativismus abzutun. Allerdings ist der relativistische Buhmann ein merkwürdiges Geschöpf. Universalistische, begründungslogische und absolutistische Philosophen und andere verunglimpfen konstruktivistische und relativistische Beiträge zu Wahrheit und Wissen, die in den letzten vierzig Jahren entstanden sind. Dennoch kommen Ursprung und Legitimation der konstruktivistischen und relativistischen Annäherungen an Wissen und Moralität teilweise von Forschungen und Ergebnissen innerhalb der analytischen Philosophie selbst. Typischerweise pflegen analytische Philosophen, die die relativistische Bedrohung bekämpfen, sich auf Konzepte zu berufen von Wahrheit, Wissen, Rechtfertigung und Normen, die selbst umstrittene Konzepte in ihren eigenen Spezialgebieten sind.

Die Rolle von Wahrheit und Objektivität

Diese Art der Untersuchung in der Psychologie der Überzeugung kann in sich selbst interessant sein, sie wird jedoch üblicherweise für irrelevant für die Wahrheit oder Falschheit der untersuchten Überzeugungen gehalten. Das ist jedoch nicht der Fall. Diese Art der Selbstanalyse bringt Wahrheit und Objektivität zustande.

Sobald diese Art von ad hominem - ,,auf den Menschen" - Analyse in Anspruch genommen wird, um die Validität der Überzeugungen eines Denkers zu untergraben, wird gesagt, dass der Analyst die genetische Täuschung begeht. Die genetische Täuschung besagt, dass der Ursprung der intellektuellen Ansichten einer Person keine Rolle spielt bei der Entscheidung über die Validität jener Ansichten. Die Validität liegt darin, ob die Ansichten gültig sind gemäß den Kriterien der gültigen Wissensanforderungen wie der Übereinstimmung mit den Tatsachen oder der Folgerichtigkeit. Die Analyse des Philosophen John Wisdom der psychologischen Ursprünge von Bischof Berkeleys Idealismus – abgesehen von seiner Stimmigkeit – sagt nichts über die Validität von Berkeleys Philosophie aus. [13] Der Philosoph Ben-Ami Scharfstein schreibt in seiner psychologischen Analyse der Ideen einiger großer Philosophen, dass ,,nichts bei der Wahrheit oder dem Wert einer Idee durch die Umstände ihres Ursprungs beeinflusst wird. Diese Umstände helfen bloß dabei zu erklären, wie die Idee erlangt wurde und was ihre zeitgenössischen Nuancen waren, in sich selbst haben sie jedoch keinen Einfluss auf ihre Wahrheit oder Falschheit.'' [14] Gleichermaßen sagen die Gründe für Wilbers Anhänglichkeit an gewissen Ideen nichts über die Validität jener Ideen aus. Deshalb wird so gesehen meine psychologische Analyse der Begründungen für Wilbers Überzeugungen in dem folgenden Kapitel als eine interessante, allerdings unangemessene Invasion in die Psyche eines Anderen angesehen werden.

Die genetische Täuschung mutmaßt, dass es eine richtige Repräsentation gibt, die einige Überzeugungen machen und dass wir entscheiden können, welche Überzeugungen sich richtig repräsentieren und welche das nicht tun; diese Wirklichkeit beeindruckt einige Menschen, indem sie ihre Überzeugungen wahr macht und geht an anderen vorbei und macht es notwendig, einen anderen Ursprung für ihre missverstandenen Überzeugungen zu finden. Dennoch wird in der Philosophie bereitwillig zugestanden, dass wir keine Theorie der Wahrheit haben oder eine Erkenntnistheorie, die unwiderleglich als wahr bewiesen wurde. [15] Darüber hinaus ist gerade das Projekt der Erklärung unserer Verbindung zu und unser Wissen von der Realität jenseits von uns in ernsthaften Zweifel gebracht worden. Wenn wir dieses historische Versagen, unsere Verbindung zur Realität und den gegenwärtigen Mangel an einer vereinbarten Theorie ernst nehmen, müssen wir zur Zeit schließen, dass es falsch ist, eine imaginierte richtige Relation zur Realität, die einige Überzeugungen wahr macht, zu vergleichen mit einer missverstandenen Relation, die andere Überzeugungen falsch macht. Wir können nicht die Welt außerhalb der Perspektive auf die Welt von irgendeiner Person kennen oder, falls wir sie kennen, können wir nicht wissen, dass es das ist, was wir wissen.

Eine Illustration dessen kommt von dem analytischen Philosophen, dem verstorbenen Nelson Goodman.[16] Goodman benützt das Beispiel von der Sonnenbewegung. Die Aussagen: ,,Die Sonne bewegt sich durch den Himmel'' und ..Die Sonne ist stationär'' sind beide wahr und daher widersprüchlich. Die erste ist leicht zu bewahrheiten durch unsere tägliche Beobachtung, während die zweite ein Grundpfeiler unseres heliozentrischen Verständnisses von unserem Sonnensystem ist. Die kluge Antwort auf diesen Widerspruch , dass sich aus einer Perspektive die Sonne bewegt, sie jedoch aus einer anderen Perspektive stationär ist, scheint die Dinge richtig zu rücken. Dann fragt Goodman jedoch, was die Bewegung der Sonne abgesehen von diesen Perspektiven ist. Was ist ihre Bewegung an und für sich? Da setzt der Verstand aus. Es gibt keine Weise, wie die Sonne ist unabhängig von allen Perspektiven, soweit wir das sagen können. Es gibt nicht eine Weise, wie die Welt ist (oder wir können nicht wissen, was diese eine Weise ist, falls sie existiert), die die Korrektheit von allen wahren Versionen garantiert.

Die vorherrschende Weise des Denkens in Bezug auf rationale Debatten ist, dass die Debattanten die gleiche objektive Welt teilen, die der Garant ist für das Erreichen der Wahrheit. Wenn die Debattanten rationalen Prozeduren der Argumentation in einer unvoreingenommenen Weise folgen, dann sollten sie schließlich zu einer Übereinstimmung kommen über welches Thema sie auch diskutieren, weil alle Teilnehmenden übereinstimmen sollten, dass das vernünftigste Verständnis des Themas die eine Realität am besten repräsentieren wird, die die Teilnehmenden versuchen richtig zu verstehen, indem sie ihre Vernunft in Anspruch nehmen.

Für jene Nicht-Realisten, die glauben, es gebe nicht eine unabhängige Realität, die wir alle teilen, wird ein weiterer neutraler Garant für Korrektheit für unsere Kriterien für valide Wissens-Ansprüche gehalten. Es sollte hoffentlich so sein, dass unsere Kriterien für valide Wissens-Ansprüche, so wie Einfachheit, Plausibilität, Folgerichtigkeit, Festhalten an den Tatsachen und logischer Zusammenhang neutrale Kriterien der Validierung beschaffen könnten, aber auch hier fehlt eine rationale Grundlage für dieses Werte. Hilary Putnam, eine der vordersten analytischen Philosophinnen, argumentiert, dass sogar anscheinend neutrale rationale Kriterien so wie Einfachheit, Plausibilität, Folgerichtigkeit und logischer Zusammenhang selbst wert - epistemische Werte seien – die nicht vernünftig ihren Vorrang als Standards für das Bewerten von Denken begründen können. [17]

Als ein Kontrast zu vernünftigen Weltsichten, die die Kriterien des logischen Zusammenhangs anwenden, können wir an Walt Whitmans poetische Weltsicht denken, die den Widerspruch lobpreist - ,,Widerspreche ich mir selbst?/ Sehr gut widerspreche ich mir dann selbst,/ (Ich bin weitläufig, ich enthalte Mengen.)'' – um die Welt wahrhafter zu erfassen und die in sich selbst eine Kritik der austrocknenden Wirkungen einer rein rationalen Weltsicht enthält. Ein weiteres Beispiel von paradoxer Weisheit geschieht im Tao te Ching, das widersprüchlich von dem spricht, worüber nicht gesprochen werden kann. Hier sind alternative Visionen und Lebensweisen, die die einerationale Auswahl des logischen Zusammenhangs aufdecken, die innerhalb anscheinend neutraler rationaler Kriterien für das Bewerten von Wahrheitsansprüchen steckt.

Der Philosoph Steven Hales hat vor kurzem die Tatsache verwendet, dass rationalistische Denker sich auf ,,rationale Intuitionen'' berufen müssen – Behauptungen, die sich intuitiv oder selbstbeweisend wahr anfühlen – und dass es kein Herumkommen um die Unbegründetheit dieser Intuitionen gibt. Er argumentiert, dass eine rationale Weltsicht, wie sie auf rationalen Intuitionen begründet ist, ihre Überlegenheit über andere Annäherungen nicht demonstrieren kann, wie etwa die beiden von ihm untersuchten: christliche Offenbarung und Stammesüberzeugungen, gewonnen durch die rituelle Einnahme von Halluzinogenen. [18] Wir müssen nicht mit Putnam, Hales und anderen Partei ergreifen, um anzuerkennen, dass die bloße Existenz ihrer stark argumentierten Positionen innerhalb der anglo-amerikanischen philosophischen Debatte einen Mangel an rationalem Konsens in dem Feld vermuten lässt. Diese Situation lässt vermuten, dass klassische Darbietungen von Wahrheit und Objektivität, die wir üblicherweise für gegeben hinnehmen, immer noch radikal bekämpft werden.

Barbara Herrnstein Smith hat eine starke synthetisierende Verteidigung eines breiten Ausmaßes dieser zeitgenössischen gegen-intuitiven intellektuellen Strömungen gegeben, die sie lose unter der BezeichnungKonstruktivismus gruppiert.[19] Sie nennt diese konstruktivistische Gruppierung post-klassische Theorie und stellt sie der mehr traditionellen und immer noch dominantenklassischen Theorie gegenüber. Einiges dieser post-klassischen Theorie enthält die üblichen Verdächtigen aus der postmodernen kontinentalen Philosophie wie etwa Derrida und Foucault und den gegenwärtigen Neo-Pragmatismus von Stanley Fish, Richard Rorty und anderen, die eine genügend zusammenhängende philosophische Begründungslosigkeit beschrieben haben. Aber sie enthält auch noch vieles mehr. Herrnstein Smith bezieht sich auf den Konstruktivismus, der aus der Systemtheorie und der Kybernetik stammt, der mit Heinz von Foerster, Ernst von Glaserfeld und anderen verbunden ist.[20] Es gibt einen Versuch, die Natur/Erziehung-Dichotomie zu umgehen, nicht durch einen Kompromiss zwischen den beiden, sondern durch eine Analyse der multiplen kausalen Komponenten eines inneliegenden zufallsbedingten evolutionären Prozesses. [21] In der Soziologie und Wissenschaftsgeschichte gibt es eine wesentliche Tradition, durch mikro-analytische Fallstudien den konstruierten Charakter naturwissenschaftlichen Wissens zu demonstrieren. [22]

Die so verstandene klassische Theorie macht eine Vision unserer Welt geltend oder nimmt sie als gegeben an, die den meisten als so intuitiv und offensichtlich wahr erscheint, dass sie keinerlei Verteidigung benötigt. Es gibt eine Weise, in der die Welt ist, in und für sich selbst, die wir Menschen versuchen, durch deutliche Repräsentationen zu erkennen. Naturwissenschaft und Vernunft sind die besten Arten, die Welt darzustellen und zu erklären und die verschiedenartigen Ergebnisse der unterschiedlichen naturwissenschaftlichen Disziplinen beschaffen ein wahres Wissen von der Welt oder führen uns stetig in jene Richtung. Die Beschaffenheit der Welt handelt als Korrektiv für irrende Ansichten durch unser empirisches Testen unserer Hypothesen und Reaktionen unserer Ebenbürtigen. Das Ergebnis dieser Art Forschung ist eine gerechtfertigte wahre Überzeugung oder ein Kennen dieser Welt. Weil dies ein Prozess von Versuch und Irrtum ist, gab es und gibt es sicherlich noch viele irrige Überzeugungen; diese Irrtümer sind entdeckt worden und werden rechtzeitig entdeckt werden, sobald der rationale, wissenschaftliche Prozess auf die Ergebnisse unserer Untersuchungen angewendet und unsere Fehler berichtigt werden. Wahres Wissen ist objektives Wissen, weil es die Welt repräsentiert, wie sie in sich selbst ist, sogar wenn es keine Menschen gäbe, die sie wahrnehmen. Diejenigen, deren Ansichten näher am wahren Charakter der Welt sind, denken objektiver. Was könnte offensichtlicher sein?

In vielen Alltagssituationen trifft diese Begriffsbildung unsere Bedürfnisse. In vielen anderen alltäglichen und philosophischen nachdenklichen Situationen ist das nicht der Fall. Wir werden üblicherweise gewarnt (in den USA), nicht Religion oder Politik in höflichen Kreisen zu diskutieren, weil derartige Diskussionen zu leicht zu unversöhnlichem Konflikt anstatt zu vernünftigem Konsens führen können. Ein weiteres übliches Dilemma in unserer Kultur ist, ob die Ursache des abweichenden Verhaltens von Menschen biologisch oder psychologisch ist oder eine Mischung aus den beiden. Die Unterstellung hinter diesem Dilemma ist, dass die Wirklichkeit so ist und nicht anders. Es wird gemutmaßt, dass es die (eine) Weise gibt, wie sie ist, doch das mag nicht der Fall sein. Stattdessen könnten die biologischen und psychologischen Erklärungen als alternative Lebensweisen angesehen werden, zu denen die poetischen, die spirituellen oder die kriegerischen Annäherungen an das abweichende Verhalten und das Leben im allgemeinen hinzugefügt werden; jede mit ihren eigenen Kosten und Nutzen. Und zusätzlich zu dem Rätsel gibt es die gemeinhin geglaubte Überzeugung, dass unsere Biologie oder Gehirnmasse unsere Psychologien produziert, die es schwierig machen zu verstehen, wie unsere Psychologie irgendein Verhalten hervorbringen könnte ohne die Tätigkeiten unserer Biologie.

Sobald dieser klassischen Ansicht durch kritisches Hinterfragen begegnet wird, finden wir philosophisch: dass es nicht eine Weise gibt, auf die die Welt an und für sich ist, oder wenn es sie gibt, können wir nicht wissen, sobald wir sie kennen; dass es soziale, historische, kognitive und psychologische Faktoren gibt bei dem Wissenserwerb; dass es die Sprache ist, die ein besonderes menschliches Wissen zulässt, jedoch nicht ein Fenster ist zu der Welt, wie sie ist; dass die Konzepte von Wahrheit, Wissen, Überzeugung, gut,schlecht, und Objektivität notorisch schwierig zu definieren und zusammenhängend zu machen sind.

Daher werden trotz dieser reflektierenden und empirischen Untersuchung der psychologischen und emotionalen Subjektivität die Ziele von Wahrheit und Objektivität eine wesentliche Rolle in unseren Diskussionen spielen. Sie werden jedoch nicht die üblichen Konzepte der Wahrheit und Objektivität sein als absolute Gegebenheiten oder Ideale. Weil wir fortfahren werden, geteilte Kriterien für die Bewertung ethischer und Wissens-Ansprüche einzusetzen, werden wir weiterhin eine Inanspruchnahme des Begriffes der Objektivität haben. Objektivität innerhalb einer Diskussion wird erlangt durch das Überschneiden der Kriterien der Validierung auf Seiten der Teilnehmenden. Wenn zwei oder mehr Personen Kriterien der Validierung teilen, dann können sie entscheiden, was sie für objektiv wahr halten. Zwei Menschen, die keine Kriterien der Validierung teilen (wenn das sogar möglich wäre), können nicht einmal eine Diskussion führen, weil sie keine gemeinsame objektive Welt teilen würden. Diese Denkweise erlaubt uns, die Weise zu sehen, in der wir unsere Welten gestalten und weshalb Welten oft kollidieren.

Wenn Wahrheit verstanden wird als festgelegt und wieder festgelegt in einer fortlaufenden Weise in der weiten Anzahl von Diskussionen, die jeden Tag sowohl öffentlich als auch privat stattfinden, dann wird eine solche von mir gerade beschriebene Methode, die den Charakter und den Beschluss solcher Diskussionen verändert, ebenfalls das verändern, was für wahr gehalten wird. Auf diese Weise beeinflusst im Gegensatz zu der genetischen Täuschung die Untersuchung der psychologischen Ursachen von Überzeugungen, was als wahr und falsch festgelegt wird.

In dem oben genannten Beispiel, in dem ich meine Erfahrung beim Gegenüberstellen mit Edwards Kritik berichtet habe, führte meine Selbsterforschung zu einem neuen Verständnis und veränderte meine Erwiderung. Das ist natürlich nur ein kleines Ereignis, verändern diese Weisen der Veränderung viele Male multipliziert Diskussionen und daher verändern sie das, was als wahr (und falsch) verstanden wird und was wir Wissen nennen.

Bedeutet das, dass die Wahrheit das ist, was jeder sagt, dass sie es sei? Die Antwort ist ,,nein”, die Frage selbst muss jedoch untersucht werden, weil sie voraussetzt, dass es eine Wahrheit gibt, die nicht gerade das ist, was Menschen, die gemeinsam forschen, glauben, dass es die Wahrheit ist. Die Frage deutet an, dass es eine objektive Wahrheit gibt, die wirkliche Wahrheit, ich habe jedoch bereits gesagt, dass ich vermute, dass ehe die Philosophen festlegen können, was das ist, werden wir akzeptieren, dass das für uns jetzt noch nicht existiert und wir arbeiten auf dieser Basis. Aber sogar ohne die Idee von der objektiven Wahrheit ist das nicht die Wahrheit, was jeder sagt, dass es die Wahrheit sei, weil Sie oder ich oder irgend jemand sonst nicht an jene Wahrheit glauben mag und glauben wird, dass irgendetwas Anderes die Wahrheit sei. Daher wird die ,,Wahrheit'' irgendeines Anderen das sein, was ich eine Unrichtigkeit nenne. Wir geben nicht unsere stark behaupteten Überzeugungen auf, weil wir unseren unvernünftigen Grund der Überzeugung aufgedeckt haben. Die Wahrheit wird ständig geformt und aufrechterhalten in den laufenden sozialen Diskussionen in der Gesellschaft. Dehalb ist eine Wachsamkeit nötig im Hinblick auf unsere (im Gegensatz zu ihren) tief festgehaltenen Wahrheiten, weil Wahrheit keine Macht oder Existenz hat außerhalb unserer kollektiven Konstruktion der Wahrheit. Wir müssen ihre Verfechter sein, wir müssen jedoch ebenso anerkennen, dass diejenigen, denen wir entgegenstehen, unserer Wahrheit widersprechen mit dem, was sie die Wahrheit nennen und wenn es einen Machtwechsel gibt, könnte die Wahrheit derjenigen, deren Wahrheitsprozesse gegenwärtig institutionell dominant sind, umgeworfen werden, an diesem Punkt pflegen sie einen Guerilla-Krieg für (ihre) Wahrheit anzetteln zu müssen.

In den gegenwärtigen westlichen Gesellschaften herrscht zum Beispiel vor, was Max Weber die rational-legale Sicht nannte. Moderne bürokratische Institutionen rechtfertigen ihre Existenz, indem sie Begründungen geben und das Gesetz oder die Rechte zitieren. Die rational-legale Sicht ersetzte die traditionelle Weltsicht, die die westlichen Gesellschaften dominierte, als die katholische Kirche und das Christentum die Oberhand hatten. Die Autorität der Kirche wurde auf der Tradition begründet und dem Wort Gottes. Dinge wurden zum Teil gerechtfertigt, weil ,,das die Weise ist, wie sie immer gemacht wurden'' oder weil es die Bibel oder Aristoteles so gesagt haben. Zeitgenössische rationale, liberale Pluralisten denken gern, dass sie alle Religionen und Ansichten gleich behandeln, indem sie Redefreiheit und Anbetung gestatten. Für einen christlichen Fundamentalisten jedoch, der Gottes Wahrheit kennt, ist es falsch und ein Vergehen, die Methoden und Ergebnisse einer gottlosen Begründung als den dominanten Modus der institutionellen Organisation zuzulassen. Weshalb sollten Unrichtigkeit und Sittenlosigkeit vorherrschen? Sollten unsere Institutionen nicht durch die Kenntnis von (Gottes) Wahrheit strukturiert werden? Es gibt keinen Beweis für die überlegene Verbindung zu Wirklichkeit und Moral der rational-naturwissenschaftlichen Weltsicht, wie die Philosophen es gezeigt haben. Die rational-legale Weltsicht ist dominierend in den fortschrittlichen Industrieländern, und diese Dominanz muss aufrechterhalten werden durch rhetorische Fähigkeit und Kontrolle der kulturellen und erziehenden Institutionen der Gesellschaft. Die Gemüter jeder neuen Generation werden von widerstreitenden kulturellen Kräften geformt; diejenigen, die die Zügel der höchsten erkenntnistheoretischen Legitimität halten, werden einen Vorteil haben bei der Ermittlung dessen, was jeder, der als ernsthaft eingeschätzt werden möchte, als Wahrheit glauben muss.

Die Wahrheit wird eine Funktion dessen sein, was jede Person und Gruppe vom Menschen denkt, was er sein kann und sein sollte; und wie jede Person und Gruppe meint, wie wir sowohl kollektiv als auch individuell leben sollten.

Widerstandsbewegungen

Es ist vollkommen plausibel, dass dieses Verständnis und diese Erforschung von der Psychologie der Überzeugung Unwohlsein bereitet. Schließlich würden wir nicht so viel individuelle und kulturelle Energie aufwenden, um die emotionale Substruktur der Überzeugung zu vermeiden, wenn das nicht etwas Unsympathisches und potenziell Schmerzhaftes wäre. Da ist jedoch ebenso etwas Schmerzhaftes beim Verleugnen dessen, was es gibt – Verleugnen des Vorhandenen ist die Definition eines Buddhisten von Leiden.

Ein Aspekt dieses Unbehagens ist die Überempfindlichkeit, die von harten Rationalisten empfunden wird für derartig ,,übermäßig gefühlsbetonte'' Selbsterforschungen. Wir fühlen uns wohl beim Erklären, weshalb unsere intellektuellen Gegner so Unrecht haben bei dem, von dem wir wissen, was wahr ist; unser Augenmerk jedoch auf uns selbst zu richten, das ist unangenehm. Es ist einfach zu denken, dass das bloß mehr Nabelschau und Psychogeschwätz schaffen wird. Harte Rationalisten werden wahrscheinlich Abscheu vor dieser Art Untersuchung empfinden. Wenn Rationalisten allerdings so hart sind, wie sie sagen, dann sollten sie ihre rationalen Untersuchungen zu weit tragen, wohin sie auch immer führen. Ich habe vernünftige Argumente dafür gebracht, weshalb diese Untersuchung vernünftigermaßen plausibel ist; es würde vernünftige Argumente erfordern, um zu zeigen, wie das falsch ist. Wir müssen Überempfindlichkeit durch rationale Integrität ersetzen. Der Widerstand, der uns ignorant sein lässt, kann in die Einsicht umgewandelt werden, die bedeutenderes Wissen schafft.

Naturwissenschaftliche Validierung

Ein intellektueller Ausdruck dieses Gefühls der Überempfindlichkeit ist ein starker Zweifel an der Gültigkeit der psychoanalytisch-orientierten introspektiven Methode, die benützt zu werden pflegt, um die emotionale Substruktur der Überzeugung zu untersuchen. Im Kontrast zu dem Bild vom rationalen Menschen im gegenwärtigen intellektuellen Leben finden wir ironischerweise, dass die rationalsten und wissenschaftlichsten unserer Nachforschungen einige Bestätigung von unserem eigenen Bild gebracht haben, das ich hier beschreibe. Trotz der starken Kritik an Freuds Ideen und der so genannten ,,Freud-Kriege'', die in den USA in den Mittneunzigern aufflammten, ist die empirische Bestätigung des Unbewussten im allgemeinen und Freuds angenommenen Unbewussten im besonderen erstaunlicherweise stark. Der harte Rationalist glaubt mit Recht an den hohen Wert der naturwissenschaftlichen Ergebnisse. Diese Forschung reicht von straker Bestätigung der Existenz weiter Gebiete von unbewussten kognitiven Prozessen bis zu Demonstrationen der vernunftwidrigen Grundlage von Überzeugungen.

Der Nobelpreisträger and Neurowissenschaftler Gerald Edelman schreibt:

Die Forderung nach einem Unbewussten ist ein zentrales bindendes Prinzip von Freuds psychologischen Theorien. Seit seiner Zeit wurde eine weite Beweislast angesammelt von Studien der Neurose, Hypnose und Freudschen Fehlleistungen, um nachzuweisen, dass seine Grundthesen über die Aktion des Unbewussten im wesentlichen korrekt waren. Der von ihm benützte Ausdruck unbewusst bezog sich auf Elemente, die leicht in bewusste Zustände transformiert werden können - ,,das Vorbewusste'' – ebenso wie diejenigen, die nur mit großer Schwierigkeit transformiert werden können oder überhaupt nicht. - ,,das Unbewusste im engeren Sinn.''…Freuds Begriff der Repression steht im Einklang mit den Modellen des Bewusstseins, die hier präsentiert werden. [23]

Der Psychologe Drew Westen schreibt in seinem Abriss der Forschung in der Psychologie: ,,Ironischerweise hat zu einer Zeit, als das Prestige der Psychoanalyse sich auf einem Tiefstand befand sowohl bei der Psychiatrie als auch der akademischen Psychologie eine Explosion an experimenteller Forschung an einige psychologischen Fronten (viel davon durchgeführt von Forschern mit wenig Interesse an oder Wissen von der Psychoanalyse) jetzt schlüssig dokumentiert, dass Freud in seiner zentralen Lehre Recht hatte [d.h. dass das Meiste des geistigen Lebens unbewusst ist].''[24] Er schlussfolgert, dass ,,die Daten unanfechtbar sind: das Bewusstsein ist die Spitze des psychischen Eisbergs, wie Freud es sich vorgestellt hat.'' [25] Diese Zitate zeigen, dass es eine Basis gibt in der konventionellen naturwissenschaftlichen Literatur für die Idee, dass weite Teile der Wahrnehmung unbewusst sind.

In Beziehung stehende Forschung bei der Beziehung zwischen Emotion und Wahrnehmung hat die übliche Konzeption der Intellektuellen von Emotion als Hindernis für die Vernunft umgekehrt und hat die Notwendigkeit von Emotionen für das logische Denken aufgezeigt. Der Neurowissenschaftler Antonio Damasio hat in zwei stark beachteten Büchern festgestellt, dass ,,die Arbeit aus meinem Labor gezeigt hat, dass Emotion mit den Prozessen des logischen Denkens und der Entscheidungsfindung eng verbunden ist, auf Gedeih und Verderb.'' [26] In einer Sammlung von Essays mit dem Titel Emotionen und Überzeugungen sagen die Herausgeber aus, dass Emotionen ,,so angesehen werden können, dass sie den Inhalt und die Stärke der Überzeugungen eines Individuums und ihren Widerstand gegen Veränderungen beeinflussen.''[27] In einer Veröffentlichung 2006 , genanntHeißer Gedanke: Mechanismen und Anwendungen von emotionaler Kognition, versichert der sehr bekannte Philosoph und Kognitionswissenschaftler Paul Thagard, dass ,,im Gegensatz zu den philosophischen Standardmutmaßungen logisches Denken oft ein emotionaler Prozess ist und bei seiner Verbesserung erfordert es das Identifizieren und Auswerten der Einwirkung von Emotionen.'' [28] Thagard bringt sogar ein Kapitel ,,Der leidenschaftliche Naturwissenschaftler: Emotion in der Kognitionswissenschaft'', in dem er ,,schlussfolgert, dass Emotionen ein wesentlicher Teil der wissenschaftlichen Wahrnehmung sind.''[29]

Schließlich benützt eine neuere Studie von Drew Westen und anderen, mit dem Titel ,,Neurale Grundlagen des motivierten logischen Denkens'' die Kernspintomographie, um die Teile des Gehirns aufzuzeichnen, die von Personen genutzt werden beim Abschätzen von positiver, negativer und neutraler Information im Hinblick auf die von ihnen ausgewählten politischen Kandidaten. Westen und andere entdeckten, dass

Forschung über politisches Urteilen und Entscheidungsfindung mit Jahrzehnten der Forschung in der klinischen und Sozialpsychologie zusammengelaufen ist, die die Allgegenwart von emotional verzerrtem motiviertem logischen Denken nahe gelegt hat. Motiviertes logisches Denken ist eine Form von einbezogener Gefühlsregulierung, bei der das Gehirn sich Beurteilungen annähert, die negative Affektzustände verkleinern und positive vergrößern, die mit der Bedrohung oder der Erreichung von Motiven verbunden sind. In welchem Ausmaß motiviertes logisches Denken neurale Schaltkreise einsetzt, die beim ,,kalten'' logischen Denken und bewusster Gefühlsregulierung (z.B. Unterdrückung) beteiligt sind, ist jedoch unbekannt. Wir nahmen funktionale Neuro-Abbildungen in Anspruch, um die neuralen Antworten von 30 engagierten Parteigängern während der amerikanischen Präsidentschaftswahlen von 2004 zu studieren. Wir präsentierten den Versuchspersonen Denkaufgaben, die Bewertungen über Informationen einschlossen, die ihre eigenen Kandidaten oder den Gegenkandidaten bedrohten oder neutrale Kontrollziele…Wie vorausgesagt war das motivierte logische Denken nicht mit neuraler Aktivität in Regionen verbunden, die vorher mit kalten Denkaufgaben verbunden waren und bewusster (expliziter) Gefühlsregulierung. Die Befunde verschaffen den ersten neuroabbildenden Beweis für Phänomene, die verschiedenartig als motiviertes logisches Denken, einbezogene emotionale Regulierung und psychologische Abwehr beschrieben wurden. Sie lassen vermuten, dass motiviertes logisches Denken qualitativ von logischem Denken entfernt ist, sobald Menschen keine starke emotionale Beteiligung bei den erreichten Schlussfolgerungen haben.[30]

Diese Studien sind bloß ein Weg, die Plausibilität des Überzeugungsbildes zu validieren, das ich hier beschreibe. Ich biete sie an, weil die naturwissenschaftliche Annäherung zu Recht so hoch wertgeschätzt wird und es wesentlich ist, sobald unsere Mutmaßungen auf diese Weise bestätigt werden können. Weiterhin ist es wichtig, so viel von dem Wissen, das von unserer Weltsicht unterstellt wird, zusammenhängend zu machen. Allerdings sind die pragmatischen Vorteile dieser Untersuchungsmethode noch wichtiger. Hier wird der Ethik gegenüber der Erkenntnistheorie ein Vorteil verschafft, daher ist die Art der Person und Welt wesentlich, die konstruiert wird, wenn man sich einer gegebenen Praxis widmet. Idealerweise gewinnt die Person, die sich mit der von mir beschriebenen Art der Selbstreflektion beschäftigt, bedeutendere Einsicht in sich selbst, wenn sie sich ihren Überzeugungen stellt und sie ausweitet.

Weshalb macht man das?

Durch diese Art der Untersuchung können wir bedeutenderes Wissen über uns selbst und andere erlangen, indem wir die Wurzeln unserer eigenen Überzeugungen und die der anderen verstehen. Noch gezielter: blinde Flecken und Widersprüche, bei denen wir hart arbeiten, um sie von uns selbst fernzuhalten, sobald wir versuchen, rational zu sein, können durch diese Art der Untersuchung aufgedeckt werden. Sobald die psycho-emotionalen Ursachen für das Aufrechterhalten einer Unvereinbarkeit ins Bewusstsein gebracht werden, kann ein Lösen ihres Festhaltens geschehen. Diese Einsicht in unser Anhaften und die Möglichkeit einer Transformation können Mengen von Überzeugungen hervorbringen, die kongruenter zueinander und mit uns selbst als einem Ganzen sind. Wenn wir mit einem Anderen durch diesen Prozess gehen, können wir besser verstehen, was unseren Gegner veranlasst, an radikal entgegengesetzten Denkbildern festzuhalten. Dieser Prozess und das neue Verständnis für unsere Gegner können zu einer besseren Beziehung mit unseren Gegnern führen. Sobald unsere Überzeugungen besser verstanden werden, können wir uns als weniger defensiv erleben und können uns über argumentative Stolpersteine hinwegbewegen, die vorkommen, weil eine Seite sich nicht eingestehen kann zu verstehen, was die andere Seite tatsächlich sagt. Das bessere Verständnis seiner selbst und der Anderen, die Einsicht in blinde Flecken und das Aufdecken von Unvereinbarkeiten verbessern die Wahrheit und die Objektivität, weil diese in derartigen nachhaltigen Debatten bestimmt und wiederbestimmt werden.

Weil es für zwei Menschen mit fundamental unterschiedlichen Ansichten schwierig ist, sich mit dieser Art der Untersuchung zu befassen, ist ein wahrscheinlicheres Szenario ein individuelles Befassen mit einer Selbstuntersuchung, um das eigene Denken voranzubringen. Dieses Fördern wird natürlich durch die eigene Beleuchtung bewertet, obschon die Präsentation der eigenen Entdeckungen Erwiderungen und Beurteilungen von Anderen provozieren wird. Das Fördern der eigenen Gedanken einer Person kann immer von Anderen als eine Zunahme an Irrtümern interpretiert werden.

Diese Annäherung wird das Wissen nicht genauer machen im Sinne einer Repräsentanz der Realität, wie sie wirklich ist. Wir pflegen nicht eine absolut überragende Perspektive zu gewinnen, weil wir einen weiteren Betrag an Ansichten integrieren. Es setzt die Notwendigkeit voraus, die Idee aufzugeben, es schließlich ,,richtig zu machen'' und es zu packen, ,,wie es nun mal ist.'' Es gibt keine Weise, wie es ist (oder, falls es sie gibt, können wir nicht meinen, dass wir es definitv bestimmen).

Die gesamte Idee vom Ende der Untersuchung wie ,,es schließlich richtig zu machen ist'' oder ,,es zu verstehen, wie es nun mal ist'' muss zurückgesetzt werden innerhalb der weiteren Zielvorgabe, richtig zu leben und die Welt richtig zu machen. Die Ethik umschließt die Erkenntnistheorie, die Solidarität umschließt die Objektivität. In der Mystik wird die eigene Handlungsweise wichtiger als das, was man feststellt, erreicht zu haben. In den Naturwissenschaften wird ein mächtiger Weg angeboten, ,,die physische Realität richtig darzustellen'', jedoch nicht der endgültige Weg, weil die Poesie oder das Training der sinnlichen Wahrnehmung uns Arten des Wissens von der Natur geben, die ebenso benötigt werden, ein gutes Leben zu führen.

Das Selbstkonzept der modernen westlichen Philosophie ist ursprünglich erkenntnistheoretisch gewesen mit dem führenden Bild, dass die Philosophie ein Spiegel der Natur sei oder ein Weg, die Welt richtig darzustellen, indem man Sprache, Logik, Beweise und rationale Argumentation in Anspruch nimmt. [31] Das ist jedoch nicht die einzige Weise zu verstehen, was Philosophie ist. In der westlichen Tradition hat Philosophie als eine spirituelle Praxis oder eine Lebensweise einen antiken Stammbaum und hat einen vollendeten Verfechter in dem bedeutenden französischen Gelehrten Pierre Hadot. In Philosophie als eine Lebensweise, entdeckt Hadot die antike Vision der Philosophie als eine ,,spirituelle Praxis'' mit ,,spirituellen Übungen'', irgendwie ähnlich dem antiken Buddhismus, der metaphysische Erkenntnis und Selbstentwicklung vermischt. Wir wissen gerade nicht, ob das richtig ist, was wir denken, wir werden es und führen es auf. In ähnlicher Weise schlage ich hier eine Praxis des Denkens vor, die versucht, alle Bestandteile unserer Überzeugungen in einem Bemühen aufzudecken, ein bedeutenderes Wissen und ein besseres Leben zu schaffen.

Schlussfolgerung

Ich habe argumentiert, dass eine psychologische Untersuchung in die Ursprünge der Überzeugung die Begründungen jenseits der Begründungen aufdecken kann, die uns veranlassen zu glauben. Gemäß Pascal: ,,Das Herz hat seine Begründungen, die die Vernunft nicht kennt.'' Im Gegensatz dazu argumentiere ich hier, dass die unterirdische Welt des Herzens, die unterhalb der Vernunft liegt, die unseren Überzeugungen die belebende Kraft gibt, besser erkannt werden kann. Der Philosoph Richard Rorty – der indessen sich nicht auf diesen besonderen Ansatz bezieht, stellt fest -: ,,Der Standpunkt der Philosophie über diese Ansicht muss nicht herausfinden, wie etwas ,wirklich ist; sondern uns helfen, erwachsen zu werden – uns glücklicher machen, freier und flexibler.''[32]

Die Begründungen, an die wir glauben, müssen ergänzt werden mit den Begründungen, weshalb wir glauben. Gegenwärtig spielen die Begründungen, weshalb wir glauben, eine versteckte Rolle beim Schaffen von Überzeugung und Wissen. Diese Begründungen jenseits der Vernunft zu ignorieren oder zu verleugnen, behindern unsere Forschung durch das Vernachlässigen eines wesentlichen Teils vom Prozess des Wissenserwerbs. Einzubeziehen, was ohnehin immer abläuft und ein größeres Gewahrwerden darüber zu gewinnen, ist ein Teil der rationalen Aufgabe, ein klares und eindeutiges Wissen davon zu gewinnen, was sich abspielt.

Die Vernunft kann nicht selbst die ganze Arbeit verrichten, weil wir nicht nur aus rationalen Gründen glauben. Die emotionale Substruktur der Überzeugung muss in unsere Untersuchungen und Debatten eingebracht werden, um den Prozess der Erlangung größeren Bewusstseins dessen, was vorgeht, zu verbessern.

Das Vernachlässigen wichtiger Teile der Schaffung von Überzeugungen und Wissen hat Kosten, weil das Vernachlässigte durch indirekte Mittel etwas zu sagen haben wird. Um Jung zu interpretieren: sobald unser Schatten nicht bewusst gemacht wird, wird er zu unserem Verhängnis.


LITERATURHINWEISE

[1] Siehe jedoch Steven D. Hales neuestes Buch Relativismus und die Grundlagen der Philosophie, (Cambridge MA: MIT Press, 2006). Hier argumentiert ein analytischer Philosoph, dass es keinen neutralen Weg gibt, die Überlegenheit der rationalen Philosophie über christliche Offenbarung oder von Halluzinogenen verursachte Überzeugungen von Eingeborenen zu demonstrieren. Er argumentiert, dass ihre fundamentalen Methoden des Wissenserwerbs unterschiedlich sind, und dass es keine neutralen oder keine Nachfragen verlangende Weise gibt, um die Überlegenheit des einen über das andere zu demonstrieren.

[2] Richard Feldman hat das Problem von ,,vernünftigen Nichtübereinstimmungen'' diskutiert und schließt mit ,,einer skeptischen Schlussfolgerung'' in ,,Erkenntnistheoretische Rätsel bei Nichtübereinstimmungen'' in Epistemology Futures[Zukunftsaussichten der Erkenntnistheorie], herausgegeben von Stephen Hetherington, (Oxford: Oxford University Press, 2006). Robert Fogelin hat den pyrrhonischen Skeptizismus neu interpretiert in Pyrrhonische Betrachtungen über Wissen und Rechtfertigung , (New York : Oxford University Press, 1994) und hat eine Debatte entfacht in Pyrrhonischer Skeptizismus, herausgegeben von Walter Sinnott-Armstrong, (New York : Oxford University Press, 2004).

[3] Foucault, Michel, History of Sexuality, p. 59

[4] In der analytischen Philosophie werden diese unsere ,,rationalen Intuitionen'' genannt". Siehe Priest, Graham, Jenseits der Grenzen des Denkens , (Oxford: Oxford University Press, 2002), Hales, Relativismus, und für eine Debatte über das Thema, DePaul, Michael R., und Ramsey, William, Intuition neu überdacht, (Lanham, MD: Rowman & Littlefield, 1998).

[5] Siehe ebenso Michael Williams in ,,Agrippas Argument und zwei Formen von Skeptizismus," in Pyrrhonian Skepticism herausgegeben von Sinnott-Armstrong, für eine alternative Ansicht.

[6] Priest, Beyond the Limits of Thought.

[7] Natürlich sollten andere Begründungen für die Dringlichkeit angehört werden. Wir mögen eine Ungerechtigkeit ans Licht gebracht haben oder versuchen zu bekommen, was wir haben möchten. Ich beziehe mich hier auf rein intellektuelle Diskussionen.

[8] Rorty, Richard, "Daniel Dennett on Intrinsicality," in Truth and Progress, (Cambridge: Cambridge University Press, 1998), p. 104

[9] Stolorow, Robert, and Atwood, George, Faces in a Cloud: Subjectivity in Personality Theory, (New York: Jason Aronson, 1979).

[10] Alfie Kohn's classic No Contest, (Boston: Houghton-Mifflin, 1986) liefert Argumente für die schädlichen Wirkungen des Wettbewerbs.

[11] Meyerhoff, Jeff, Bald Ambition, at http://www.integralworld.net/meyerhoff-ba-toc.html, besonders Kapitel 3 und Edwards, Mark, "Meyerhoff, Wilber and the Post-formal Stages, at http://www.integralworld.net/edwards25.html.

[12] Lakoff, George, Moral Politics, (Chicago : University of Chicago Press, 1996), pp. 335-336.

[13] Wisdom, John Oulton, The Unconscious Origin of Berkeley's Philosophy. London: The Hogarth Press, The Institute of Psycho-Analysis, 1953.

[14] Scharfenstein, Ben-Ami, The Philosophers, (Oxford: Basil Blackwell, 1980), p. 380

[15] In Roger Scrutons populärem Beitrag zur Philosophie beschreibt er fünf hauptsächliche wettstreitende Theorien der Wahrheit.Modern Philosophy, New York: Penguin Books, 1994, pp. 97-111. Joseph Margolis gibt eine kurze Geschichte der Erfolglosigkeit der Philosophie auf diesen Gebieten in The Unraveling of Scientism, (Ithaca and London: Cornell University Press, 2003), pp. 1-18. Und da gibt es ebenso die Position, dass Wahrheit nicht eine derartige Sache ist, von der wir hoffen können, eine Theorie darüber zu haben.

[16] Goodman, Nelson, Ways of Worldmaking, (Indianapolis: Hackett Publishing, 1978), pp. 2-3.

[17] Putnam, Hilary, The Collapse of the Fact/Value Dichotomy and Other Essays, (Harvard: Harvard University Press, 2002).

[18] Hales, Relativism and the Foundations of Philosophy,

[19] Herrnstein Smith, Barbara, Belief & Resistance, (Cambridge, MA: Harvard University Press, 1997), and Scandalous Knowledge, (Durham, NC: Duke University Press, 2005).

[20] Poerksen, Bernhard, The Certainty of Uncertainty: Dialogues Introducing Constructivism, (Charlottesville: Imprint Academic, 2004).

[21] Oyama, Susan, Griffiths, Paul E. and Gray, Russell D., Cycles of Contingency, (Cambridge: MIT Press, 2003).

[22] Biagioli, Mario, ed., The Science Studies Reader, (New York: Routledge, 1999).

[23] Edelman, Gerald, Bright Air, Brilliant Fire, (USA: BasicBooks, 1992), p. 145.

[24] Westen, D. (1999). "The Scientific Status of Unconscious Processes," J. Amer. Psychoanal. Assn., 47:1061-1106. Online at http://www.psychsystems.net/lab/NEW_Sci_Status_Uncon.pdf, p. 3. Siehe ebenso Frank Tallis, Hidden Minds: The History of the Unconscious, (New York: Arcade Publishing, 2002) and Dan Stein, ed., Cognitive Science and the Unconscious, (Washington D.C.: American Psychiatric Press, 1997).

[25] Westen, "Scientific Status," p. 38.

[26] Damasio, Antonio, The Feeling of What Happens, (New York: Harcourt Brace and Co.,1999), pp. 40-41. Also, his Descartes' Error, (New York: Grosset/Putnam, 1994).

[27] Frijda, Nico H., Manstead, Antony S. R., Bem, Sacha, Emotions and Beliefs, (Cambridge: Cambridge University Press, 2000), p. 1.

[28] Thagard, Paul, Hot Thoughts, (Cambridge, MA: MIT Press, 2006), p. 3.

[29] Thagard, Hot Thoughts, p. 172.

[30] Westen, Drew, et al., "Neural Bases of Motivated Reasoning," Journal of Cognitive Neuroscience. 2006;18: 1947-1958, p. 1947. Thanks to Andy Smith and a reader of my blog for this reference.

[31] See Rorty in Philosophy and the Mirror of Nature. Während Rortys Schlussfolgerungen über die Philosophie widersprüchlich sind, ist dieser grundlegende historische Standpunkt über das zentrale Anliegen der Philosophie weniger widersprüchlich.

[32] Rorty, Richard, "Analytic and Conversational Philosophy," in A House Divided, edited by C.G. Prado, (Amherst, New York: Humanity Books, 2003), p.22






© Jeff Meyerhoff 2006