INTEGRAL WORLD: EXPLORING THEORIES OF EVERYTHING
Ein Forum für eine kritische Diskussion über die integrale Philosophie von Ken Wilber



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Ein Shambhala Interview
mit Ken Wilber

Über Kritiker, das Integrale Institut, meine neueren Schriften,
und andere weniger wichtige Themen

Teil II

DAS INTERVIEW WIRD FORTGESETZT: DAS GRÜNE MEME

Shambhala: Okay, nehmen wir das Interview an dieser Stelle wieder auf. Mehrere Punkte sind noch offen. Grün ist beides, die höchste Ebene des ersten Ranges, und die Barriere zum zweiten Rang.

KW: Ja, das ist richtig; es hat viele Rollen. Auf der positiven Seite - und dies ist sehr sehr positiv - hilft grün dem ersten Rang einer Person sensitiver und fürsorglicher zu werden. Grün als das „sensitive Selbst" bereitet den Sprung zum zweiten Rang vor, in dem es das Bewusstsein sensitiver und mitfühlender macht, als Vorbereitung für die intensiven und globalen Verantwortlichenkeiten des zweiten Ranges. Nehmen wir z.B. die Vorstellung von Hierarchie. Alle Memes des ersten Ranges haben eine Art von Hierarchie. Rote Hierarchien basieren auf roher Gewalt und sind sehr brutal (diese stammes/ethnischen feudalen Imperien sind die schlimmsten Unterdrücker der Geschichte, wie wir schon gesagt haben, und alle sogenannten modernen Gräueltaten, von Hitler zu Stalin, waren tatsächlich Regressionen zu überwiegender Barbarei des roten Meme und einem erweiterten Stammesbewusstsein). Blaue Hierarchien basieren auf Tradition, vererbten Rollen, Kasten-Systemen, und so weiter. Orange Hierarchien sind Leistungsgesellschaften, basierend auf individuellem Talent und Initiative.

Bis zu einem gewissen Grad sind alle diese Hierarchien auf ihre Art und zu ihrer Zeit notwendig. Doch Hierarchien können, und werden oft, missbraucht. Hier erscheint grün und stellt alle Hierarchien in frage - ja es versucht alle Hierarchien zu unterminieren, aufzulösen und zu dekonstruieren. Dies ist natürlich in mancherlei Hinsicht ein Irrweg, weil grün - als ein Meme des ersten Ranges - denkt dass dies der einzig richtige Weg ist, und nicht erkennt dass Hierarchien ein wichtiger Bestandteil in anderen Memen sind, und so versucht, jedes Meme welches mit ihm nicht übereinstimmt zu zerstören oder zu dekonstruieren.

Doch die gute Nachricht dabei ist, dass, durch die extreme Sensitivität gegenüber Hierarchien und dem Missbrauch den sie verursachen können, grün den Sprung zum zweiten Rang vorbereitet. Warum ist das so? Mit dem zweiten Rang sind die Hierarchien wieder da. Im zweiten Rang wird die Wirklichkeit verstanden als eine Serie von ineinander verschachtelten [nested] Hierarchien (ich nenne diese „Holarchien", zusammengesetzt aus „Holons", und Beck und Cowan sprechen über türkis als ein Begreifen von „Holons"). Indem es uns für das Missbrauchspotential von Hierarchien sensibilisiert, bereitet grün uns darauf vor in der Lage zu sein, die Hierarchien des zweiten Ranges auf eine sensible und sorgfältige Art und Weise zu handhaben. Am Beginn des zweiten Ranges ist das Verständnis der Wirklichkeit holarchisch, und daher ist es gut, ausreichend sensitiv und sorgfältig zu sein um diese hierarchischen Wirklichkeiten mit Mitgefühl zu handhaben.

Shambhala: Doch grün, so wie es ist, lehnt den zweiten Rang ab und bekämpft ihn sogar.

KW: Ja, das stimmt. Grün hasst alles was mit dem zweiten Rang zu tun hat (doch alle Meme des ersten Ranges mögen die anderen Meme nicht, somit ist diese Eigenschaft von grün nichts neues). Gelb z.B. würdigt und umarmt verschachtelte [nested] Hierarchien, in einer Rangordnung geordneter Werte, universell veränderlicher Systeme, und mit einem starken Individualismus. Grün schaut auf all diese Begriffe - Universelles, Rangordnung, Hierarchien, Individualismus - und schreit „Unterdrückung! Beherrschung! Marginalisierung! Elitarismus! Arroganz!" und so weiter. Es gibt diesbezüglich eine einfache Regel: wenn immer grün auf gelb schaut, dann glaubt es dass es rot sieht. Grün betrachtet alles gelbe als rot, gemein, arrogant, und reagiert darauf mit Gewalt. Natürlich, was kann grün auch anders machen; es kann gelb buchstäblich nicht sehen, es kann die Aktivitäten von gelb lediglich in den Begriffen interpretieren welche es kennt, und so erscheint gelb als das fürchterliche rote Meme, und grün tritt in Aktion und versucht gelb zu zerstören oder zu dekonstruieren wo immer es gelb findet.

Shambhala: Okay, das scheint Sinn zumachen. Wenn grüne Kritiker gelbe Passagen in EKL lesen, dann beschuldigen sie Sie rot zu sein - egozentrisch, arrogant, antispirituell, beherrschend, unterdrückend, kontrollierend, usw.

KW: Ja, das stimmt, doch, noch einmal, dies bedeutet nicht dass ich rein und frei von all dem wäre. Es bedeutet einfach das viele Weltsichten des zweiten (und des dritten) Ranges in EKL präsentiert werden, und das grüne Meme wird diese betrachten und nichts anderes sehen als das rote Meme.

Shambhala: Wohingegen die Menschen des zweiten Ranges [second-tier people] die das Buch gelesen haben es lieben.

KW: Nun, ganz so einfach ist es wiederum nicht, weil einige der Menschen des zweiten Ranges das Buch lasen und viele theoretische Uneinigkeiten mit mir hatten. Doch die Anmerkungen verursachten bei ihnen keinen Ärger, sie gingen nicht an die Decke. Wie Don Beck sagt, nur grün regt sich über die Polemik auf. Gelb würde das nicht sonderlich aufregen. Gelb liest diese Stellen und sagt, „hmmm, interessant. Mal sehen ob ich der gleichen Ansicht bin oder nicht". Tatsächlich brachte eine Menge der Post des zweiten Ranges zum Ausdruck, „ich mag die Anmerkungen".

Shambhala: In dieser Hinsicht waren die Anmerkungen so eine Art Geigerzähler für das grüne Meme.

KW: Ja, das glaube ich auch.

Shambhala: Kann man dann sagen, dass beinahe die gesamte wirklich feindselige Kritik vom grünen Meme kommt?

KW: Ja, das ist richtig. Doch ich sage nicht, dass sie, wenn sie mit dem Buch nicht übereinstimmen, grün sind. Was ich sage ist, dass wenn sie grün sind, werden sie mit dem Buch nicht einverstanden sein, zumeist auf eine wütende und hasserfüllte Art und Weise. Und in diesen Fällen kann man nichts tun. Keine noch so umfangreiche objektive Evidenz wird grün davon überzeugen dass gelbe und türkise Weltsichten irgendeine Art von Wahrheit haben, weil, um dass zu akzeptieren, müsste grün sich einer vertikalen Transformation des Bewusstseins unterziehen - grün müsste sich selbst in gelbe und türkise Bereiche hineinentwickeln, und das wird wahrscheinlich nicht einfach durch die Lektüre eines zweiten-Rang Buches passieren, stattdessen wird das Buch attackiert. Aus diesem Grund ist ein „Dialog" darüber mit grün nicht sehr hilfreich, wenngleich ich niemandem abraten möchte dies zu tun. Doch wir sollten uns daran erinnern, dass es darum geht auf grün zuzugehen, und zu versuchen es mitzunehmen, beginnend bei einer Haltung so freundlich und umfassend wie möglich, und es dann in einer noch mitfühlenderen Umarmung zu integrieren - doch dies kann nicht geschehen solange sich grün für türkies hält, und deswegen ist diese Differenzierung notwendig, bevor der Integrationsprozess beginnen kann. Die Anmerkungen initiierten diese Differenzierung.

Shambhala: Ich denke viele Leser verstanden, dass diese Differenzierung ein Teil einer grösseren Integration war, die am ende noch umfassender ist. Charles Taylor ist der vielleicht am meisten bewunderte und respektierte lebende Philosoph der Welt. Er schreibt: „Ich habe die Arbeit von Wilber aufs äusserste geschätzt. Er hat es fertig gebracht so viele Dinge zu integrieren, und seinen Horizont dabei offen gehalten, wohingegen die meisten unserer Kulturen ständig die Horizonte schliessen. Es ist eine grossartige Arbeit."

KW: Nun, Ich hoffe natürlich dass dies so ist. Doch der Punkt ist tatsächlich der, weder grün noch irgend eine andere Welle des ersten Ranges auszuschliessen, sondern sie zu differenzieren und zu integrieren. EKL tut beides, wie Taylor das sieht, doch grün wird davon nichts haben, fürchte ich.

Shambhala: Ist dies der Grund warum so viele Kritiker ihre Position misinterpretiert haben? Sie weisen in ihrer Zusammenfassung von Spiral Dynamics darauf hin, dass etwa 20-25% der amerikanischen Bevölkerung grün, und nur 2% dem zweiten Rang zuzurechnen ist. So gesehen sind die Kritiker aus dem grünen Meme denen des zweiten Ranges zahlenmässig weit überlegen, oder?

KW: Stimmt. Doch, noch einmal, dies bedeutet nicht, dass wenn sie mit mir nicht einer Meinung sind, dass sie dann zum ersten Rang gehören.

Shambhala: Ja, aber es heisst dass wenn sie grün sind, dass sie dann definitiv anderer Meinung sind, und dass das Verhältnis der grünen Kritiker zu den gelben Kritiern zahlenmässig zehn zu eins ist.

KW: Das ist wahr.

Shambhala: Und da grün buchstäblich gelb oder türkies nicht sehen kann, wird es notwendigerweise das was es gesehen hat verzerren und misinterpretieren. Als die Herausgeber des demnächst erscheinenden Buches Kindred Visions - Ken Wilber und andere führende integrale Denker eine Liste von der veröffentlichten Kritik an ihrer Arbeit erstellten, fanden sie heraus dass 85% dieser Kritiker sie für Dinge kritisierten die sie tatsächlich niemals gesagt hatten. Mit anderen Worten, 85% der kritischen Besprechungen misinterpretierten ihre Arbeit. Dies sind zum Grossteil Verzerrungen des grünen Meme, nicht wahr?

KW: Ja, ein grosser Teil davon. Doch es liegt auch einfach an dem Umfang des vorgelegten Materials, dass sich jeder schwer tut alles genau zu erfassen, ob erster oder zweiter Rang. Ich mache den Kritikern hier wirklich keinen Vorwurf. Man muss zu beginn erst einmal 6 oder 7 Bücher lesen um das ganze Bild zu erfassen, und, noch schlimmer, ich bringe meine technisch richtigen Ansichten oft in langen und schwer verständlichen Anmerkungen unter. Kein Wunder dass andere sich schwer tun, die Feinheiten herauszufinden.

Shambhala: Stimmt, doch die überwiegende Anzahl der Kritik kommt eindeutig vom grünen Meme. Sie kennen ja von Don Beck die memetische Analyse des Buches Ken Wilber in Dialogue, welches den Anspruch erhebt eine Kritik ihrer Arbeit darzustellen, aber in vielerlei Hinsicht eine hohe Dosis grüner Attacken auf Ideen des zweiten Ranges darstellt. Beck selbst formlierte seine Schlussfolgerung entsprechend scharf: „Dieses Buch ist eine Sammlung von typischen Angriffen des grünen Meme auf den zweiten Rang. Etliche der Präsentationen, einschliesslich der von Wright und Kremer, haben wenig Bezug zu Wilber's aktuellen Ansichten. Der mittlere Abschnitt verzerrt auf üble Weise Wilber's Standpunkt zu der 'Andersartigkeit' von Körper, Natur und Frauen. Dies Buch ist ein Musterbeispiel dafür, wie man einen Wissenschaftler unfair behandelt." Stimmen sie damit überein?

KW: Ja, dies verdeutlicht worüber wir gerade gesprochen haben. Es kommt nicht viel dabei heraus wenn verschiedene Ebenen des Bewusstseins sich gegenseitig attackieren. Da gibt es einfach nichts zu gewinnen.

Shambhala: Was ist die typischste Form der Kritik des grünen Meme? Nicht nur ihre Arbeit betreffend, sondern generell?

KW: Sie erscheint in mehreren Formen. Weil der Garant der Wahrheit für das grüne Meme der Subjektivismus und Relativismus ist, tendiert es dazu alles abzulehnen was objektiver Wahrheit, Universalität, Hirarchie usw. ähnelt - kurz gesagt, grün lehnt nicht nur jede blaue und orange Wahrheit ab, es wehrt sich aggressiv gegen das Denken des zweiten Ranges. Um dies zu tun bedient es sich eines Standardrepertoires von pluralistischen und relativistischen Werkzeugen: der Dekonstruktion, der Relativität aller Wahrheitsbehauptungen, der sozialen Konstruktion aller Wirklichkeit, der Kontextabhängigkeit aller Aussagen, greift alle empfundenen Marginalisierungen und ungerechten Behandlungen an, und so weiter. Und noch einmal, manche dieser Behauptungen sind sehr wichtig und sehr wahr, solange man sich ihrer Begrenzheit und Teilwahrheit bewusst ist. Wenn sie jedoch behaupten die einzig existierende Wahrheit zu sein (d.h. wenn grün behauptet das einzig wahre Meme zu sein), dann zieht das einige wirklich unglückliche Konsequenzen nach sich.

Shambhala: Irgendwelche andere Kennzeichen grüner Kritik?

KW: Vielleicht die bekannteste und sicher die von Kritikern am meisten kommentierte Eigenschaft ist ein anscheinend durchgängiges Fehlen von Humor. Gesegnet seien sie, aber diese Leute können so humorlos sein. Auf der einen Seite ist dies verständlich: Grün sieht sich selbst als einen wichtigen Befreier, befreit all die Unterdrückten und die Minderheiten in der Welt, und das ist eine ERNSTE Angelegenheit mein Herr -- das ist kein Spass! Auf der anderen Seite sagen die Kritiker, dass dies die grüne Tendenz zur Selbstüberhöhung zeigt, welche sich nicht selbst leicht genug nehmen kann, um hin und wieder zu lachen.

Weil es ja anscheinend keine objektive Wahrheit gibt, wird grün oft auf dem Fundament der Subjektivität argumentieren. Das heisst die häufigste Form grüner Kritik wird von einer menschlichen Perspektive her formuliert. Wann immer man hört dass Ideen attakiert werden, weil der Autor dieser Ideen angeblich zu agressiv ist, zu unsensibel, zu offensiv, zu irgendwas - fast ohne überhaupt die Ideen selbst zu diskutieren - dann befindet man sich meist in der Gegenwart des grünen Meme. Weil es da keine objektive Wahrheit gibt, wird das Subjekt des Autors attackiert. Das bedeutet man hat keine Chance in grünen Kreisen, durch das Einbringen von Fakten, Daten, Logik oder objektiver Evidenz argumentativ zu überzeugen, da „objektive Wahrheit" lediglich eine kulturelle Konstruktion ohne Realitaet darstellt. Deshalb ist alles was man tun kann, um eine Argumentation zu gewinnen, aggressiv das Subjekt anzugreifen, welches diese Ideen vorgebracht hat, die man nicht mag. Wenn man das Subjekt oder den Autor als eine schlechte Person im Sinne der impliziten grünen Werte anschwärzen kannst, dann gewinnt man.

Shambhala: Zum Beispiel?

KW: Zum Beispiel, wenn ein Autor die Gefühle von jemandem verletzt oder ein Autor wird nicht als genügend grün-memisch wahrgenommen (nicht "empfindsam" genug entsprechend der spezifisch grünen Werte), dann wird grün auf diesen Schreiber wegen seines oder ihres Tones losgehen. Die Argumentation geht dann etwa so: "Albert Einstein hat seine Sekretärin angebrüllt - er ist offensichtlich keine sehr sensible Person - und deshalb ist E nicht gleich mc2". Alles was er sagt wird entwertet, wegen der empfundenen Unsensibilität, was bedeutet, dass er nicht dem gruen-memischen Protokoll folgt. Es ist eigentlich ziemlich lustig, aber man muss da etwas vorsichtig sein.... Shambhala: Sie verwenden ja oft Humor in ihrer Arbeit, sind Sie deswegen angegriffen worden?

KW: Oh, andauernd.

Shambhala: Zum Beispiel?

KW: In einem Aufsatz zur Verteidigung der Mystik bemerkte ich, dass der am weitetsten verbreitete Angriff auf die Wirklichkeit von Mystik - einer der verbreitetsten Wege um Mystik vollständig zu diskreditieren - einfach darin besteht, Mystik mit Schizophrenie gleichzusetzen. Daraufhin formulierte ich etwa so: „Zen Meister Hakuin hinterliess 83 voll erleuchtete Schüler, welche das japanische Zen organisierten und revitalisierten. 83 munter halluzinierende Schizophrene wären nicht einmal in der Lage einen Gang zur Toilette zu bewerkstelligen, geschweige denn das japanische Zen zu organisieren." Ich wurde öffentlich ausgepeitscht von einem sehr grünen Theoretiker, der mir vorwarf alle Schizophrenen zu beleidigen. Doch ich startete eine Umfrage unter den Schizophrenen: 45% von ihnen lachten laut auf als sie das lasen, und 55% halluzinierten dass sie laut auflachen würden, doch kein einziger fühlte sich gekrängt.

Shambhala: Jetzt muss ich laut lachen, und frage mich dabei ob ich wirklich lache oder das nur halluziniere.

KW: Glauben Sie mir, da gibt es keinen Unterschied.

Shambhala: Richtig. Wie nicht anders zu erwarten, wurden sie ernsthaft von grünen Kritikern kritisiert wegen des Tones der Anmerkungen.

KW: Nun, das war zu erwarten. Darum ging es ja - den Geigerzähler einzuschalten. Doch mich überraschte das Ausmass. Wenn ein Kritker sich auf den Ton konzentrierte, wurde jeder einzelne Gedanke im Buch als falsch beurteilt, wegen des Tones, punktum. Dies ist die Art wie grün argumentiert, doch das half mir dabei meine Augen zu öffnen, und ich vermasselte eine Menge meiner Antworten, bis ich mich daran gewöhnt hatte.

XXX

Shambhala: Wo Sie das jetzt wissen, hätten Sie den Ton der Anmerkungen gemässigt, um so besser gehört zu werden?

KW: Nein, weil sogar noch die leichteste wahrgenommene Beleidigung oder ein schlechter Ton herausgegriffen worden wäre, um sich mit den konzeptuellen Themen des Buches nicht auseinandersetzen zu müssen. Wie ich schon sagte hatte ich das Gefühl, so oder so, dass dies der einzig gangbare Weg war. Nebenbei bemerkt, Leser des zweiten Ranges liebten meistens den Ton - er drückte ihren eigenen Ärger und ihre Irritationen hinsichtlich der Exzesse des grünen Memes aus - und ich habe letzten Endes das Buch für sie geschrieben.

Shambhala: Das grüne Meme sagte üblicherweise Sie wären arrogant. Jetzt hören wir dass Sie übertrieben konkurrenzhaft [competitive] wären.

KW: Ich? Konkurrenzhaft? Konkurrenzhaft! Ich setze fünf Dollar darauf, dass ich die am wenigsten konkurrenzhafte Person in diesem Raum bin!

Shambhala: (lacht) Tatsächlich ist die verbreitetste persönliche Kritik der letzten Zeit die, dass Sie ein sehr kontrollierter Mensch seien. Sie haben versucht ein gigantisches und allumfassendes System zu erstellen, weil Sie alles und jeden kontrollieren wollen.

KW: Ja, das habe ich gehört, doch nur von Kritikern die mich nie getroffen haben, woraus sich für mich ergibt dass diese Kritiker einfach ihren eigenen Schatten auf mich projezieren. Diejenigen Menschen die mich kennen sagen nicht, dass ich konkurrenzhaft oder kontrollierend wäre.

Shambhala: Was sagen sie dann über Sie?

KW: Borderline psychotisch.

Shambhala: (lacht) Gut, Sie sagen, dass nur weil jemand nicht mit Ihnen übereinstimmt, das nicht heisst dass er dem grünen Meme zuzuordnen wäre. Dann wäre die Testfrage doch, haben Sie irgendwelche negative Kritik erhalten von zweiten-Rang Lesern, Kritik die Sie als fair und richtig bezeichnen würden, und Kritik die ein paar grosse Löcher in ihre Argumentation gebohrt hat?

KW: Oh, definitiv, davon gibt es viele. Ich bekam einige sehr hilfreiche negative doch konstruktive Kritik vom zweiten Rang (praktisch alles davon habe ich in nachfolgenden Büchern eingearbeitet). Diese Kritiken halfen mir speziell dabei, die Vorstellung von Ebenen und Linien auszuarbeiten (oder Wellen und Strömen), Zuständen und Strukturen, ungleichmässige Entwicklung, die Natur des Selbst, das genaue Wesen und die Beiträge des Postmodernismus, und so weiter.

Shambhala: Warum sind solche Besprechungen nicht bekannt?

KW: Weil, wie Sie sagen, grün bei weitem den zweiten Rang überwiegt, und grün den Grossteil der akademischen Presse kontrolliert. Daher ist das meiste, was Sie über mich gedruckt und veröffentlicht sehen, Reaktionen des grünen Meme. Kritik des zweiten Ranges ist da, man muss sie nur anschauen. Und vieles davon, natürlich, bekomme ich direkt zugeschickt.

Shambhala: Möchten Sie uns Beispiele nennen?

KW: Sicher. Ich gebe Ihnen zwei sehr interessante Beispiele, beide von Fred Kofman. Fred war Perter Senge's Hauptmitarbeiter am MIT, bei der Entwicklung des Wirtschafts-Modells der lernenden Organisation. Er wird von vielen als Genie betrachtet, doch sein Herz ist grösser als sein Hirn, wenn das überhaupt möglich ist.

DIE VIER ANTRIEBE ALLER HOLONS

KW: Fred's erste Kritik hatte mit den vier Antrieben eines Holon zu tun. In EKL habe ich diese als Agenz (horizontale Individuation) und Kommunion (horizontale Verbindung), und Selbst-Transzendenz (vertikale Aufwärtsbewegung) und Selbst-Auflösung (vertikale Abwärtsbewegung) bezeichnet. Fred wies darauf hin dass die ersten drei Antriebe richtigerweise die gesunde Version dieser Antriebe darstellten; aber für den vierten Antrieb hatte ich unrichtigerweise die pathologische Version des abwärtsgerichteten Antriebes angegeben. Den gesunden Abwärts-Antrieb - der Antrieb des Höheren zur Umarmung und Umfassung des Niedrigeren, welchen ich Agape oder Mitgefühl nenne, oder was man auch als Selbst-Immanenz bezeichnen könnte (der dialektische Gegensatz der Selbst-Transzendenz) - bezeichnete ich als Thanatos, was nicht die Umarmung des Niederen durch das Höhere darstellt, sondern die Auflösung oder Regression des Höheren zum Niedrigeren. Bei der vertikalen Aufwärtsbewegung hatte ich richtigerweise die Begriffe Eros und Selbst-Transzendenz verwendet, die Suche nach höherer und umfassenderer Ganzheit. Die pathologische Version von Eros ist Phobos, was nicht Transzendenz, sondern die Unterdrückung des Niedrigeren ist. Doch bei der Betrachtung der vertikalen Abwärtsbewegung habe ich, anstatt das gesunde Agape aufzuführen - wo das Höhere das Niedere umfängt, einfaltet und „liebt", so wie ein Molekül seine Atome umfängt - unbeabsichtigt den pathologischen Thanatos aufgeführt, wo sich das Höhere nur im Niedrigeren auflöst, stirbt oder auseinanderfällt (z.B. löst sich das Molekül in die Atome auf, aus denen es zusammengesetzt ist). Die vier Antriebe sind also Agenz und Kommunion, und Selbst-Transzendenz und Selbst-Immanenz (nicht Selbst-Auflösung).

Dies ist eine brilliante Kritik, und von den hundertausenden von Menschen die diese Ideen gelesen haben, ist nur Fred das aufgefallen. (Tatsächlich führe ich manchmal als vierten Antrieb immer noch die Selbst-Auflösung auf, einfach weil sie so viel einfacher zu verstehen ist, besonders in einer einführenden Erläuterung. Doch meine gegenwärtige Position sollte nun klar geworden sein, und mein Dank gilt Fred...)

HOLONS, ARTEFAKTE UND HAUFEN

KW: Hier ist noch etwas anderes was Fred aufgefallen ist. Es ist weniger ein Fehler als eine Auslassung, aber eine gewaltige, die zu einer grossen Verwirrung geführt hat. Die zwei einzigen Einheiten die ich in EKL diskutierte waren individuelle Holons und soziale Holons. Ich habe es versäumt, zwei andere wichtige Einheiten zu diskutieren: Artefakte und Haufen. Ich habe diese Einheiten in anderen Büchern diskutiert (z.B. Integrale Psychologie), doch es war eine ernst zu nehmende Auslassung in EKL.

Kurz gesagt: Individuelle Holons sind Holons mit einer subjektiven Innerlichkeit (Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Bewusstheit); sie haben ein bestimmtes und bestimmendes Muster (Code, Agenz, Regime), das von innen heraus spontan emergiert (Autopoiesie); und sie haben vier Antriebe (Agenz, Kommunion, Eros, Agape). Beispiele individueller Holons (oder zusammengesetzter Individuen) sind; Quarks, Atome, Moleküle, Zellen, Organismen...

Soziale Holons emergieren wenn individuelle Holons sich zusammentun; sie haben ebenfalls ein bestimmtes und bestimmendes Muster (Agenz oder Regime), doch sie haben kein subjektives Bewusstsein; stattdessen haben sie ein verteiltes bzw. intersubjektives Bewusstsein. Beispiele sind Galaxien, Planeten, Kristalle, Ökosysteme, Familien, Stämme, Gemeinschaften...

Individuen und soziale Gemeinschaften sind beides Holons, und sie folgen den 20 Grundaussagen. Eigentlich sind individuelle und soziale Holons keine unterschiedlichen Einheiten, sondern verschiedene Aspekte aller Holons, da alle Holons ein Innen und ein Aussen haben, individuell und sozial (die vier Quadranten), doch es handelt sich um unterschiedliche Aspekte, die nicht einfach gleichgesetzt werden können.

Artefakte sind Produkte aller Art, hergestellt durch ein Individuum oder ein soziales Holon. Ein Vogelnest, ein Ameisenhügel, ein Auto, ein Haus, ein Kleidungsstück, ein Flugzeug, das Internet - dies alles sind Artefakte. Das bestimmende Prinzip eines Artefakts kommt nicht von ihm selbst, sondern wird ihm auferlegt und eingeprägt durch die Agenz bzw. Intelligenz eines individuellen oder sozialen Holons.

Die – alles entscheidende – Frage beim Verständnis von Artefakten ist: welche Ebene des Bewusstseins (eines Holons) produzierte das Artefakt? In der Antropologie oder Archäologie z.B. betrachten wir eine Reihe von menschlichen Artefakten – Häuser, Waffen, Kleidung, Schriftstücke – das was noch übriggeblieben ist von früheren Zivilisationen, und wir versuchen daraus das Wesen und die Ebene des Bewusstseins der Zivilisation abzuleiten, die diese Artefakte produziert hat. Dies war mein Ansatz in Halbzeit der Evolution, wenngleich ich denke dass Jean Gebser das absolute Genie dieser speziellen Untersuchungen ist.

Wie auch immer, ein soziales Holon besteht aus einer Gruppe individueller Holons plus Artefakte. Wenn wir individuelle oder soziale Holons betrachten, versuchen wir die durchschnittliche Ebene des Bewusstseins festzustellen (oder, genauer gesagt, das Psychogramm oder Soziogramm, bestehend aus verschiedenen Bewusstseinsebenen, Entwicklungslinien und Bewusstseinszuständen). Doch wenn wir Artefakte betrachten, versuchen wir die Ebene des Bewusstseins herauszufinden, die dieses Artefakt produziert hat. Das Artefakt selbst hat keine Innerlichkeit, kein eigenes Bewusstsein, obwohl es aus Holons zusammengesetzt ist welche Innerlichkeit und Bewusstsein haben (ein Revolver z.B. hat kein Bewusstsein, doch er ist aus Kristallen, Molekülen und Atomen zusammengesetzt, alles Holons mit einer Innerlichkeit [dies wird weiter unten noch genauer erklärt]). Der Revolver wurde erdacht durch ein individuelles Holon auf der Ebene der formal-operationalen Kognition (z.B. Samuel Colt), und er wurde hergestellt durch ein soziales Holon auf der industriellen Ebene, mit einem egoisch-rationalen durchschnittlichen kulturellen Bewusstsein, also orange (obwohl der Revolver selbst überwiegend verwendet wurde von Individuen auf niedrigeren Ebenen des Bewusstseins – überwiegend rot und blau). Man kann sehen dass das Verfolgen der Entwicklung von individuellen Holons, sozialen Holons und ihrer Artefakte Teil eines integralen Ansatzes ist, um Kulturen und ihre Entwicklung zu verstehen.

Shambhala: Und ein Haufen?

KW: Ein Haufen ist eine zufällige Ansammlung. Ein Sandhaufen, eine Wasserpfütze, ein Laubhaufen – dies sind Haufen. Sie besitzen keine Innerlichkeit, kein Bewusstsein, folgen nicht den 20 Grundaussagen, und haben kein andauerndes bestimmendes Muster. Und sie sind keine Artefakte, weil sie kein Produkt einer individuellen oder sozialen Intelligenz sind.

Dies sind die vier Grundtypen von Einheiten die existieren. Es gibt noch ein paar andere, wie Nebenprodukte oder Hybriden, doch die oben beschriebenen stellen die vier Grundtypen dar. In EKL habe ich nur individuelle und soziale Holons behandelt, und dies hat viele Menschen verwirrt, weil Artefakte und Haufen nicht zu den 20 Grundaussagen passen [siehe unten]. Na ja, Fred Kofman hat einen hervorragenden Artikel dazu geschrieben, basierend auf vielen Stunden der Diskussion mit mir, mit dem Titel „Holons, Heaps and Artifacts (and Their Corresponding Hierarchies)", welcher in Kürze auf der Internet-Seite von Frank Visser veröffentlicht wird. (www.worldofkenwilber.com).

[Hinweis d. Ü: dieser Artikel ist mittlerweile veröffentlicht, und es gibt auch eine deutsche Übersetzung dazu, beide auf der angeführten Frank Visser Homepage]

Shambhala: Dies hat wirklich einige Verwirrung verursacht.

KW: Ja. Speziell was das Verständnis von „Ganzes" und „Teil" betrifft. Weil bei jedem dieser vier Einheiten - individuelles Holon, soziales Holon, Artefakt und Haufen - sich herausstellt dass „Ganzes" und „Teil" eine völlig unterschiedliche Bedeutung hat. Und ich würde sagen dass etwa 90% der Konfusion im Bereich der Systemtheorie, Öko-Philosophie, des Holismus, des Transpersonalismus und bei den Versuchen „integraler" Ansätze auf einer schlechten Vermischung all dieser vier beruht.

Shambhala: Geben Sie uns von jedem ein Beispiel.

KW: Okay. Beginnen wir mit individuellen Holons. Ein „Holon" bedeutet natürlich, im weitesten Sinn, einfach „irgendein Ganzes, welches Teil eines anderen Ganzen ist". In diesem sehr lockeren Sinn können alle vier Einheiten - Individuen, Gemeinschaften, Artefakte und Haufen - als „Holons" bezeichnet werden. Doch das Wort hat in jedem dieser Einheiten eine völlig andere Bedeutung (und zwar so sehr, dass ich oft die Verwendung des Wortes „Holon" auf die ersten zwei Einheiten einschränke, wie wir sehen werden; doch unabhängig davon müssen diese sehr realen Unterschiede gewürdigt werden.)

Bei individuellen Holons - z.B. Atome zu Molekülen zu Zellen zu Organismen - ist jedes Junior Holon ein konstituierendes Teil oder Element seines Senior Holon. Ein ganzes Atom ist wirklich ein Teil eines ganzen Moleküls, ein ganzes Molekül ist ein wirklicher Teil einer ganzen Zelle, und so weiter. In diesem Fall, darauf hat Whitehead hingewiesen, subsumiert das Senior Holon das Junior Holon, und dann ist das Junior Holon zu einem gewissen Grad dem Senior Holon unterworfen. Das heisst, dass das Regime des Senior Holon dasjenige des Junior Holon übernimmt. Wenn ein Organismus, ein Hund z.B., sich dazu entschliesst aufzustehen und zum Baum hinüber zu laufen, gehorchen alle Atome des Hundes - sie alle bewegen sich hinüber zum Baum. Das Junior Holon behält in einem gewissen Umfang eine relative Autonomie oder Agenz, doch diese Agenz wird in einem gewissen Umfang subsumiert in der Agenz des höheren Holon (was Whitehead als dominante Monade oder regnat nexus bezeichnete). Ganz ähnlich stellt eine Hierarchie individueller Holons eine verschachtelte [nested] Hierarchie oder Holarchie dar, wo jedes Junior- oder Grundlagen-Holon ein konstituierendes Teil oder Element des Senior- bzw. des signifikanteren Holon darstellt, und in einem gewissen Umfang durch den regnat nexus des Senior Holon subsumiert wird.

Doch bei sozialen Holons liegen die Dinge anders. Speziell an diesem Punkt, glaube ich, entsteht bei vielen holistischen Theoretikern und Ökophilosophen Verwirrung. Zuallererst sind individuelle Holons nicht so sehr Teile sozialer Holons, sondern mehr Mitglieder sozialer Holons. Wenn ich, als ein individuelles Holon, lediglich ein konstituierendes Teil eines sozialen Holons wie den Vereinigten Staaten wäre, dann würde ich durch den Staat subsumiert werden. Der Staat würde eine totale Kontrolle über mich haben, und ich hätte den Anordnungen des Staates zu gehorchen. Ich würde im Staat aufgehen, da ich nichts als ein Teil eines grösseren Ganzen wäre, dem Staat. Aber wenn ich stattdessen ein Mitglied des Staates wäre, dann würde ich bestimmte Rechte behalten, die der Staat nicht willkürlich an sich reissen kann. Ich bin nicht ein geistloses Zahnrad in der staatlichen Maschinerie, ein kleines Teil im grossen Uhrwerk, welches nichts anderes tut als das, was das „grössere Ganze" des Staates befiehlt.

Und das ist erst der Anfang. Der Staat hat keinen Ort eines subjektiven Bewusstseins; er hat, bestenfalls, eine intersubjektive Matrix von Bewusstsein. Und, das wichtigste, der Staat oder das soziale Holon transzendiert und beinhaltet nicht individuelle Holons (das würde das individuelle Holon zu einem konstituierenden Teil des sozialen Holons machen, wohingegen es tatsächlich ein Mitglied des sozialen Holons ist); sondern, jede folgende Ebene sozialer Holons transzendiert und beinhaltet die vorhergehenden Ebenen sozialer Holons. Die Gesetze orangener Zivilisationen, zum Beispiel, wie die der westlichen Aufklärung, ruhen auf - oder transzendieren und beinhalten - die rechtlichen Grundlagen der vorangehenden, blauen Zivilisationen, wie das römische Recht. So trifft das „Transzendieren und Beinhalten" nach wie vor für Holons zu, aber „Transzendieren und Beinhalten" bedeutet etwas ganz unterschiedliches in individuellen und sozialen Holons - und ganz ausdrücklich bedeutet es, dass soziale Holons individuelle Holons nicht transzendieren und beinhalten: soziale Holons transzendieren und beinhalten soziale Holons, und individuelle Holons transzendieren und beinhalten individuelle Holons, und das Durcheinanderbringen dieser zwei verursacht die verschiedensten Katastrophen. Die Ökotheoretiker verpassen fast immer diese elementaren Unterscheidungen. Sie kreieren Holarchien, welche verschiedene Kategorien auf schlechte Weise miteinander vermischen. So sieht z.B. eine typische Öko-Holarchie aus: Atome sind Teile von Molekülen, welche Teile von Zellen sind, welche Teile von Organismen sind, welche Teile von Ökosystemen sind, welche Teile der Biosphäre sind, die ein Teil des Universums ist. Doch diese Hierarchie vermischt auf grauenhafte Weise individuelle und soziale Holons, und macht so individuelle Holons zu unterwürfigen Teilen von sozialen Holons, anstelle von miteinander in Beziehung stehenden Mitgliedern sozialer Holons, und endet so extrem reduktionistisch und totalitär, die Biosphäre priviligierend als den regnant nexus oder die dominierende Monade, eine sehr verdrehte Ontologie. Der Begriff „Öko-Faschismus" wird oft auf diese unglücklichen Ergebnisse angewendet (obgleich Öko-Kommunismus treffender wäre, doch beide Formen des Totalitarismus basieren auf einer Konfusion von individuellen und sozialen Holons).

Dies bedeutet nicht dass die Biosphäre nicht wichtig wäre oder keine Rechte hätte; als ein grundlegendes soziales Holon ist sie extrem wichtig und hat definitv Rechte, aber die Rechte sozialer Holons sind abgeleitet, nicht von der Tatsache dass sie ihre Mitglieder lediglich als Teile einem Ganzen unterordnen, sondern weil die Mitglieder in beziehung stehende Aspekte aller Holons sind, und darum notwendig sind für das Wohlergehen von Holons ganz allgemein [siehe unten]. Doch individuelle Holons sind assoziierte Mitglieder eines sozialen Holons, und nicht unterwürfige Teile, reduziert bis zur Unbedeutendheit für die grössere Glorie des Ganzen. Gesellschaft auf jeder Ebene (von Kristallen zu Ökosystemen zum Staat) ist definitiv kein grösserer Organismus, kein Leviathan, weil jeder Organismus - als ein individuelles Holon - das Recht hat seine Junior Holons unterzuordnen, wohingegen in sozialen Holons dies nur für tyrannische Diktaturen zutrifft (oder pathologische Hierarchien). Sogar auf den niedrigeren Ebenen der menschlichen Entwicklung, wie z.B. rot, wo Diktaturen die normale und natürliche Form der Regierung darstellen, trifft zu dass wenn individuell und sozial auf exzessive Weise gleichgesetzt werden, sich die Diktatur von relativ gutartig zu absoluter Tyrannei entwickelt - und all diese Pathologie kommt von der Gleichsetzung, oder dem Versuch der Gleichsetzung von individuellen und sozialen Holons.

Shambhala: Ein gewaltiger Unterschied.

KW: Ja.

Shambhala: Also „Ganzes" und „Teil", wie auch „Hierarchie" bedeuten etwas sehr unterschiedliches in individuellen und sozialen Holons.

KW: Das stimmt, und wir müssen die tiefgreifenden Unterschiede auch würdigen. Diese gleichen drei Worte haben auch für Artefakte eine ganz andere Bedeutung. Und wieder, in einem ganz allgemeinen Sinn kann man sagen dass irgendein Artefakt (wie die Speiche eines Fahrradrades) ein Ganzes ist, welches wiederum Teil eine anderen Ganzen ist (dem Rad), welches wiederum Teil eines noch grössren Ganzen ist (dem Fahrrad), und so weiter. Wie ich schon sagte, in einem ganz allgemeinen Sinn könne alle vier Einheiten - individuelle Holons, soziale Holons, Artefakte und Haufen - als „Holons" bezeichnet werden, da sie alle Ganzes/Teil sind.

Doch es besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen den ersten und den letzten zwei, weshalb ich den Begriff „Holon" als technische Beschreibung oft für die ersten zwei reserviere, obgleich der Zusammenhang jeweils deutlich macht, was gemeint ist. Manchmal, bei einführenden Beschreibungen, bezeichne ich alles was existiert als ein „Holon", da das in einem ganz allgemeinen Sinn zutrifft. Oder ich bezeichne manchmal die ersten zwei als „empfindende Holons" und die letzten zwei als „nichtempfindende Holons". In jedem Fall sollten diese wichtigen Unterschiede im Auge behalten werden - denn; wollen Sie wie ein Artefakt behandelt werden?

Shambhala: Das ist die Art wie die Systemtheorie einen behandelt.

KW: Ganz genau. Kehren wir noch einmal zu diesen wichtigen Unterschieden zurück. Wir sprachen über das Fahrrad als ein Artefakt. Weder die Speiche noch das Rad noch das Fahrrad besitzt eine Innerlichkeit mit der Fähigkeit zur Wahrnehmung oder mit Bewusstsein (obgleich sie aus empfindenden Holons bestehen die Innerlichkeit haben, wie Molekülen und Atomen). [A.d.Ü.: ich verwende „empfinden" oder auch „bewusst" für das amerikanische „sentinent". KW bezeichnet damit meist die Innerlichkeit aller Holons der linken Quadranten, („den ganzen Weg nach oben, den ganzen Weg nach unten"). Der Begriff geht also in dieser Verwendung weit über ein gefühlsmässiges „Empfinden" hinaus] Noch verfügen sie über ein definierendes Muster, entstanden aus dem Inneren; das heisst, anders als bei empfindenden Holons (individuell oder sozial), ist die Form oder das Muster eine Artefaktes nicht autopoietisch, sie ist allopoietisch - sie ist nicht selbstgemacht, sie ist von anderen gemacht, weil seine Form ihm von anderen aufgeprägt wurde. Darüberhinaus verfügen diese Artefakte nicht über die vier Antriebe aller empfindenden Holons (individuell oder sozial). Aus all diesen Gründen sind Artefakte nichtempfindende Holons, und keine empfindenden Holons.

Shambhala: Empfindende Holons sind die "Grundbausteine" des Kosmos. Und es sind die empfindenden Holons, für die die zwanzig Grundaussagen gelten.

KW: Ja. Empfindende Holons sind die Grundbausteine des Kosmos, wenn wir es einmal so mechanisch ausrücken wollen. Genauer gesagt, empfindende Holons sind die grundlegenden ontologischen Ereignisse der Existenz. Das heisst, Atome, Moleküle, Zellen, und Organismen (und ihre inneren holonischen Korrelate, Aufnehmen zu Impuls zu Symbolen zu Konzepten...), sind die eigentlichen Anlässe auf denen alle nachfolgenden Anlässe sich aufbauen. Der gesamte Kosmos besteht aus empfindenden Holons. Er enthält natürlich viele nichtempfindende Holons (Artefakte und Haufen), aber seine „Bausteine" sind empfindende Holons, den ganzen Weg nach oben, den ganzen Weg nach unten. Artefakte, obgleich in diesem Prozess sehr wichtig, sind die Produkte dieses Prozesses, und nicht seine Elemente. Man kann alle Artefakte hinwegnehmen (wie einen Ameisenhügel oder ein Auto), und die Holons die das Artefakt geschaffen haben werden immer noch einen Weg finden um zu überleben. Doch wenn man das Junior-Holon eines Senior-Holon hinwegnimmt - die Atome und Moleküle und Zellen hinwegnimmt - kann kein höheres Holon überleben. Aus diesem Grund sage ich, dass Wirklichkeit grundlegend aus Holons zusammengesetzt ist (Grundaussage 1). Natürlich, alles was existiert ist im allgemeinen Sinn ein Holon (es ist ein individuelles Holon, ein soziales Holon, ein Artefakt, ein Haufen, oder ein Hybrid), doch die grundlegenden Anlässe, die Grundbausteine, das sind die empfindenden Holons.

Shambhala: Dann gelten die zwanzig Grundaussagen nur für die empfindenden Holons.

KW: Nur empfindende Holons folgen den zwanzig Grundaussagen, ja.

Shambhala: Doch Artefakte, wie Sie sagen, können auch als „Teile" und „Ganzes" existieren, nur dass sie keine Innerlichkeit haben.

KW: Ja, das stimmt. Noch einmal, die drei Worte „Ganzes", „Teil", und „Hierarchie" treffen auf individuelle Holons, soziale Holons, Artefakte und Haufen zu - doch sie haben in jedem Fall eine ganz unterschiedliche Bedeutung, und wir müssen diese Unterschiede im Auge behalten, oder wir werden alle möglichen Arten von Kategorialfehlern begehen, und diese Fehler haben gravierende und unglückliche Kosequenzen, wenn sie in Politik und soziales Handeln umgesetzt werden.

Shambhala: Dann sprechen wir jetzt darüber, wie Artefakte Ganzes und Teile sein können, und die dazugehörigen Hierarchien.

KW: Ja, eine ganze Speiche ist Teil eines ganzen Rades, welches Teil Teil eines ganzen Fahrrades ist, und so weiter. „Teil" meint hier so etwas wie eine Komponente oder ein Stück des Ganzen. Doch anders als bei individuellen Holons (deren Junior Holons auch eine Art Komponente oder ein Konstitut des Seniors sind), sind die Teile eines Artefaktes nicht von innen eingefaltet, sondern von aussen zusammengesetzt. Individuelle Holons emergieren oder treten ins Sein durch eine Entwicklung die eine Entfaltung darstellt [development that is envelopment] (höhere Holons emergieren, durch Eros, und beugen sich hinunter und umarmen ihre Junioren, durch Agape - sie transzendieren und beinhalten sie in einem ziemlich wörtlichen Sinn, so wie Moleküle Atome transzendieren und beinhalten). Doch bei Artefakten werden die einzelnen Teile von aussen zusammengesetzt durch die Intelligenz oder Agenz eines individuellen oder sozialen Holons (ein Vogelnest z.B. wird meist von einem einzelnen Vogel gebaut - es ist ein Artefakt eines individuellen Holons, wohingegen ein Ameisenhügel meistens von einer Ameisenkolonie gebaut wird - er ist ein Artefakt eines sozialen Holons).

Also bedeutet „Teil" in diesem Fall ein Stück oder eine Komponente des ganzen Artefaktes, von aussen zusammengesetzt. Und die dazugehörige Hierarchie ist keine Hierarchie eines natürlichen Wachstums, sondern eine künstliche Hierarchie, eine Hierarchie die entsteht in dem Teile zu immer grösseren künstlichen Systemen zusammengebaut werden. Das artefaktische System oder nichtempfindende Holon „transzendiert und beinhaltet" seine Teile, nicht aufgrund des ihm innewohnenden Eros, sondern aufgrund des Eros des empfindenden Holons welches es produzierte.

Shambhala: Ein weiterer grosser Unterschied.

KW: Ja. Weder individuelle noch sozial [erstellte] Artefakte haben Innerlichkeit, oder eine selbstauferlegte Agenz; ihre Form, ihr Muster und ihre Funktion ist das Ergebnis eines individuellen oder sozialen Holons, von aussen auferlegt. Wenn das durcheinandergebracht wird hat das wirklich schreckliche Konsequenzen, weil dann Artefakte einfach den gleichen Rang zugesprochen bekommen wie bewusste Wesen. Das passiert der Systemtheorie ständig, wie sie bemerkten. Und Fred Kofman, der weithin als einer der führenden Experten in Systemtheorie betrachtet wird, hat selbst darauf hingewiesen. Systemtheorie behandelt Menschen lediglich als Teile eines sozialen Systems, so wie Lastwagen, Städte, Flugzeuge und so weiter. Sie vermischt das Individuelle wie auch das Soziale, UND Holons und Artefakte. Im Ergebnis wird dadurch Bewusstheit aus den Überlegungen der Systemtheoretiker ausradiert - mit anderen Worten, was ich schon seit langem sage, Systemtheorie gibt vor, sich mit „dem Ganzen der Wirklichkeit" zu befassen, doch in Wahrheit beschäftigt sie sich lediglich mit den rechtsseitigen Quadranten, und reduziert alle Innerlichkeit zu nicht mehr als Teilen eines äusseren Systems, eines Systems welches nicht differenziert zwischen individuellen Holons, sozialen Holons und Artefakten. Dies ist die Essenz des Flachlandes.

Shambhala: Dieser Reduktionismus ist weit verbreitet. Tatsächlich tut man sich schwer, jemanden zu finden der dies nicht tut!

KW: Das ist wahr, und das hat Fred Kofman alarmiert.Weil er so viel Zeit am MIT verbracht hat, in der Zusammenarbeit mit Systemtheoretikern wie Peter Senge und anderen, war ihm ganz klar dass etwas fürchterlich schief ging, doch er konnte es nicht genau festmachen. Dann stiess er auf die Unterscheidung zwischen individuellen Holons, sozialen Holons, Artefakten und Haufen - ich schreibe über sie in Integrale Psychologie, z.B., mit Bezugnahme auf Leibnitz, Whitehead, Hartshorne, David Ray Griffin, neben anderen - und Fred bemerkte sofort dass ich nichts davon in EKL erwähnte. So war er darauf vorbereitet, auf diese unglückliche Auslassung hinzuweisen.

Shambhala: Lassen wir uns dieses Thema abschliessen mit einem kurzen Blick auf die Haufen.

KW: Haufen, ja - und wieder, man kann die Worte „Ganzes", „Teil", und „Hierarchie" in bezug auf Haufen verwenden, doch die Bedeutungen sind fast vollständig unterschiedlich. Ein Felsen zum Beispiel ist ein Haufen. Es gibt kein andauerndes oder definierendes Muster eines Felsen - seine bestimmte Form und Gestalt ist zufällig; er ist nicht selbstgestalterisch (wie ein individuelles oder soziales Holon), und ist auch nicht von anderen gestaltet (d.h. sein Muster wurde ihm nicht absichtlich eingeprägt durch die Intelligenz eines anderen, was ihm zu einem Artefakt machen würde). Doch man kann, wenn man will, auf eine Stelle des Felsens zeigen und sagen „dieser Teil des Felsen". Haufen haben also etwas was man als „Facetten" oder „Aspekte" bezeichnen kann, die „Teile" des „Ganzen" sind, doch diese Teile sind einfach nur Orte im Raum, ohne eine signifikante Ordnung oder ein Muster. Und die Hierarchie („der ganze Felsen transzendiert und beinhaltet die Teile des Felsen") ist ähnlich unbedeutend, und weitgehend eine zufällige Hierarchie.

Shambhala: Doch der Felsen enthält empfindende Holons.

KW: Ja, der Felsen enthält sowohl individuelle Holons, wie Quarks, Atome und Moleküle als auch soziale Holons wie Kristalle, alle mit aufnehmender Wahrnehmung bzw. einem rudimentären Bewusstsein. Doch der Felsen selbst hat keine eigene Innerlichkeit, und somit auch kein eigenes Bewusstsein.

Lassen Sie mich eine Zusammenfassung von all dem aufschreiben (der folgende Abschnitt ist eine lange Zusammenfassung die ich geschrieben habe, und kann von denjenigen überblättert werden die wenig Interesse an solchen Details haben, und sie können direkt zu Teil III springen, „Die kulturell Kreativen und die Integrale Kultur"]

Individuelle Holons Bewusstsein - Ja; alle individuellen Holons sind empfindende Holons; sie besitzen subjektive Wahrnehmung, Impulse, Gefühle, Bilder, Symbole, Konzepte..., mit der Aufwärtsentwicklung in der Grossen Holarchie von zunehmender Fürsorge, Mitgefühl und Bewusstheit.

Ganzes und Teil - Bei individuellen Holons bedeutet „Teil" ein konstituirender oder beinhaltender Bestandteil oder eine organische Komponente des Senior Ganzen. So ist ein Atom ein Teil (ein Konstituent) eines ganzen Moleküls, ein ganzes Molekül ist ein konstituierendes Teil einer Zelle, und so weiter.

Agenz - Die Agenz, das Muster oder Regime eines individuellen Holon ist autopoietisch, oder selbst-auferlegt. Natürlich, alle bewussten Holons haben vier Quadranten, und so ist jedes individuelle Holon geformt durch seine Umwelt, das soziale System, und den Hintergrund seiner Kultur (sie „co-evolvieren" nicht, sie „tetra-evolvieren"). Doch das definierende Muster eines individuellen Holon ist dynamisch und autonom selbsterhaltend (es ist die Agenz oder die aktive Identität des Holon). Wenn ein individuelles Junior Holon Bestandteil eines Senior Holon wird, wird die Agenz des Juniors subsumiert duch den Senior; das heisst der Junior behält eine relative Autonomie (das Molekül ist immer noch ein Molekül), aber seine Aktivitäten und Funktionen werden zu einem gewissen Grad durch die Agenz des Senior Holons bestimmt (wenn sich z. B. eine Zelle bewegt, bewegen sich all ihre Moleküle mit ihr). Die Grundaussage Nr. 6 formuliert es so, „das Niedrigere setzt die Möglichkeiten des Höheren, das Höhere setzt die Wahrscheinlichkeiten des Niedrigeren".

Hierarchie - Individuelle Holons existieren in verschachtelten Hierarchien oder Holarchien anderer individueller Holons (z.B. Quarks zu Atomen zu Molekülen zu Zellen zu Organismen...), wo jedes Junior Holon ein konstituierendes Element oder eine organische Komponente des Senior Holons ist. Dies ist der Grund warum Grundaussage Nr. 9 richtig ist: „Zerstöre irgendeine Holon-Art, und du vernichtest damit alle höheren Holons, aber kein niedrigeres." Zerstöre alle Moleküle im Universum, und du wirst alle Zellen und Organismen zerstören, doch du wirst Atome und Quarks nicht zerstören. Diese einfach Regel erlaubt uns festzustellen, was „höher" und was „niedriger" ist in einer Hierarchie (an diesem Punkt wird grün nervös). Diese Regel gilt für alle Hierarchien in jedem der Quadranten, da sie alle aus individuellen Holons grundlegend zusammengesetzt sind.

(Übringens, dies erlaubt uns auch zu definieren was „grundlegend" und was „bedeutend" ist: je niedriger ein Holon, desto grundlegender ist es, da es Bestandteil oder konstituierendes Element von so vielen anderen Holons ist [z.B., Atome sind Teile von Molekülen und Zellen und Organismen, und deren Existenz hängt von den grundlegenderen Atomen ab]; doch je höher ein Holon, desto bedeutender ist es, da es so viele andere Holons beinhaltet [eine Zelle z. B. beinhaltet und umfasst konkret Moleküle, Atome und Quarks innerhalb seines eigenen Seins, wohingegen Atome lediglich Quarks beinhalten. Daher ist eine Zelle weniger grundlegend, aber bedeutender als ein Atom; ein Atom ist weniger bedeutend aber grundlegender. Eines der grossen Probleme mit so vielen Öko-Theorien und „neuen Paradigmen" besteht darin, dass sie grundlegend irrtümlich als bedeutend betrachten...])

Grösse - Allgemein gesprochen werden individuelle Holons immer grösser, weil jedes Senior Holon ganz konkret seine Junioren in sich aufnimmt oder umfasst (transzendiert und beinhaltet) - deswegen sind Zellen grösser als Moleküle, welche grösser sind als Atome. Doch wir müssen hier vorsichtig sein, weil physische Grösse lediglich für die Rechts-Seitigen oder externen Aspekte des Holons gilt. Bei den inneren Bereichen ist jedes Senior Holon „grösser" im Sinne von einschliessender, ausgedehnter. So ist ein Konzept nicht konket grösser als ein Symbol, aber ein Konzept umfasst viel mehr Referenten als ein Symbol. Ebenso enthält eine Regel viele Konzepte, und formal operational enthält viele Regeln. Jedes innere Senior Holon transzendiert und beinhaltet seine Junioren, und ist daher „grösser" im Sinne von beinhaltender und umfassender und transzendental ausgedehnter.

So ist, bei individuellen Holons, jedes Senior Holon „grösser", entweder im physischen Sinn von räumlicher Ausdehnung, oder im inneren Sinn von einschliessender und ausgedehnter. Nirgendwo ist das deutlicher zu erkennen als bei der Selbst-Identität eines Holon, welche im gesamten Verlauf der Evolution expandieren kann von egozentrisch zu ethnozentrisch zu weltzentrisch zu theozentrisch (oder pneumozentrisch oder Kosmozentrisch) - eine Identität die sich von einer einzigen isolierten Einheit bis hin zu buchstäblich allem im gesamten Kosmos ausgedehnt hat.

Soziale Holons

Bewusstsein-Ja; soziale Holons sind empfindende Holons; doch sie habe intersubjektives oder verteiltes Bewusstsein; es gibt kein zentrales Individuum des Bewusstseins. Gruppen haben keine subjektive Wahrnehmung oder einzelne Agenz, einfach deshalb weil ihre „Teile" Mitglieder sind, keine untergeordneten Elemente. (Es gibt zum Beispiel ein „Gruppen-Ich", doch dieses Ich ist keine einzelne Einheit die alle Mitglieder der Gruppe kontrolliert, so wie mein Ich die willentlichen Bewegungen meines Armes. Das Gruppen-Ich - oder intersubjektive Bewusstsein, oder der kulturelle Hintergrund, oder der Untere Linke Quadrant - übt seinen Einfluss diffuser und auf subtilere Art und Weise aus, indem es einen Hintergrund oder intersubjektiven Raum erschafft, in dem individuelle Subjekte und Objekte erscheinen, aber in dem die individuellen Subjekte relativ frei sind sich so zu bewegen wie sie möchten. Anders gesagt, die regnant nexi von individuellen und sozialen Holons unterscheiden sich in Ausmass und Art).

Ganzes und Teil - Soziale Holons enthalten individuelle Holons, Artefakte und Haufen, doch die individuellen Holons sind „Teile" einer Gesellschaft, nicht als konstituierende Elemente des Ganzen, sondern als Mitglieder des Ganzen. Das heisst, für individuelle Holons bedeutet „Teile" Bestandteile oder konstituierende Elemente; doch für soziale Holons bedeutet „Teile" Mitglieder, Co-Partner, Freunde, Teilhaber.

Der Unterschied ist offensichtlich, und um es klar zu machen: bei konstituierenden Elementen wird deren Agenz subsumiert durch das individuelle Senior-Holon, Mitglieder behalten jedoch einen wesentlich höheren Grad an relativer Autonomie innerhalb des sozialen Holons. Wenn ich z.B. meinen Arm hebe, dann bewegen sich 100% der Zellen meines Armes nach oben. Mein Wille, als die dominante Monade, hebt den Willen der Zellen auf und subsumiert ihn. Wenn ich meinen Arm hebe, kann keine Zelle für sich entscheiden sich nicht mitzubewegen. Doch es gibt keine Gesellschaft wo 100% der Mitglieder genau das tun was der Führer dieser Gesellschaft sagt. Selbst in einer machtvollen Diktatur kann man sich dafür entscheiden anderer Meinung als das Regime zu sein; vielleicht wird man erschossen, doch man kann anderer Meinung sein. Der Grund dafür liegt darin dass soziale Holons keine einzelne dominante Monade oder regnant nexus haben (weil sie kein einzelnes Subjekt des Bewusstseins haben, sondern lediglich eine intersubjektive Verteilung), und darum haben der Führer, Herrscher, König, Präsident, oder die Regierung eine grundsätzlich begrenzte Macht. Tatsächlich verdammen wir Gesellschaften, wo eine einzelne Person oder eine regierende Körperschaft versucht die Gesellschaft zu dominieren und zu kontrollieren, weil das ja in Wahrheit bedeutet, dass die kontrollierende Person versucht das soziale Holon - bzw. der Herrscher versucht seine autokratische Monade - so zu behandeln als wäre es ein individuelles Holon... („L'etat, c'est moi" - „der Staat bin ich" - ist die archetypische Formel für totalitäre Unterdrückung, und diese Unterdrückung kommt genau daher, dass soziale Holons wie individuelle Holons behandelt werden.)

Nun ist diese Konfusion individueller und sozialer Holons ziemlich verbreitet bei der Systemtheorie und den meisten Formen der Öko-Theorien. Diese konstruieren ihre verschachtelten Hierarchien, indem sie individuelle und soziale Holons betrachten als wären sie auf der gleichen ontologischen Achse, und als ob das eine nur einfach grösser wäre als das andere, und sie erkennen nicht die wesentliche ontologische Trennung zwischen ihnen. Eine typische Öko/System-Holarchie sieht dann so aus: ein Atom ist Teil eines Moleküls welches Teil einer Zelle ist, welche Teil eines Organismus ist welcher Teil eines Ökosystems ist welches Teil der Biosphäre ist welche Teil des Universums ist. Ein absoluter Alptraum. Die erste Hälfte dieser Holarchie besteht aus individuellen Holons; die zweite Hälfte aus sozialen Holons. „Ganzes" und „Teil" bedeutet etwas sehr unterschiedliches bei beiden (nämlich, konstituierende Elemente deren Agenz grösstenteils durch den Senior subsumiert wird, versus Mitglieder deren Agenz ein Co-Partner ist zusammen mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft). Wenn aus irgendeinem individuellen Holon - von einer Zelle zu einem Wolf zu einem Affen zu einem Menschen - ein konstituierendes „Teil" eines sozialen Holons gemacht wird, bedeutet das, es zu einem geistlosen Zahnrad in einer Maschine zu machen, und beraubt ihm seiner relativen Autonomie. Dies ist nicht nur ein verwerflicher Akt, es ist ebenso eine ontologische Unmöglichkeit (obgleich Diktatoren - politisch oder ökologisch - nicht aufhören es immer wieder zu versuchen).

So sind soziale Holons, z.B. vom Ökosystem bis zum Staat, in der Tat empfindende Holons, und als empfindende Holons habe sie bestimmte Rechte (alle empfindenden Holons haben Agenz und alle Agenzen haben natürliche Rechte, so wie auch Gemeinschaften natürliche Pflichten haben, und alle empfindenden Holons haben sowohl Agenz als auch Kommunion, oder Rechte und Pflichten; siehe Eine kurze Geschichte des Kosmos). Neben anderen Dingen hat der Staat das Recht die Rechte seiner individuellen Holons oder Mitglieder zu beschneiden, wenn diese individuellen Rechte eine Gefahr für das Wohlergehen anderer individueller Holons darstellen, und die Existenz des Staates gefährden. Und der Staat, wie er auch imer heisst, ist keine überflüssige Einheit ohne die wir ebenso gut zurechtkämen. Alle empfindenden Holons haben vier Quadranten, und die soziokulturellen Quadranten (UL und UR), welche die politische Dimension beinhalten, sind unvermeidbar. Was vermieden werden sollte ist, dass der Staat zum einen zu viele Rechte gegebüber den Individuen ausübt, oder zum anderen dass Individuen zu viele individuelle Rechte ausüben, so dass die Gemeinschaftlichkeit und das Gefüge der Gesellschaft sich auflösen. Wo diese empfindliche Linie - zwischen den staatlichen Rechten und den Individualrechten - genau zu ziehen ist, das ist der Fortsetzungsroman der politischen Handlung. Aber was wir jedenfalls in keinen Fall tun wollen, ist die Vermischung von individuellen und sozialen Holons, und die Gleichbehandelung von beiden als dem selben Typ einer Einheit (einer nur grösser als der andere, anstatt im Wesen unterschiedlich), weil dies zu Faschismus führt (zu viel Staat oder soziale Agenz), oder zu Kommunismus (zu viel soziale Kommunion), sei es nun politischer Faschismus oder Öko-Faschismus, letzterer daraus resultierend dass individuelle Holons so behandelt werden als wären sie nur Teile im Netz-des-Lebens, anstatt Mitglieder grosser sozialer Holons.

Agenz - Die Agenz, das Regime, Muster, oder die Form eines sozialen Holons ist ebenso selbst-generiert, selbst-gestaltet, selbst-auferlegt, autopoietisch (auch wenn, noch einmal, alle Holons von allen vier Quadranten beeinflusst sind). Die Agenz eines sozialen Holons ist einfach der Satz Leitlinien denen sich die Mitglieder anschliessen, und dadurch Mitgliedschaft definieren. (Es gibt, natürlich, Ebenen von Kultur und Ebenen von Mitgliedschaft. Soziale Mitgliedschaft ist definiert durch das Befolgen der Verhaltensmuster der physikalischen Aspekte der Mitglieder des sozialen Systems oder des UR Quadranten; kulturelle Mitgliedschaft ist definiert durch das miteinander Teilen der intersubjektiven Ebene gegenseitigen Verstehens welches den betreffenden hermeneutische Kreis in dem unteren linken Quadranten definiert; für eine Erläuterung dieses Gedankens siehe Fred Kofmans Aufsatz [Holons, Haufen und Artefakte]. In diesem Aufsatz fasse ich sozial und kulturell zusammen).

Diese Mitgliedschaft kann einfach sein, wie bei einem Kristallgitter (welches ein soziales Holon von individuellen Ionen ist, und alle Ionen des Kristalls folgen dem Muster des Kristalls, obwohl sie bis zu einem gewissen Grad eine relative Autonomie bewahren), oder ziemlich komplex, wie in modernen Staaten und ihren vielfältigen Bürokratien (und anderen Mustern). Ein individuelles Holon wird als ein Mitglied eines sozialen Holons betrachtet wenn das individuelle Holon den Grundmustern folgt, der Agenz, oder den Regeln die das soziale Holon definieren. Und so, wenn ein Ion aus dem Kristallgitter ausscheidet und seinen eigenen Weg geht, ist es kein Mitglied des Kristalls mehr - das einzige was sich geändert hat ist, dass das Ion sich nun weitgehend in Eigenregie bewegt, und Teile seiner Autonomie nicht mehr beschneidet um an der Gemeinschaft des sozialen Holons teilzuhaben. Da alle Holons Agenz-in-Kommunion sind, wird das Ion früher oder später wieder in eine Art von sozialem Holon eintreten. Ähnlich ist ein Mensch ein Mitglied einer bestimmten Gesellschaft solange sie den Mustern folgt die dieses Ganze definieren. Wenn sie aufhört den Regeln oder Gesetzen zu folgen, dann ist sie ausgegrenzt [outlawed] - entweder gewaltsam aus der Gesellschaft entfernt, oder freiwillig im Exil. Ähnlich wie bei einem Kartenspiel, wo ich Mitglied bin wenn ich den Regeln des Spiels folge; wenn ich die Regeln breche bin ich aus dem Spiel raus, bzw. kein Mitglied mehr dieses sozialen Holons (siehe EKL).

So haben wir individuelle Holons die konstituierende Teile höherer Holons sind (z.B. Zellen, die konstituierende Teile von Organismen sind) und individuelle Holons die Mitglieder von sozialen Holons sind (z.B. ist eine prokaryotische Zelle ein Mitglied des sozialen Holons von Gaia) - in beiden Fällen beschneidet das individuelle Holon einen Teil seiner Freiheit oder Agenz um an der Gemeinschaft mit anderen Holons teilnehmen zu können (entweder dem höheren individuellen Holon oder dem grösseren sozialen Holon). Aber diese Einschränkungen der Agenz in individuellen Holons und in sozialen Holons unterscheiden sich in Art und Ausmass. Im Ausmass, weil, wenn ein individuelles Holon durch ein individuelles Senior Holon subsumiert wird, seine Agenz grundsätzlich und unvermeidlich zu einem Grossteil von dem Senior subsumiert wird (nicht vollständig subsumiert, weil alle Holons ihre Ganzheit oder ein bestimmtes Mass an relativer Autonomie behalten, so wie eine Zelle in einem Organismus immer noch beträchtliche Freiheitsgrade hat, um „ihr Ding zu machen". Doch das Recht des Senior Holon übertrumpft in jedem Fall das Recht der Junior Holons, und der Ort der Kontrolle verschiebt sich unaufhaltsam zum Senior Holon, welches nun die dominante Monade oder der regnant nexus ist). Mit dem Unterschied, dass individuelle Holons tatsächlich eine dominante Monade besitzen (oder eine Verknüpfung dominanter Monaden) weil sie ein subjektives Zentrum des Bewusstseins haben, wohingegen soziale Holons, weil sie keine subjektive Wahrnehmung haben, im Prinzip keine dominante Monade haben (ausser wenn Tyrannei dies versucht, Tyrannei definiert als die Gleichsetzung von sozialen Holons mit individuellen Holons). Dies ist einer der viele Gründe warum es ein Hohn ist, sich auf Organismen zu beziehen als wären sie lediglich „Teile" des grossen Netzes des Lebens, wohingegen sie eher Co-Mitglieder eines bestimmten sozialen Holons sind.

Hierarchie - Alle Holons „transzendieren und beinhalten", und das etabliert natürliche Hierarchie und Holarchie, worauf Whitehead so oft hingewiesen hat. Dies gilt von der Makro-Skala (das Grosse Nest des Seins z.B., wo der GEIST [spirit] die Seele transzendiert und beinhaltet, welche den Geist [mind] transzendiert und beinhaltet, welcher den Körper transzendiert und beinhaltet, welcher Materie transzendiert und beinhaltet), zur Meso-Skala (z.B. haben Entwicklungspsychologen herausgefunden, dass jede Stufe der Entwicklung die vorangehenden Stufen transzendiert und beinhaltet), bis hin zur Mikro-Skala (z.B. bedeutet Whiteheads Vorstellung von Wahrnehmung, dass das subjektiv Ganze eines Augenblicks zu einem objektiven Teil des subjektiven Ganzen des nächsten Augenblicks wird - „die Vielen werden eines und um eines vermehrt". Mit anderen Worten, Whiteheads Wahrnehmung, bei der das Subjekt des einen Augenblicks zum Objekt des Subjektes für den nächsten Augenblicks wird - das heisst, dieser gegenwärtige Augenblick transzendiert und beinhaltet den vorhergehenden Augenblick - ist die eigentliche Mikrostruktur der grundlegend hierarchischen Natur der Wirklichkeit - transzendieren und beinhalten. [Das grüne Meme, natürlich, konzentriert sich auf Whitehead's „dynamischen Prozess" und ignoriert sein Bestehen auf einer hierarchischen Natur der Wirklichkeit. Dies ist ein weiterer kleiner Selbsttest den man verwenden kann: wenn Sie nicht bemerken dass Whiteheads Sicht hierarchisch ist, dann lesen Sie ihn wahrscheinlich durch die Brille des grünen Meme.] Tatsächlich habe ich Kritiker sagen hören, dass ich mit Whiteheads Prozess-Gedanken nicht einverstanden wäre - und dass mein System „statisch" (huh?) wäre - einfach deshalb weil ich mich auch kritisch zu bestimmten Beschränkungen von Whitehead's Ansichten geäussert habe. Doch ich habe immer gesagt dass ich mit fast allem von Whitehead's Grundanalyse der Wahrnehmung übereinstimme; die tatsächlichen Ereignisse, die zusammengesetzten Individuen, die dynamischen Prozesse, die wesenhaft hierarchische Natur der Wirklichkeit, und so weiter - und ich habe diese Übereinstimmung immer wieder formuliert, seit Halbzeit der Evolution. Doch ich habe Whitehead kritisiert wegen seines monologischen, oder bestenfalls teilweise-dialogischen Standpunktes, und darauf hingewiesen dass die grundlegenden Holons der Wirklichkeit nicht nur in einer Ich-Es - oder Subjekt-Objekt - Beziehung stehen, sondern in einer vier-quadrant Beziehung - Subjekt, Objekt, intersubjektiv, interobjektiv, und die letzteren zwei nicht auf die ersteren zwei reduziert werden können, was Whitehead tut. Dieser quadratische Prozess ist sehr viel mehr dialogisch und dialektisch als Whitehead. (Siehe Integrale Psychologie für eine intensive Diskussion von Whitehead, und die Anmerkung 3 in der Einführung zu den Gesammelten Werken 8, veröffentlicht auf www.shambhala.com, hinsichtlich einer Diskussion diesbezüglich zwischen Day Ray Griffin und mir.

Um zum Hauptthema zurückzukehren. An diesem Punkt geraten viele oft ducheinander: ein soziales Holon transzendiert und beinhaltet nicht individuelle Holons; sondern, ein soziales Holon transzendiert und beinhaltet die vorangegangenen sozialen Holons seiner eigenen Entwicklungslinie. So transzendiert und beinhaltet eine orangene Kultur die Grundlagen einer blauen Kultur, welche die Grundlagen einer roten Kultur transzendiert und beinhaltet, und so weiter (durch das was man den „sozialen Lernmechanismus" nennt). Genauso transzendiert und beinhaltet ein bestimmtes Ökosystem nicht seine Mitglieder, wie Würmer, Kaninchen und Bäume; es transzendiert und beinhaltet die grundlegenden Beziehungsverhältnisse des vorangegangenen Ökosystems in dieser Nische (mit anderen Worten, das Innere und das Äussere des Individuums und des Sozialen tetra-evolvieren. Doch individuelle Holons sind nicht konstituierende Teile von Ökosystemen, sie sind Mitglieder von Ökosystemen die „co-evolvieren" - oder, genauer, „tetra-evolvieren").

Kurz gesagt, und für alle Ebenen, das soziale Senior Holon subsumiert das soziale Junior Holon als ein konstituierendes Element oder als seine höhere Struktur (doch es subsumiert nicht seine individuellen Holons, da sie Mitglieder sind, und keine Elemente). Dies ist der Grund warum Niklas Luhmann, der wohl grösste Theoretiker sozialer Systeme, darauf hinweist dass Menschen keine Teile von sozialen Systemen sind, da Teilheit und Mitgliedschaft sich wesenhaft unterscheiden.

Grösse - Dies verwirrt fast jeden: wenn man eine Holarchie hinaufsteigt, stellt man fest dass individuelle Holons grösser werden, doch soziale Holons kleiner werden. Der Grund dafür ist einfach: da jedes individuelle Senior Holon seine Juniors transzendiert und beinhaltet, wird es immer weniger Senior Holons als Junior Holons geben (es wird z.B. immer weniger Zellen als Moleküle geben, weniger Moleküle als Atome, weniger Atome als Quarks. Es wird immer weniger Menschen als Säugetiere geben, weniger Säugetiere als Insekten, weniger Insekten als Bakterien, weniger Bakterien als Moloküle...). Weil es weniger der höheren Holons gibt, werden, wenn diese höheren Holons sich zusammentun und ein soziales Holon bilden, diese sozialen Holons kleiner (d.h. kleiner als die sozialen Holons der Junior Ebenen). Je weniger Holons sich versammeln, desto kleiner die Versammlung.

Und so, wenn unzählige Atome zusammenkommen, ist das Ergebnis eine Galaxis. Wenn Atome zu Molekülen evolvieren und Moleküle sich zusammentun entstehen Planeten (welche sehr viel kleiner als Galaxien sind). Wenn Zellen aus Molekülen evolvieren, und Zellen sich zusammenfinden und die ersten lebenden Ökosysteme bilden, sind diese Ökosysteme sehr viel kleiner als der Planet auf dem sie vorkommen. Wenn mehrzellige Organismen aus Zellen evolvieren, und sie sich zusammenfinden um, sagen wir, Gruppen oder Stämme zu bilden, dann sind diese Stämme sehr viel kleiner als die Ökosysteme um sie herum. Und so weiter. Die individuellen Holons werden grösser, die sozialen Holons werden kleiner. (Dies ist Grundaussage Nr. 8, „Jede weitere Stufe der Evolution erzeugt grössere Tiefe und geringere Spanne." Die grössere Tiefe beinhaltet mehr und hat eine grössere Ausdehnung - egozentrisch zu ethnozentrisch zu weltzentrisch - doch die Anzahl der Holons die diese grössere Tiefe tatsächlich erreichen wird kleiner und kleiner.)

Hier liegt das eigentliche Problem: bringt man individuelle und soziale Holons durcheinander und konstruiert dann Holarchien die auf immer mehr Grösse basieren, dann erschafft man Holarchien die regressiv und reduktionistisch sind und immer weniger Tiefe enthalten! Und dann empfiehlt man dass die Menschen sich zurückentwicklen sollen um gerettet zu werden! Oh weh.

Zum Beispiel haben wir gesehen dass die typische Hierarchie der Öko/System-Theorie so aussieht: Atome zu Moleküle zu Zellen zu Organismen zum Ökosystm zur Biosphäre zum Kosmos. Diese Hierarchie vermengt alle vier Quadranten miteinander, vermischt individuelle und soziale Holons, reduziert individuelle Holons zu einfachen Teilen oder Zahnrädern im Flachland Netz-des-Lebens, und löscht innere Holarchien vollständig aus, bis zu dem Punkt wo alle Holons nur noch „Teile" des physikalischen Kosmos sind. Uff.

Bei individuellen Holons expandiert und evolviert ihre Tiefe oder innere Identität - sich bewegend von egozentrisch zu ethnozentrisch zu weltzentrisch zu Kosmozentrisch - doch die Anzahl der Individuen (die Spanne) die tatsächlich diese höheren Ebenen der Entwicklung erreichen, wird kleiner und kleiner. Und so, wenn wir zu den Menschen kommen - die in der Tat eine Erfahrung des kosmischen Bewusstseins machen können - ist die Anzahl der Menschen, die bewusst und stabil diese tiefere oder höhere Ebene erreichen sehr klein - wie wir gesehen haben erreichen weniger als 0,5% türkies, welches die erste Ebene ist wo die kosmische Realisation „Ich bin eins mit dem Kosmos" beginnt. Und so verläuft die menschliche Identität beginnend beim Selbst oder dem isolierten Organismus, zu einer Identität mit der Familie, zu einer Identität mit den Stamm oder der örtlichen Gemeinde, zur Nation, zu den Menschen aller Nationen, zu allen lebenden Wesen, zu allen Holons überall. Dies ist die Holarchie der inneren Identität individueller Holons. („Alle lebenden Wesen" bedeutet nicht ein soziales Holon all derer die diese hohe Ebene der Identität verwirklichen, es bedeutet das Ausmass der Expansion der Identität der individuellen Holons.)

Weil die Anzahl der Menschen die diese höheren Stufen erreichen kleiner und kleiner wird, werden, wenn diese Senior Holons sich zusammentun, ihre sozialen Holons kleiner und kleiner. Zum Beispiel, wie wir gesehen haben, erreicht 40% der Bevölkerung blau, 30% erreicht orange, 20% erreicht grün, und weniger als zwei Prozent erreicht den zweiten Rang (und noch weniger erreichen den dritten Rang). Aus diesem Grund versammelten sich diejenigen, die die höheren Ebenen des Bewusstseins anstrebten, traditionell in kleinen Kreisen oder Sanghas, Mikrogemeinschaften Gleichgesinnter, wo sie Mitglieder eines Holons grösserer Tiefe wurden, mit Abstand von der Masse (von blau und orange und grün), die ihr Streben nicht nur nicht verstanden, sondern alles in ihren Kräften stehende unternahm um sie zu zerstören, wie uns die Geschichte unglücklicherweise immer wieder gezeigt hat.

Ist dies elitär? Du meine Güte, das hoffe ich doch sehr. Doch es ist ein Eliteanspruch zu dem wir alle eingeladen sind. Jeder hat die Kapazität oder das Potential sich zu den höchsten Wellen des Seins oder Bewusstseins zu entwickeln. „Grössere Tiefe, geringere Spanne" bedeutet nicht dass es eine grundsätzliche Begrenzung gäbe für die Anzahl von Menschen die sich in die höheren Bereiche hineinentwicklen können, weil alle höheren Bereiche Potentiale sind die tatsächlich in jedem menschlichen Holon gegenwärtig sind. Es bedeutet ganz praktisch, dass weniger Individuen die höheren Ebenen erreichen können, einfach weil man auf dem Weg zu den höheren Ebenen die unteren Ebenen passieren muss, und viele Individuen sich auf einer bestimmten Ebene entsprechend ihren Wünschen, karmisch oder anderweitig, einrichten. Doch das bedeutet nicht dass man sich nicht so weit entwickeln könnte wie die eigene Kapazität und Absicht einen trägt.

Der zentrale Punkt ist einfach der, dass, bei der Konstruktion der eigenen Holarchien, individuelle und soziale Holons getrennt voneinander aufgeführt werden müssen, nicht in der Art dass letztere oben auf den ersteren sitzten und sie subsumieren, sondern mit den individuellen und sozialen Holons als korrelative Aspekte von empfindenen Holons auf jeder einzelnen Ebene der Entwicklung. Dies ist natürlich genau das was die vier Quadranten tun - die zwei oberen Quadranten sind individuell, und die zwei unteren Quadranten sind die dazugehörigen sozialen Formen von Individuen auf jeder einzelnen Ebene der Evolution.

Artefakte Bewusstsein - Nein; Artefakte sind nichtempfindende Holons. Artefakte als Artefakte besitzen keine Innerlichkeit und kein Bewusstsein, sie folgen nicht den zwanzig Grundaussagen. Doch sie enthalten individuelle Holons (z.B. Atome, Moleküle) und soziale Holons (Kristalle, Polymere) die ihrerseits Empfinden oder Proto-Bewusstsein haben.

Ganzes und Teil - in einem sehr lockeren Sinn können wir sagen dass das ganze Artefakt Teile hat, in dem Sinne wie, sagen wir, die Komponenten einer Stereoanlage oder auch Stücke eines Kuchens. Doch diese Teile wurden von aussen zusammengesetzt, und sind nicht von innen gewachsen. Da das Artefakt keine selbstauferlegte Agenz hat, hat es auch keine selbstgenerierte Ganzheit die von sich aus die einzelnen Teile organisiert. Die Beziehung zwischen Ganzem und Teil, mit anderen Worten, ist künstlich und nicht-bewusst.

Agenz - Das Muster, die Struktur und Funktion eines Artefakts wird ihm auferlegt, bzw. ist das Produkt der Agenz eines individuellen oder sozialen Holons. Ebenen des Bewusstseins produzieren Ebenen von Artefakten. Alle empfindenen Holons produzieren in gewisser Weise Artefakte, weil die Agenz eine Holons auf die eine oder andere Weise Einfluss nimmt auf seine Umwelt.

Hierarchie - Artefakte haben, aufgrund ihrer gewissen Ganzes/Teil Struktur, eine Art von Hierarchie (eine Speiche ist Teil eines Rades welches Teil eines Fahrrades ist). Doch, noch einmal, es ist eine Hierarchie die von aussen geschaffen wurde, und sich nicht von innen heraus entfaltet hat; es ist eine Hierarchie frei von Bewusstsein; seine Struktur und Funktion erhält das Artefakt durch empfindende Holons; es gehorcht den Verhaltensmustern des sozialen Systems innerhalb dessen es von empfindenen Holons bewegt wird, und es ist „Teil" des sozialen Systems in soweit, als es innerhalb dessen Muster bewegt wird.

Haufen Bewusstsein - Nein; Haufen sind nichtempfindende Holons. Haufen enthalten empfindende Holons die Bewusstsein haben, doch Haufen als Haufen haben keine Innerlichkeit, keine Agenz, und keine Wahrnehmung.

Ganzes und Teil - Noch einmal, in einem sehr losen Sinn können wir sagen dass ein Felsen seine Teile hat, wobei „Teil" einfach Merkmal oder Aspekt bedeutet, aber nichts was dem Felsen wesenhaft wäre. Die Form eines Felsen oder einer Sanddüne ist zufällig, und das sind auch seine „Teile".

Agenz - Ein Haufen hat keine Agenz, kein wesensmässiges Muster bzw. Form. Anders als bei einem Artefakt, dessen Muster ihm von einem empfindenden Holon bewusst auferlegt wird, hat ein Haufen kein intelligentes Muster oder Design.

Hierarchie - Nur in dem allerlosesten Sinn dass der ganze Haufen grösser ist als seine zufälligen Teile. Aber es gibt keine Subsumation von Agenzen, keine Mitgliedschaft, kein funktionales Muster.

Individuelle Holons, soziale Holons, Artefakte und Haufen - nur wenn holistische Philosophien, Systemtheorien, Ökophilosophien und die Versuche „integrativer" Ansätze diese Einheiten berücksichtigen, können wir beginnen zu den wirklich integralen Landkarten, Modellen und Geschehnissen des strahlenden Kosmos voranzuschreiten...

ENDE TEIL II